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Pharmaindustrie sorgt sich um Arztinformationssystem
Mitgliederversammlung des BPI
Datenunsicherheit bei Nutzenbewertung neuer Arzneimittel
Vor der Diskussion machte Prof. Dr. Bernhard Wörmann, Medizinischer Leiter der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie, „Bemerkungen zur Arzneimittelversorgung 2017“. Demnach wird etwa ein Drittel der neuen Arzneimittel in der Onkologie eingesetzt, überwiegend in einer sehr späten Behandlungsphase. Onkologika können mit der Mortalität als Endpunkt systematisch bessere Nutzenbewertungen erzielen als beispielsweise Arzneimittel mit den Indikationen Diabetologie oder Neurologie. Insgesamt werde in etwa 60 Prozent der untersuchten Subgruppen kein Zusatznutzen für neue Arzneimittel ermittelt, aber nur bei einem Prozent aller Ergebnisse habe die Aussage den Rang eines Beleges. Ansonsten herrsche aufgrund weniger Studien eine hohe Datenunsicherheit, und die Bewertungen werden später oft revidiert. Daher dürfe ein Ergebnis „nicht wie in Stein gemeißelt“ erscheinen, mahnte Wörmann. Er schlug vor, in einem Informationssystem die Subgruppe, die Bewertung in Textform, das Vergleichsarzneimittel, den Endpunkt und den etwaigen Orphan-Drug-Status zu nennen sowie Links zu den tragenden Gründen der Bewertung und zu Leitlinien anzugeben. Für den besseren Umgang mit Lieferengpässen empfahl er ein Register mit Meldepflicht und besonderen Schutz für unverzichtbare Arzneimittel.
Informieren ohne Retax-Ängste
Die Diskussion drehte sich um die Frage, wie weit die Informationen verdichtet werden können und welche Konsequenzen daraus abgeleitet werden sollen. Andreas Storm, Vorsitzender der DAK-Gesundheit, forderte, die Ärzte müssten eine Informationsgrundlage für die Verordnung ungünstig bewerteter Arzneimittel erhalten und solche Verordnungen begründen können.
ABDA-Präsident Friedemann Schmidt entgegnete, die gemeinsame Kultur sei entscheidend. Diese dürfe nicht mehr zur Angst vor Regress und Retaxationen führen. Wie Wörmann plädierte auch Schmidt für differenzierte Informationen und gegen die Steuerung der Verordnungen.
Der BPI-Vorsitzende Dr. Martin Zentgraf erinnerte an den Zweck der frühen Nutzenbewertung als Grundlage einer Preisverhandlung. Angesichts der Schwächen des Verfahrens wäre es fatal, mit diesen Ergebnissen die Verordnungen zu steuern, warnte Zentgraf. Doch derzeit werde die frühe Nutzenbewertung zu einem Entscheidungskriterium aufgewertet. Er fürchte, das geplante Informationssystem werde ein Steuerungssystem.
Meldepflicht für Lieferengpässe?
Zur Versorgungssicherheit erhob Schmidt den Anspruch, dass jeder Patient stets mit dem optimalen Arzneimittel versorgt werden solle. Dieser Anspruch sei derzeit nicht erfüllt. Damit Ärzte und Apotheker die Versorgung managen können, müssten sie frühzeitig über drohende Engpässe informiert werden. Daher forderte Schmidt ebenso wie Wörmann eine Meldepflicht für Engpässe.
Die Industrie lehnt eine solche Meldepflicht ab. Der BPI-Vorsitzende Zentgraf erklärte sogar, dass Warnungen vor drohenden Engpässen das Problem verschärfen könnten. Er plädierte für Anbietervielfalt, denn Oligopole würden die Gefahr für Engpässe erhöhen.
Produktion in Europa fördern
Als weitere Maßnahme gegen Lieferengpässe forderte Schmidt, den Kellertreppeneffekt bei den Preisen zu durchbrechen. Stattdessen sollten Anreize für die Produktion in Europa geschaffen werden. „Wir müssen den europäischen Regulator anregen, mal etwas Vernünftiges zu tun“, erklärte Schmidt. Dies sei auf jeden Fall eine europäische Aufgabe.
Storm entgegnete, eine Beschränkung der Produktion auf Europa sei mit dem Vergaberecht nicht zu vereinbaren, räumte aber ein, dass Umwelt- und Arbeitsschutz zu Auswahlkriterien werden könnten. Auch politische Instabilität in Herstellungsländern könne die Versorgungssicherheit gefährden.
BPI: Versandverbot unhaltbar
Schmidt betonte, dass einheitliche Preise im Gesundheitswesen von zentraler Bedeutung seien. Zentgraf erklärte, der BPI unterstütze einheitliche Abgabepreise für Arzneimittel, denn lokale Preise könnten Lieferengpässe verschärfen. Allerdings halte er ein Arzneimittelversandverbot auf Dauer für ebenso unhaltbar wie das Fernbehandlungsverbot. Der Versandhandel werde nie die wohnortnahe Apotheke ersetzen, erklärte Zentgraf als Schlusswort der Diskussion. |
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