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Tagebuch im Rückblick

Mein liebes Tagebuch

Rückblick auf das Jahr 2017

Und, mein liebes Tagebuch, wie war das Jahr 2017 für uns Apothekers? Kommt drauf an, wie man‘s dreht und wendet. Rund 250 Apotheken sind dieses Jahr wieder ausgestiegen – für diejenigen, die schließen mussten, ein Desaster. Für alle, die sich im Markt gehalten haben, sah es dagegen mitunter gar nicht so schlecht aus. Wären da nicht – mit Blick in die Zukunft – die drei Mega-Themen, die das Jahr dominierten: das Rx-Versandverbot, um das bisher erfolglos gekämpft wurde, und der bestehende unfaire Wettbewerb mit ausländischen Versendern sowie das Honorargutachten mit seinen unabschätzbaren Folgen. Dazu kommt noch die Ungewissheit, was eine neue Regierung bringt, so sie sich irgendwann bildet. Nicht zuletzt müssen wir mit unserer gewählten Berufsvertretung zurechtkommen, die sich eher in Zurückhaltung und Einkapseln übt als in Offenheit und Transparenz. Aber, mein liebes Tagebuch, wir lassen den Kopf nicht hängen und das Pistill nicht stecken: Ohne Apotheke geht’s nicht! | Von Peter Ditzel

Januar 2017

Alles dreht sich, alles bewegt sich um ein Rx-Versandverbot. Es wird ein Ganzjahresthema, ein ewiges Pro und Contra, in der Politik, von Organisationen, die sich zu Wort melden, und von Medien. Da müsste doch was zu machen sein, meinen nicht nur wir. Da gibt es CDU-Politiker, die eine tolle Zuversicht verbreiten: Das Rx-Versandverbot kommt, sicher! Und dann gibt es diejenigen, die sich notorisch dagegenstellen: SPD-Politiker wie Karl Lauterbach, zum Beispiel. Oder Magnus von Stackelberg, Vizechef des GKV-Spitzenverbands. Auch Medien wie der „Spiegel“ schießen mit oberflächlichen Argumenten gegen die Apotheke und meinen, die Apotheken wollten den Versandhandel per se verhindern. Und die Monopolkommission, für die Wettbewerb bekanntlich über alles geht, hält ein Versandverbot in einer digitalisierten Gesellschaft für ein falsches Signal und möchte einen Bonus-Deckel zwischen 2,50 und 5 Euro. Aber es gibt auch Patientenvereinigungen wie den Diabetikerbund Bayern, der sich klar zur Apotheke und zur wohnortnahen Versorgung bekennt und dies sogar mit einem Videoclip in die Welt transportiert. Mein liebes Tagebuch, wir müssen uns im Januar auf ein ganzjähriges Auf und Ab zu diesem Thema einstellen. Am Ende des Jahres werden wir wissen, ob‘s geholfen hat.

Was auf die Apotheken zukäme, wenn sie in Rabatt- und Bonikämpfe geschickt und Höchstpreismodelle etabliert würden: Nicht auszudenken! Es wäre für viele das Aus. Eine Apotheke hätte dann schnell mal nur noch 4 Euro Honorar. Bundesgesundheitsminister Gröhe geht dagegen unbeirrt seinen Weg. Er poliert sogar seinen Gesetzentwurf für ein Rx-Versandverbot nach und stellt den Gesundheitsschutz der Bürger in den Mittelpunkt. Und während alle das Für und Wider diskutieren, bereitet die Oberversandapotheke DocMorris eine Werbeaktion nach der anderen vor und lockt Kunden mit satten Boni zum Rx-Versand.

Der zweite Dauerbrenner: Lieferengpässe, Versorgungsengpässe und sogar Not-Importe! Von wegen gutes neues Jahr! Nach dem Silvester-Champagner zieht uns der Januar auf den eiskalten Boden der Offizin zurück. Anfang Januar muss das Kombiantibiotikum Piperacillin/Tazobactam rationiert werden. Das Bundesgesundheitsministerium macht den Weg frei für Not-Importe aus dem Ausland. Mein liebes Tagebuch, es wird immer deutlicher, wie wir von der Antibiotika-Produktion in China abhängig werden. Und wie GKV-Sparzwänge und Gewinnmaximierung die Märkte im Griff haben. Dann setzen Hersteller noch eins drauf und kontingentieren ihre Ware an den Großhandel und liefern bevorzugt direkt über die Plattform Pharma Mall. Wilde Spielchen laufen da ab.

