Aus den Ländern

Viele Perspektiven für die Apotheken

Niedersächsischer Apothekertag in Celle

CELLE (tmb) | Ein klares Bekenntnis einer Landesministerin zu den Apotheken, einen AOK-Vorsitzenden, der ein Rx-Versandverbot begrüßt, und eine persönliche Positionierung des ABDA-Präsidenten zur langfristigen Apothekenhonorierung – das gab es beim 9. Niedersächsischen Apothekertag am 13. und 14. Mai in Celle. Außerdem erlebten die rund 400 Teilnehmer vielfältige Fortbildung, 60 Aussteller und eine rustikale Abendveranstaltung in einem historischen Bauernhof.

Die niedersächsische Gesundheitsministerin Cornelia Rundt (SPD), die bisher in ihrer Amtszeit alle Apothekertage des Landes besucht hat, erklärte, sie sei keine Verfechterin eines reinen Wettbewerbssystems im Gesundheitswesen. Ihr gehe es darum, die flächendeckende Versorgung im Land und die Beratung „face to face“ zu sichern. ­Darum sei sie nach wie vor für das Rx‑Versandverbot. Zudem verwies Rundt auf die Novellierung des niedersächsischen Krankenhausgesetzes. Als Reaktion auf eine Mordserie sei Niedersachsen das erste Land, das ­Stationsapotheker vorschreibt, die die Patientensicherheit verbessern sollen. Leider habe das System bisher mehr auf die Wirtschaftlichkeit und auf Behandlungsfehler geachtet.

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Gesundheitsministerin Cornelia Rundt (Mitte) mit der Kammerpräsidentin Magdalene Linz und dem LAV-Vorsitzenden Berend Groeneveld.

Der Vorsitzende des Landesapothekerverbandes Niedersachsen, Berend Groeneveld, betonte das von Vertrauen getragene Verhältnis der Apotheker zur Ministerin. Dagegen beklagte er, dass „Europa“ die Apotheker nur als Händler sehe. Zum Rx-Versandverbot sieht Groeneveld keine Alternative, weil jede Preisstaffelung erst die Versorgungslücke schaffen würde, die der Versand angeblich schließen soll.

Magdalene Linz, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen, hob den Einsatz der Apotheker für die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) hervor. Dazu sei das heilberufliche Netzwerk mit den Ärzten schon früh geknüpft worden, beispielsweise in der Zusammenarbeit mit der Medi­zinischen Hochschule Hannover.

Auch der Vorstandsvorsitzende der AOK Niedersachsen, Dr. Jürgen Peter, sprach sich für ein Rx-Versandverbot aus – zumindest „um Zeit zu gewinnen“. Außerdem bot er den Apothekern an, IT-Konzepte für die Zukunft gemeinsam zu gestalten und dies nicht Google zu überlassen. Peter erklärte, die gute Zusammenarbeit mit den Apothekern sei von Vertrauen geprägt und diene damit der Reduktion von Komplexität (zu den Grußworten siehe auch Seite 16).

Arzneimitteltherapiesicherheit

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Festredner Prof. Dr. Ulrich Jaehde

Im Festvortrag des ersten Veranstaltungstages betrachtete Prof. Dr. Ulrich Jaehde, Bonn, „Anspruch und Wirklichkeit“ der Pharmakotherapie in ­Alten- und Pflegeheimen anhand von eigenen Studien. Die beiden wichtigsten Risikofaktoren für unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind demnach Verordnungen von zehn oder mehr Wirkstoffen und die mangelhafte Korrektur der Dosierung bei Niereninsuffizienz. Projekte zur AMTS könnten die Situation verbessern, wobei der größte Effekt offenbar in der Sensibilisierung aller Beteiligten liegt.

