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Pest & Cholera
Ein Tipp für Leseratten
Deville skizziert den Lebensweg und das Umfeld Yersins, der in Marburg zur Medizin und in Paris zur Mikrobiologie kam. So wie viele seiner Kollegen hielt es Yersin jedoch nicht im heimischen Labor aus. Als Schiffsarzt in Indochina pendelt er zunächst auf der Strecke Saigon–Manila und kauft sich ein kleines Boot, mit dem er zwischendurch die Umgebungen beider Städte auf dem Wasserwege erkundet. Nach der Versetzung auf eine andere Linie, die an der heutigen vietnamesischen Küste entlangführt, setzt Yersin erstmals seinen Fuß in das Fischerdorf Nha Trang, wo er sich später dauerhaft niederlässt, eine der internationalen Niederlassungen des Pasteur-Instituts gründet und bis zu seinem Tod im Jahr 1943 als Junggeselle, Entdecker, Landwirt (Chinin, Kautschuk u. a.), Botaniker und Geograf, ja quasi als ein Universalgelehrter lebt.
1894 gelingt es ihm während einer Pestepidemie in Hongkong, den nach ihm benannten, stäbchenförmigen Erreger zu isolieren und zu beschreiben. Dabei ist der auf nationalem wie internationalem Parkett ausgetragene Wettstreit zwischen den Teams von Louis Pasteur und Robert Koch, d. h. zwischen Frankreich und Deutschland, ebenso ein Thema des Buches wie die politische Großwetterlage, die zwei Weltkriege umfasst und nicht nur für Europa, sondern auch für Indochina gewaltige Umwälzungen bringt.
Alles in allem eine sehr anregende Lektüre, die das Fernweh weckt. Vom deutschen Lektorat hätte man sich einige Hinweise zu Namen und Orten gewünscht, die dem französischen Leser sicherlich viel geläufiger sind – und gern auch eine Landkarte. So empfiehlt es sich, ein Smartphone griffbereit zu haben, um Forscher und Schriftsteller, Währungen, alte geografische Bezeichnungen usw. nachschauen zu können. Dem Lesevergnügen und Lerneffekt tut dies jedoch keinen Abbruch. |
Patrick Deville:Pest & Cholera. Unionsverlag, Zürich 2017, TB, 235 Seiten, 12,95 Euro
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