Das Januar-DAZ-Interview mit dem ABDA-Präsidenten: erfrischend offen. Er habe viel gelernt in seiner bisherigen Amtszeit. Er freut sich über das Erreichte wie z. B. das Perspektivpapier, den Nacht- und Notdienstfonds und ARMIN. Was drückt und noch vor ihm liegt, sind natürlich die Anpassung des Apothekenhonorars und ein Rx-Versandverbot. Ach ja, dann wären da noch der verunglückte Medikationsplan und die ausstehende Reform des Pharmaziestudiums, die er 2017 angehen wolle. Was seinen Führungsstil betreffe, so habe er ein dickes Fell bekommen und ja, die Vorstellung vieler Mitglieder nach einem Idol an der Spitze – das könne er nicht erfüllen. Nein, mein liebes Tagebuch, muss er auch nicht, aber ein bisschen häufiger vielleicht mal ein klares Statement zu aktuellen Fragen wäre schon nicht schlecht.

Februar 2017

Überraschung Anfang Februar: Die vom Bundeswirtschaftsministerium mit dem Honorargutachten beauftragte Consulting-Agentur 2hm sucht Kontakt zu Apotheken und will intime Daten aus der Apothekenpraxis, seltsam gegliedert nach Warenwirtschaft, BtM-Abgabe und Zubereitung parenteraler Lösungen. Die ABDA war über den Fragenkatalog nicht informiert. Mein liebes Tagebuch, das kann ja heiter werden, so unsere Vorahnung, steht da ein Pharmageddon fürs Apothekenhonorar bevor?

Auch im Februar treibt uns das Thema Rx-Versand um. In einem Interview sieht der Mitgründer der niederländischen Versandapo Europa Apotheek Venlo Schicht im Schacht für sein Unternehmen, wenn das Rx-Versandverbot käme. Unser Mitleid hält sich in Grenzen.

Währenddessen geht der Kampf ums Rx-Versandverbot weiter, besonders bei der SPD: Die Landesebene ist geschlossen für ein Verbot, aber die Bundesebene mauert. Die Grünen können sich nicht zu einem Verbot durchringen – mit Ausnahme der grünen Gesundheitsministerin von Nordrhein-Westfalen, Barbara Steffens, die den Apotheken zur Seite steht: „Wir brauchen Sie!“. Der Ersatzkassenverband dagegen hält es schlichtweg nicht für zeitgemäß, den Rx-Versand zu verbieten. Währenddessen macht die ABDA nette Filmchen über Patientenschicksale und entdeckt Emotionen. Da wird’s uns richtig warm ums Herz, mein liebes Tagebuch.

Dann noch eine Überraschung: Die Deutsche Parkinson Vereinigung, die von DocMorris satte Boni einstrich und uns praktisch das EuGH-Urteil einbrockte, kooperiert mit der ABDA: Sorry, liebe Apotheker, war alles nicht so gemeint, die Apotheker vor Ort sind doch besser. Mein liebes Tagebuch, na supi!

Die Grünen suchen händeringend nach Argumenten für den Erhalt des Rx-Versands. Die Grüne Kordula Schulz-Asche sieht z. B. keine Gefahr für die flächendeckende Versorgung – notfalls könnten Apotheken doch kleine Zweig-Apos auf dem Land eröffnen. Mein liebes Tagebuch, die Argumente werden immer abstruser. Auch die SPD wird noch kreativer, um den Versandhandel beizubehalten: Sie will nun Rx-Boni übers Sozialrecht für zwei Jahre verbieten und danach eine Umstellung des Apothekenhonorars prüfen. Und macht den Apotheken klar: Akzeptiert den Vorschlag oder es gibt gar nichts. Derweil steht Gröhe fest wie der Fels in der Brandung: Er schickt seinen Gesetzesvorschlag für ein Rx-Versandverbot zur Abstimmung ans Wirtschafts- und Justizministerium. Währenddessen ruft DocMorris seine Kunden dazu auf, gegen das geplante Rx-Versandverbot zu protestieren, druckt vorgefertigte Protest-Postkärtchen, die die Kunden gerne von DocMorris an die zuständigen CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten schicken lassen können.