Wie die AMTS auch außerhalb von Heimen verbessert werden kann, wurde anschließend in einer Runde diskutiert. Der Geriater Dr. Olaf Krause, Hannover, forderte Unterstützung für die Hausärzte und lobte das Vier-Augen-Prinzip. Als idealen Einstieg beschrieb Apotheker Dr. Alexander Zörner, Munster, den Fall, dass Patienten von sich aus in der Apotheke um Rat fragen und alle ihre Arzneimittel durchgehen. Bei Problemen sei es ideal, wenn der Apotheker diese direkt mit dem Arzt klären kann.

Brigitte Käser, Geschäftsführerin Gesundheitsmanagement der AOK Niedersachsen, betonte, wie wichtig arbeitsteiliges Vorgehen ist, und schilderte zugleich, wie schwer Ärzte und Apotheker für die gemeinsame Arbeit zu gewinnen sind. Apotheker und Arzt müssten sich kennen und einander vertrauen können, so Käser. Das Problem, dass manche Ärzte nicht die Verordnungen anderer Ärzte hinterfragen, sei zu lösen, wenn der Patient ausdrücklich den Auftrag dazu gibt. Zörner forderte eine Systematik für die schnelle und zuverlässige Kommunikation mit dem Arzt und betonte, dass zusätzliche Leistungen zusätzlich honoriert werden müssten. Für ­Jaehde geht es darum, die Kompetenzen so zusammenzufügen, dass das Beste für die Patienten herauskommt. Letztlich zielte die Diskussion auf das Hausarztmodell der AOK Niedersachsen und das dazugehörige Projekt zur AMTS. Dabei können Ärzte Apotheker konsiliarisch mit der Durchsicht der Medikation beauftragen oder dem Patienten dafür eine Verordnung ausstellen.

Vielfältige Fortbildung

Außerdem bot der erste Veranstaltungstag Fortbildung zu unterschied­lichen Themen. Die Persönlichkeitstrainerin Katrin Suhle, Eicklingen, vermittelte Möglichkeiten des Zeitmanagements für die Erfolgssteigerung.

ABDA-Jurist Dr. Matti Zahn beschrieb die Folgen des Antikorruptionsgesetzes für die Apotheker und riet daraufhin: „Don`t panic!“ Dr. Hans-Jürgen Ruhl und Alexander Strobel, Frankfurt/Main, resümierten die für Apotheken relevanten wettbewerbsrecht­lichen Urteile der vorigen Jahre. Aufgrund der jüngsten Urteilsbegründung des BGH konstatierte Strobel eine Chance, die Arzneimittelpreisbindung erneut vor den EuGH zu bringen.

Der Kardiologe Dr. Stephan Böhmen, Oldenburg, präsentierte Daten zur kardiopräventiven Wirkung von körper­licher Bewegung. Seine wesentliche Botschaft war: „Wirklich alles ist besser als nichts zu tun.“ Wer sich bisher sehr wenig bewege, könne schon mit etwas mehr Bewegung seine Gesundheit verbessern. Auch moderates Training, das nur am Wochenende statt­finde, senke die Gesamtsterblichkeit deutlich. Abnehmen könne dagegen bei einigen chronischen Krankheiten sogar die Sterblichkeit erhöhen. Entscheidend sei nicht das Gewicht, sondern die Fitness.

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Moderatorin Ina Bartels mit den Juristen (von links) Dr. Hans-Jürgen Ruhl, Alexander Strobel und Dr. Matti Zahn.

Prof. Dr. Thomas Herdegen, Kiel, re­sümierte den Einsatz der neuen oralen Antikoagulanzien (NOA). Wegen der prinzipiell gleichartigen Wirksamkeit seien die Dosis-Wirkungs-Beziehung, die Metabolisierung, Interaktionen und die Ausscheidung entscheidend für den individuellen Einsatz. Neue Patienten erhalten in der Regel ein NOA, aber bei schwerer Niereninsuffizienz und bei künstlichen Herzklappen seien auch künftig die klassischen Vitamin-K-abhängigen Antikoagulanzien nötig.

