Gesundheitspolitik

Verwirrspiel um Honorargutachten

Angebliche Milliarden-„Überfinanzierung“ der Apotheken / BMWi soll nachrechnen lassen

STUTTGART (wes) | Das Rätsel­raten um den Inhalt des sogenannten Honorargutachtens geht weiter. In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass die ursprünglich für Mitte November vorgesehene Veröffentlichung der Ergebnisse auf einen bisher unbekannten Termin verschoben wird.

Kurz danach erschütterten dann Gerüchte über den Inhalt die Apothekenwelt: Einen „Honorarüberhang“ von gut 1,7 Milliarden Euro habe die vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) beauftragte Agentur 2hm festgestellt, behauptet ein Insider. Seitdem schießen die Spekulationen ins Kraut: Ist dieses von Branchenexperten als völlig unplausibel bewertete Ergebnis der Grund für die Verschiebung der Veröffentlichung? Lässt das BMWi gar nachrechnen? Oder möchte das Ministerium nur nicht in die weiterhin laufenden Sondierungsgespräche für eine Regierungsbildung eingreifen? Aus dem Bundeswirtschaftsministerium heißt es bisher offiziell nur, das Gutachten liege vor, sei aber noch nicht „final abgenommen“.

Gegenüber DAZ.online bestätigte ein mit dem Gutachten zum Apothekenhonorar vertrauter Gesundheitsexperte am Donnerstag, die Studie zeige, dass die deutschen Apotheken insgesamt 1,7 Milliarden Euro zu viel Honorar bekämen.

Mehrere Gesundheitsexperten von Union, Grünen, Linken und auch von der SPD – welche die Bundeswirtschaftsministerin stellt – erklärten dagegen, den Inhalt des Gutachtens nicht zu kennen. Gleiches erklärten die über einen Beirat in die Gespräche über das Gutachten eingebundenen Ver­bände ABDA und Phagro.

© Kai Felmy

„Nicht ernst zu nehmen“

Derweil werden große Zweifel an der kolportierten Höhe der Über­finanzierung laut. So erklärte Katrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfrak­tion, in der letzten Legislaturperiode: „Wenn es stimmt, dass das bislang unveröffentlichte Gutachten 1,7 Milliarden Euro Honorar­überschuss bei Apotheken sieht, kann ich es nicht wirklich ernst nehmen.“ Sollte die Zahl stimmen, provoziere das „mit der Rasen­mähermethode den Kahlschlag“ bei den Apotheken und stelle eine Ohrfeige für die letzte Bundesregierung dar, die die Vergütung der Apotheker mit dem Notdienstfonds sowie bei Rezeptur- und Dokumentationsgebühren erhöht hatte.

Lässt das BMWi nachrechnen?

Auch im Wirtschaftsministerium scheint es Zweifel an den Ergebnissen zu geben. Dem Vernehmen nach wurden die von 2hm vorgelegten Zahlen zur Überprüfung an das Statistische Bundesamt gegeben. Das könnte auch der Grund für die Verzögerung bei der Veröffentlichung sein. Tatsächlich erscheint die Zahl von 1,7 Milliarden Euro völlig unplausibel: Das wären rund 85.000 Euro zu viel Honorar pro Apotheke. Laut ABDA betrug das Teilbetriebsergebnis der durchschnittlichen Apotheke mit den gesetzlichen Krankenkassen 2016 nur 83.000 Euro.

Von Anfang hatte es zudem erhebliche Kritik an der Methodik der Studie gegeben, die den umfassenden Versorgungsauftrag der Apotheken fragmentieren wollte. |

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