Und auf der anderen Seite: Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml. Sie spricht Klartext: „Die SPD positioniert sich als Interessenvertreterin der großen ausländischen Internetversender – zulasten der kleinen Landapotheken …“ Das ficht den neuen SPD-Messias Martin Schulz aber nicht an. Der will Gerechtigkeit für den kleinen Bäcker und denkt nicht an den kleinen Apotheker.

Währenddessen lässt sich der „Spiegel“ vor den Karren einiger weniger Patienten spannen, die glauben, sie bekämen ihre Spezialrezepturen nicht mehr, wenn es ein Versandverbot gäbe. Das Magazin wirft dem „Apothekerfreund Gröhe“ vor, er habe sich von der Apothekerlobby einflüstern lassen, den Versandhandel zu verbieten.

März 2017

Auch der März ist ein Monat des Ringens um das Rx-Versandverbot. Gegner bemühen das Schlagwort vom digitalen Wandel und das, was sie darunter verstehen, z. B. Internetklicks und Päckchen packen. Kassenbosse tanzen Hand in Hand mit ausländischen Versandapotheken um das Goldene Kalb Versandhandel. Dass sie dabei kleine Apotheken zertrampeln, merken sie nicht. Digitaltrunken meint der BKK-Chef, Arzneiversandhandel sei unverzichtbar.

Die ABDA-Unterschriftenaktion „Gesundheitssystem in Gefahr“, mit der sich Apothekenkunden zur Vor-Ort-Apotheke bekennen können, geht zu Ende – und jetzt? War’s ein Donnerschlag oder eher ein Knallfrosch? Wir wissen es noch nicht. Politiker jedenfalls waren nicht begeistert, sie meinten, die Aktion sei populistisch und antieuropäisch gewesen. Doch das muss uns nicht kümmern. Wir schauen da mal auf Amazon, den Versandkonzern, der schon alles verschickt, sogar Apotheken sollen schon unter seinen Fittichen und im Auftrag von Amazon arbeiten. Mein liebes Tagebuch, ist das der digitale Wandel, von dem Gesundheitspolitiker so schwärmen? Wir fragen uns auch: Warum setzen sich SPD-Politiker so vehement für zwei, drei niederländische (zum Teil schweizerisch/saudiarabische) Versandapotheken ein? Ist das nicht bizzar? Drehen die Sozen durch? Leiden Kassen unter Realitätsverlust? Was kommt da noch auf uns zu?

Unsere ABDA lässt sich da nicht beirren und geht ihren Weg: Ein schniekes neues Apotheker-Häuschen wird in Berlin gebaut für schlappe 35 Mio. Euro. Mit Plenarsaal, Konferenzflächen und Dachterrasse, aber Hallo, vom Feinsten! Am 2. März war der Spatenstich an der Heidestraße in der Nähe des Berliner Hauptbahnhofs. Und in zwei Jahren sollen unsere ABDA-Oberen schon die Ledersessel ihrer neuen Büros besetzen.

Fast schon wie ein Aufatmen: Unser Präsident redet Klartext! Mit einer Pressemitteilung meldet sich die ABDA zur Blockadehaltung der SPD beim Rx-Versandverbot zu Wort: Auch inländischen Apotheken die Vergabe von Boni zu erlauben, wie es die SPD vorschlägt, sieht Schmidt mehr als kritisch und sagt: „Diese Idee ist ebenso untauglich wie gefährlich.“ Die Präsenzapotheken würden in die Rabattschlacht gezwungen. Aber das ist es, was wohl auch die Wirtschaftsweisen wollen: „Einen sanften Wettbewerb“, wie es ihr Vorsitzender Christoph Schmidt nennt. Sein grauenvoller Vorschlag: Die Kassen bezahlen den Apotheken nur noch den Großhandelseinkaufspreis und bekommen kein Honorar mehr. Die Apotheken dürfen sich dann über eine „Servicepauschale“ zwischen null und zehn Euro ihren Verdienst beim Kunden holen. Zum Glück finden solche Vorschläge keinen Niederschlag in der Politik. Aber der GKV-Spitzenverband singt dazu sein hohes Lied des Versandhandels. Wie schräg das klingt! Und der AOK-Bundesverband träumt von einem Höchstpreismodell für Arzneimittel und von Selektivverträgen – natürlich am liebsten mit ausländischen Versendern.

