Gesundheitspolitik

Skonti-Entscheidung erst im Herbst

Bundesgerichtshof verkündet sein Urteil am 5. Oktober – keine Tendenz erkennbar

KARLSRUHE (wes) | Gespannt schauten Apotheker und pharmazeutische Großhändler am vergangenen Donnerstag nach Karlsruhe. Um 12 Uhr mittags verhandelte der Bundesgerichtshof (BGH) dort über die Frage, ob die Großhändler den Apotheken Preisnachlässe einräumen dürfen, die über ihrer eigenen variablen Marge von 3,15 Prozent auf den Hersteller­abgabepreis liegen – und ob gegebenenfalls Skonti bei dieser Rabattgrenze beachtet werden müssen. Entsprechend groß war der Andrang im Gerichtssaal: Neben Journalisten und Verfahrensbeteiligten waren vor allem Vertreter verschiedener pharmazeutischer Großhandlungen anwesend. Doch die mit Spannung erwartete Entscheidung fiel am Donnerstag nicht. Nachdem zuerst ein Verkündungstermin für 16 Uhr angekündigt war, kam kurz darauf die knappe Mitteilung: Die Bundesrichter verkünden ihr Urteil am 5. Oktober, 9 Uhr. Bis dahin darf der beklagte Großhändler AEP ­seine bisherigen Konditionen auf jeden Fall weiterhin gewähren.

Der Streit zwischen dem 2013 gegründeten Großhändler AEP und der Wettbewerbszentrale hat grundsätzliche Bedeutung: Folgt der BGH der Argumentation der Wettbewerbszentrale und dem Urteil der Vorinstanz, müssten die deutschen Apotheken mit signifikanten Verschlechterungen ihrer Konditionen für Rx-Arzneimittel rechnen. Die zentrale Frage lautet, ob § 2 Abs. 1 der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) nur einen Höchstpreis (das ist unstrittig) oder auch einen Mindestpreis vorschreibt.

Ein Wortlaut und zwei „eindeutige“ Auslegungen

Dass schon der Wortlaut der Vorschrift klarmache, dass mitnichten ein Mindestpreis vorgeschrieben sei, betonte AEP-Anwalt Dr. Reiner Hall in der mündlichen Verhandlung. Die Formulierung sei eindeutig: Der Großhandel „darf“ laut AMPreisV Zuschläge erheben, von „müssen“ sei nirgends die Rede. Doch selbst wenn ein Mindestpreis vorliegen sollte, schließe dieser die Gewährung eines darüber hinausgehenden Skontos nicht aus. Denn bei den – auch in vielen anderen Branchen und auch im Arzneimittelvertrieb üblichen – Skonti handle es sich um eine reine Zahlungsmodalität.

Hall machte auch auf die konkreten Auswirkungen aufmerksam, falls dem Großhandel Skonti untersagt werden sollten. Das Beispiel des „Newcomers“ AEP zeige, wie schwer der Eintritt in diesen oligopolistischen Markt sei. Für AEP sei die Belohnung einer sehr kurzfristigen Zahlung – Skonto wird bei Zahlung innerhalb von fünf Tagen gewährt, Rechnungsstellung ist alle zehn Tage – nicht nur ein wichtiges Distinktionsmerkmal, sondern erhöhe vor allem die Liquidität und senke die Kapitalbeschaffungskosten.

Der Vertreter der Wettbewerbszentrale, Prof. Dr. Christian Rohnke, betonte dagegen, Ziel der hohen Regulierungsdichte im Arzneimittelmarkt sei die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung. Vor diesem Hintergrund sei der ungehinderte Markteintritt neuer Großhändler nachrangig. Ein völlig offener Preiswettbewerb gefährde die flächendeckende Versorgung, insbesondere kleine und abgelegene Apotheken bräuchten wirtschaftlichen Schutz – dass Großhändler wie die AEP allen Apotheken unabhängig von Lage und Umsatz die gleichen Konditionen anbieten, sei im Markt die absolute Ausnahme.

Auch für Rohnke ist der Wortlaut der AMPreisV klar – nur in der anderen Richtung: Der Begriff „Festzuschlag“ (in Höhe von 70 Cent) bedeute, dass Preisnachlässe darauf nicht zulässig seien. „Eine rabattierte Erhebung eines Festzuschlags ist nicht möglich“, so Rohnke. Auch seien Skonti mitnichten allgemein üblich: „Wenn ich nachher im Casino des BGH ein Bier bestelle und sofort bezahle, dann erwarte ich auch keinen Skonto.“

Richter mit Beratungsbedarf

Wie die Bundesrichter entscheiden werden, ist nach der Verhandlung völlig unklar. Als sie den Verkündungstermin im Oktober bekannt gaben, erklärten sie, es gebe noch Beratungsbedarf.

Prozessbeobachter sahen die ­überzeugenderen Argumente auf Seiten von AEP. So antwortete der ­Anwalt der Wettbewerbszentrale überhaupt nicht auf die verfassungsrechtlichen Bedenken, dass ein Skonti-Verbot – auch angesichts der vielen anderen im Markt üblichen preiswirksamen Leistungen – ein ungerechtfertigter Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit darstelle.

Nun heißt es abwarten. Konsequenzen kann das Urteil auch für das Direktgeschäft haben. |

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