Gesundheitspolitik

Mit fingierter Post gegen das Rx-Versandverbot

Daten von DocMorris-Kunden für Protestaktion missbraucht

TRAUNSTEIN (cha) | Waschkörbeweise Post von Bürgern aus dem eigenen Wahlkreis, die sich über das von der Union geplante Rx-Versandverbot beschweren – da muss man als Bundestagsabgeordneter natürlich umgehend reagieren. Das machte der Münchener CSU-Abgeordnete Dr. Wolfgang Stefinger und schickte persönliche Antwortschreiben an seine (potenziellen) Wähler. Doch nun ging es erst richtig los: Nachdem er die Schreiben an knapp 800 Bürger losgeschickt hatte, wurde er telefonisch mit bitteren Beschwerden überhäuft von überraschten Empfängern, die fragten, wie er überhaupt an ihre Adresse gekommen sei. Sie seien zwar Kunden von DocMorris, aber sie hätten ihn niemals angeschrieben. Bei DocMorris will man von alledem nichts gewusst haben. In einem Schreiben an Stefinger äußert DocMorris-Vorstand Max Müller, dass es „anscheinend vereinzelt einen Missbrauch durch eine oder mehrere uns nicht bekannte Personen“ gegeben habe. Doch von „vereinzelt“ kann wohl keine Rede sein ...

Bereits im März hatte DAZ.online berichtet, dass Thüringer Bundestagsabgeordnete den Verdacht hatten, dass Protest-Postkarten von DocMorris gefälscht waren. Und auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Alexander Hoffmann beklagte bereits Ende April auf seiner Website, dass er „mehr als 1000 dieser gleichlautenden, vorformulierten und bereits vorfrankierten Massenschreiben“ erhalten habe. Da einige Absender überrascht gewesen seien, einen Antwortbrief von ihm zu erhalten, obwohl sie gar nichts von der Aktion gewusst hätten, habe er die Bundesdatenschutzbeauftragte angeschrieben. Die Antwort an Hoffmann ist, so die Pressestelle der Bundesdatenschutzbeauftragten, derzeit noch in Arbeit. Allerdings sei man nicht primär zuständig, zudem DocMorris in den Niederlanden angesiedelt sei.

Doch zurück zu Wolfgang Stefinger: Dieser hatte zunächst in einem Schreiben an DocMorris um Aufklärung gebeten, aber dieses Schreiben ist laut Aussagen von DocMorris nie angekommen. Erst nachdem Stefinger die Angelegenheit via Facebook publik gemacht hatte, nahm DocMorris-Vorstand Max Müller dann doch Stellung: Bei der Postkarten-Aktion habe man auf einer extra angelegten Internetseite seine Adresse eingeben und so ein Protestschreiben generieren können. An dieser Stelle habe es, so Müller, „anscheinend vereinzelt Missbrauch durch eine oder mehrere uns nicht bekannte Personen gegeben“. Diese hätten existierende Adressen benutzt, um eine Postkarte zu generieren „und damit DocMorris finanziell und in der Reputation zu schaden“.

Sofort nachdem die erste Missbrauchsmeldung DocMorris erreicht hätte, habe man die Protestseite am 16. März 2017 offline genommen. Jeglichen Verdacht, dass DocMorris selbst hinter den fingierten Briefen stehe, weist Müller allerdings weit von sich: „Jedoch empfinden wir es ebenso befremdlich uns zu unterstellen – direkt oder indirekt – absichtlich gehandelt zu haben.“

Woher hatten die Absender die Kundenadressen?

Damit will sich Stefinger jedoch nicht zufriedengeben. In einem Schreiben bittet er DocMorris zu erklären, wieso die „unbekannten Personen“ ausgerechnet Kundenadressen verwendet haben sollten. Und weiter will er wissen, welche Vorkehrungen DocMorris getroffen habe, um einen „Adress-Missbrauch“ auf der Protestseite im Vorfeld auszuschließen. Denn, so betont Stefinger auf seiner Website: „Gerade im Gesundheitsbereich ist der Datenschutz äußerst wichtig und ich hoffe für die Kunden von DocMorris, dass die Versandapotheke den Schutz sensibler Kundendaten ernst nimmt.“

Bei der ganzen Angelegenheit handle es sich, so Stefinger gegenüber der AZ, um einen „unglaublichen Vorgang, der aufgeklärt werden muss“. Derzeit werde im Kollegenkreis über die weitere Vorgehensweise beratschlagt.

Vorwurf: DocMorris missbraucht seine Kunden

Aber auch jenseits der Tatsache, dass fingierte Postkarten verschickt wurden, sieht man bei den Abgeordneten die DocMorris-Aktion skeptisch. Stefinger beklagt, dass versucht werde, die ­Abgeordneten unter Druck zu ­setzen, und der Konzern dafür das Porto bezahle. Stefinger wörtlich: „Wenn das die Zukunft der politischen Einflussnahme sein soll, dann Prost Mahlzeit!“ Und auch sein Kollege Hoffmann beklagt, dass „DocMorris & Co. die Kunden damit für ihre Geschäftsinteressen missbraucht und knallharte Lobbyarbeit in eigener Sache betreibt“. |

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