Jetzt sind sie ausgezählt: Unspektakuläre 1,2 Millionen Unterschriften für die Vor-Ort-Apotheke haben Deutschlands Apotheken bei ihren Kunden eingesammelt – ob das die SPD beeindruckt? Wohl eher nicht! Die beiden SPD-Ministerien für Wirtschaft und für Justiz legen ihr Veto gegen den Gesetzentwurf von Gröhe ein, der für ein Rx-Versandverbot kämpft. Puh, das sieht nicht gut aus fürs Versandverbot. Gröhe auf dem Westfälisch-lippischen Apothekertag: „Ich würde mir wünschen, dass das Bundeswirtschaftsministerium bei der Rettung von 150.000 Beschäftigten in Apotheken die gleiche Leidenschaft hinlegte, wie bei der Rettung von circa 60.000 Tengelmann-Mitarbeitern.“

Doch die SPD bleibt davon unbeeindruckt. Die SPD-Gesundheitspolitikerin Hilde Mattheis versteckt sich sogar hinter dem Zeitgeist, als sie sagt, es sei „dem Zeitgeist geschuldet, dass wir den Rx-Versandhandel nicht einfach abschaffen können“. Selbst ein Gutachten eines Gesundheitsökonomen (Professor May), einer Politikwissenschaftlerin (Bauer) und eines Juristen (Dettling), das die Folgeszenarien nach dem EuGH-Urteil durchspielt und durchrechnet, wonach ein Preiswettbewerb für die Apotheken verheerende Auswirkungen auf die flächendeckende Versorgung bedeuten würde, scheint die SPD- und Grünen-Politiker kalt zu lassen. SPD-Wirtschaftsministerin Zypries tönt sogar: Der Rx-Versand bedroht die Apotheken nicht.

Es kommt zum Spitzentreffen von Union und SPD – mit enttäuschendem Ausgang: keine Einigung auf ein Rx-Versandverbot. ABDA-Präsident Schmidt wendet sich in einer Videobotschaft ans Apothekenvolk und spricht von einer „ganz schlechten Nachricht“ für Apotheker und Patienten. Und was nun? Nichts. Keine Pläne B oder C, keine anderen Strategien?

Währenddessen arbeitet die ABDA-Zentrale an einem Newsroom: Ein Ex-Rundfunkmoderator soll bald als neuer Redakteur eine neue Internetseite betreuen mit feingefilterten Nachrichten aus dem Apothekerhaus. Man möchte halt die Informationshoheit gegenüber der pharmazeutischen Fachpresse zurückgewinnen. Sei’s drum.

April 2017

Wie geht’s nun weiter? Während die Krankenkassen das zehnjährige Jubiläum ihrer Gelddruckmaschine Rabattverträge feiern und die FDP wieder auf die Idee kommt, Apothekerbusse übers Land zu schicken, denkt die ABDA nicht im Entferntesten daran, nur einen Millimeter vom Rx-Versandverbot abzurücken. Selbst die Charmeoffensive vom SPD-Mann mit der Fliege, Karl Lauterbach, über regulierte Rx-Boni und ein höheres Apothekenhonorar zu sprechen, lehnt die ABDA dankend ab. Die Absage ist eine Abfuhr für Lauterbach, aber andererseits, was hätte es gebracht, wenn Lauterbach nur zusammen mit dem Versandapothekenverband und der ABDA diskutieren wollte? Genau: nichts!

Was die ABDA wirklich will, steht im Positionspapier zur Bundestagswahl. Also: die Apothekenpflicht, das Fremd- und Mehrbesitzverbot, den einheitlichen Rx-Abgabepreis und das Rx-Versandverbot, außerdem die Ausweitung des Leistungskatalogs der Apotheker durch Leistungen wie Medikationsmanagement, Arzneimitteltherapiesicherheit und Prävention. Dann hätten wir da noch den Wunsch des Ausbaus von E-Health-Anwendungen, aber das bleibt dann doch etwas im Nebulösen hängen. Und schließlich fordert die ABDA, das Honorarsystem auszubauen plus Planungssicherheit bei der Honoraranpassung und Honorierung neuer Dienstleistungen.