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Das Celler Schloss; davor die Bronzeplastik „Hengst Wohlklang in der Freiheitsdressur“.

Honorierung und weitere Berufspolitik

Der zweite Veranstaltungstag war zunächst von der Berufspolitik geprägt. DAZ-Wirtschaftsexperte Dr. Thomas Müller-Bohn erläuterte, wie sich die Apotheker auf das zu erwartende Gutachten zur Honorierung vorbereiten sollten und welche Möglichkeiten langfristig für die Honorierung bestehen (siehe Beiträge auf den Seiten 26 und 30).

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Festredner Prof. Dr. Björn Christensen und Moderatorin Bianca Krause.

Anschließend machte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt eine Bestandsaufnahme der abgearbeiteten und der ausstehenden apothekenrelevanten politischen Projekte. Vorrangige Themen seien das Rx-Versandverbot, die Umsetzung des AMVSG und die Entwicklung einer Honorierungssystematik. Im Mittelpunkt stehe die freiberufliche Leistungserbringung. Besonders wichtig für die politische Arbeit sei die Zeit unmittelbar vor und nach der Bundestagswahl. Denn die Erfahrung zeige: „Was nicht im Koalitionsvertrag steht, wird nicht gemacht.“ Die größte Herausforderung sieht Schmidt im ­europäischen Dienstleistungspaket. Als entscheidenden Vorteil der Vor-Ort-Apotheken müssten die Apotheker die Ganzheitlichkeit ihres Angebots im Unterschied zum Versand deutlich machen. Schmidt griff auch die Aussagen zur Honorierung auf und äußerte dabei erstmals seine persönliche Präferenz: Er warb für ein Einschreibemodell, weil dieses die flächendeckende Versorgung sichere. Apotheken nur in Notfällen zu nutzen, sichere nicht deren Bestand, und bei einem Fondskonzept in Verbindung mit einer Art „Kassenapothekerliche Vereinigung“ sehe er die Gefahr einer Bedarfsplanung für Apotheken. Doch zur Diskussion über die Honorierung erklärte Groeneveld in seinem Schlusswort: „Da müssen wir ran.“ (siehe Seite 16)

Lustiges und Nachdenkliches

Im Festvortrag des zweiten Veranstaltungstages präsentierte Prof. Dr. Björn Christensen, Kiel, „Alltagsthemen der Statistik zum Nachdenken und Schmunzeln“. Anhand eingängiger Beispiele zeigte er die Tücken von Verhältniszahlen, Mittelwertvergleichen und Daten ohne intuitive Aussagekraft. Christensen mahnte, bei veröffentlichten Ergebnissen die Methodik der zugrundeliegenden Untersuchung zu hinterfragen und Korrelationen nicht mit Kausalität gleichzusetzen.

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Prof. Dr. Volker Fintelmann

Zum Abschluss des Apothekertages verabschiedete sich Prof. Dr. Volker Fintelmann, Hamburg, mit einem Vortrag bei den Apothekern, weil er sein Amt als Präsident der Deutschen Akademie für Homöopathie und Naturheilverfahren in Kürze aus Altergründen abgeben wird. Er war 30 Jahre lang, davon zehn Jahre als Präsident, für diese Gesellschaft tätig, die ihren Sitz am Tagungsort Celle hat. Fintelmann sprach sich für eine integrative Medizin aus, die Naturheilverfahren als Möglichkeit neben der Schulmedizin anbietet. Er stehe für ein „sowohl als auch“ und nicht für ein „entweder oder“. Neben den körperlichen Befunden sollte die subjektive Befindlichkeit des Patienten betrachtet werden. Dafür seien Heilpflanzen als Vielstoffgemische oft wirksam und insbesondere gut verträglich. Die größten Möglichkeiten für den Einsatz der Phytotherapie sieht Fintelmann erst noch kommen, wenn sich die Medizin mehr auf die Prävention ausrichtet. |

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