Gesundheitspolitik

Kommentar: Grünes Ablenkungsmanöver

Dr. Christian Rotta, Geschäftsführer des Deutschen Apotheker Verlags

Kordula Schulz-Asche ist Polit-Profi. Wenn ihr Büro eine Pressemeldung verschickt, kann sie damit rechnen, dass so mancher Redakteur übers Stöckchen springt, das man ihm hinhält.

Jüngstes Beispiel: Ein Meinungsbeitrag der grünen Gesundheitspolitikerin auf ihrer Homepage, in dem sie unter der Überschrift „Rettet die kleine Apotheke“ das von der Noweda und dem Deutschen Apotheker Verlag in Auftrag gegebene wettbewerbsöko­nomische Gutachten von May/Bauer/Dettling zum EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 ins Visier nimmt. Zentrales Element dieses Gutachtens sind Berechnungen, welche Auswirkungen Ertragsverluste in unterschiedlicher Höhe auf die Zahl der öffentlichen Vor-Ort-Apotheken in Deutschland hätten.

Die finale Fassung des Gutachtens ist zwar noch nicht veröffentlicht (sie erscheint in zwei Wochen als Buch), das hindert die Politikerin von Bündnis 90/Die Grünen aber nicht an meinungsstarken und öffentlichkeitswirksamen Schlussfolgerungen, die ihrerseits wieder beachtliche Berichterstattungskaskaden in Gang setzen – nicht nur das Handelsblatt berichtete.

In ihrem Gutachten weisen die drei Experten nach, was die EuGH-Richter in ihrem Urteil zur Preisbindung im grenzüberschreitenden Versand vermisst hatten: dass nämlich nicht hinreichend dargelegt worden sei, dass eine Aufhebung der Arzneimittelpreisbindung zu einer Durchlöcherung des bestehenden Apothekennetzes und der flächendeckenden Arzneimittelversorgung führe. Die Quintessenz der Gutachter: Die Aufrechterhaltung der bestehenden preisrechtlichen Inländerdiskriminierung zugunsten ausländischer Versandapotheken führt zu einer existenziellen Bedrohung von ca. 10% der öffentlichen Vor-Ort-Apotheken in Deutschland. Betroffen sind davon insbesondere Solitär-Apotheken, für die es im Umkreis von fünf Kilometern keine Alternativ-Apotheke gibt.

„Arme“ versus „reiche“ Apotheken

So weit, so schlecht. Eigentlich dürfte man erwarten, dass Gesundheitspolitiker mit solchen – auf validen Daten beruhenden – Szenarien sachlich und seriös umgehen und sich mit den im Gutachten genannten Argumenten, die für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sprechen, fundiert auseinandersetzen. Leider fehlt es daran im Meinungsbeitrag von Schulz-Asche vollständig. Statt zeitnahe Maßnahmen zur Sicherung der Arzneimittelversorgung insbesondere in dünn besiedelten Gebieten auf ihre Realitätstauglichkeit und Umsetzbarkeit abzuklopfen, versucht Schulz-Asche eine Ablenkungsdebatte über Betriebsergebnisse „armer“ und „reicher“ Apotheken vom Zaun zu brechen. Thema verfehlt, möchte man sagen. Dass dabei an der einen oder anderen Stelle auch betriebswirtschaftlich einiges durcheinandergeraten ist – geschenkt. Übel nehmen muss man der grünen Politikerin dagegen ihre Feststellung, dass die Erhöhung der Apothekenhonorare um jährlich etwa 110 Millionen Euro in Anbetracht der üppig alimentierten Apotheken „fast wie eine Veruntreuung von Versichertengeldern“ anmute und es absurd wäre, „per Gießkannenprinzip das Honorar für alle immer weiter anzuheben“.

Von einem Boni-Deckel, den Schulz-Asche im Interview mit der DAZ noch einmal ins Spiel gebracht hatte, ist in ihrem Meinungsbeitrag übrigens nicht mehr die Rede. Stattdessen favorisiert die grüne Gesundheitspolitikerin zur Rettung „kleiner Apotheken“ jetzt einen „Sicherstellungszuschlag“, der durch Umverteilung „von reichen zu ärmeren Apotheken finanziert“ werden soll. Dafür sei ja „genügend Geld da“.

Nun denn, nix Genaues weiß man nicht – und so richtig mag es mir dann doch nicht einleuchten, warum Apotheken in Deutschland andere Apotheken in Deutschland subventionieren sollten, damit Kapitalgesellschaften in den Niederlanden ihre Profite erhöhen können. Aber vielleicht habe ich da etwas nicht so richtig kapiert …

Dr. Christian Rotta


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