Gesundheitspolitik

Schreckgespenst „Pharmazon“

BERLIN (az) | Immer mehr Gesundheitspolitiker gehen von Umwälzungen im Apothekenmarkt aus. Sie warnen vor dem wachsenden Einfluss von EU-Versendern.

Über „die Zukunft der pharmazeutischen Versorgung vor dem Hintergrund europäischer Entwicklungen“ diskutierten am 22. Juni beim Hauptstadtkongress ABDA-Präsident Friedemann Schmidt und die Gesundheitspolitiker Michael Hennrich (CDU), Kathrin Vogler (Linke) und Kordula Schulz-Asche (Grüne). Die SPD war in der Runde nicht vertreten.

Die Debatte drehte sich hauptsächlich um die Auswirkungen des EuGH-Urteils zur Rx-Preisbindung. Schnell wurde klar, dass das Urteil inzwischen viel grundsätz­lichere Fragen aufgeworfen hat. Schmidt hinterfragte etwa, wie viel Einfluss europäische Institutionen auf die nationalen Gesundheitswesen haben sollten, wo es doch grundsätzlich den Mitgliedstaaten selbst obliege, ihre Gesundheitsversorgung zu steuern. Aktuelles Beispiel dafür ist eine EU-Dienstleistungsrichtlinie, nach der Änderungen am Berufsrecht grundsätzlich gegenüber der EU angezeigt werden müssen.

Besonders eindrücklich schilderte Vogler ihre (Schreckens-)Vision: Derzeit gebe es zu viel Geld, das große Kapitalgeber anlegen wollen. „Der deutsche Apothekenmarkt ist da natürlich ein geeignetes Ziel, weil es dort noch kein Fremdkapital gibt und entsprechend großes Entwicklungspotenzial vorhanden ist.“ Als „perfektes Beispiel“ bezeichnete Vogler das Vorgehen der DocMorris-Mutter Zur Rose. Man müsse aufpassen, dass sich hierzulande kein „Pharmazon“ entwickle.

Ähnlich argumentierte Hennrich. Die EU-Versandapotheken hätten nach dem EuGH-Urteil „suggeriert, dass die Rx-Umsätze zurückgegangen seien und dass eine Gefahr schlichtweg nicht bestehe. Doch dann müsse er lesen, „dass DocMorris ein dickes Umsatzplus in den vergangenen Monaten eingefahren hat und dass Zur Rose hier in Deutschland seine Rx-Anteile vergrößern will“. Hennrich versprach, auch weiterhin „alles daran zu setzen“, die Position der Apotheker zu stärken. Wie Vogler sieht er, dass sich bereits in den kommenden Monaten viel verändern könnte. „Bis ein neues Preis- und Vergütungssystem steht, können zwei oder drei Jahre vergehen. Mit dem Versandverbot hätten wir Zeit gewonnen und eine schnelle Regelung implementiert.“

Sogar Schulz-Asche warnte vor dem Markteinfluss der großen EU-Versender – ihre Lösung wäre ein Boni-Deckel gewesen, den allerdings auch keiner wollte. |

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