Noch immer keine Bewegung beim Rx-Versandverbot. Die ABDA versucht mit einer Plakatkampagne nachzuhelfen, z. B. ein Plakat mit einem „richtig guten Postboten“, der „aber kein Apotheker“ ist. Schade, dass diese Aktion erst im April kam, tja, war wieder mal gut gemeint …

Aufregerthema im April: Man traut uns Apothekers nicht einmal zu, ein defektes Arzneimittel auszutauschen. Der Fall: Rückruf des Fastjekt-Autoinjektors, da defekt. Die Patienten mögen defekte Geräte in der Apotheke umtauschen. Stopp! Unsere Superbürokratie macht da einen Strich durch diese Rechnung: Fastjekt ist verschreibungspflichtig, also muss sich der Patient erst ein neues Rezept beim Arzt besorgen. Ein starkes Stück!

Und dann die Lachnummer im April: Der niederländische Versender DocMorris öffnet in der 2000 Seelen-Gemeinde Hüffenhardt seinen Arzneiautomaten mit Videoberatung – muss ihn aber nach rund 48 Stunden wieder schließen auf Anordnung der Behörde. Dumm gelaufen für den Versender. Dabei hatte er es sich so schön zurechtgelegt: Eigentlich ist das doch Versand! Zwar bekommt der Patient dort vor Ort sein Arzneimittel aus einem Automaten, aber in der kleinen Welt von DocMorris muss das doch Versandhandel sein, denn der Auslöseknopf für die Automatenausgabe wird in den Niederlanden gedrückt. DocMorris, träum weiter! Dieses Konstrukt überzeugt selbst versandhandelsaffine Behörden und Gerichte nicht. Übrigens, aus dem Berliner Apothekerhaus war zu diesem Vorgang kein Wörtchen zu hören. Auch stark, oder?

Stattdessen kommt eine Gegenoffensive aus dem Schwabenland, vom Landesapothekerverband Baden-Württemberg zusammen mit IT-Tüftlern: Sie wollen eine elektronische Rezeptsammelstelle basteln, die das Rezept beim Einwerfen scannt und an die Apotheke übermittelt. Die Apotheke spart sich so den Weg zum Leeren des Briefkastens und kann ihn erst vor der Belieferungsfahrt zum Patienten leeren.

Neueste Tiefstandsmeldung der Apothekenzahlen: Am Ende des ersten Quartals 2017 zählen wir nur noch 19.940 Apotheken in Deutschland – das ist das Niveau von 1990. Und es geht weiter abwärts.

Der Deutsche Apothekerverband will auf dem Wirtschaftsforum nicht übers Honorar reden, zumindest nicht jetzt und nicht vor der Wahl. Denn das sei wie eine Operation am offenen Herzen, sagt Verbandschef Fritz Becker. Aber kann man Operationen, selbst wenn sie schwierig sind, so lange hinausschieben, bis der Patient fast tot ist?

Und wie geht’s uns eigentlich? Gefühlt so la la bis miserabel. Die durchschnittliche Apotheke macht 2,2 Mio. Euro Umsatz, aber 61 Prozent der Apotheken liegen unter diesem Durchschnitt. Das steuerliche Betriebsergebnis beträgt bei der durchschnittlichen Apotheke 6,4% des Netto-Umsatzes. Die Aussichten: Wenn kein größeres Unglück passiert, sind leichte Steigerungen zu erwarten. Es gibt bald mehr Geld für Rezepturen, für die Dokumentation, bei Rx ist ein kleines Wachstum zu erwarten und die Zahl der Apotheken wird weiter abnehmen. Aber es gibt viele Unbekannte in dieser Rechnung: Wie entwickelt sich der Versandhandel? Was hat die Politik mit dem Apothekenhonorar vor?

Mein liebes Tagebuch

Alles, was in der vergangenen Woche für die Apothekerin, für den Apotheker politisch wichtig war, die Aufreger, die Peinlichkeiten, die Ungeheuerlichkeiten – das finden Sie in meinem Tagebuch. Ich lade Sie dazu ein, es zu öffnen und darin zu blättern. Seien Sie neugierig!

Und hier finden Sie mein liebes Tagebuch:

Falls Sie die App noch nicht haben: es gibt sie kostenlos zum Herunterladen fürs iPhone im App-Store von Apple oder für alle anderen Android-Phones im Google Play-Store.

Ich freue mich, wenn Ihnen meine Tagebuch-Einträge gefallen. Übrigens, Sie können mein Tage­buch schon sonntags ab 8 Uhr öffnen, zum Morgenkaffee und frischen Croissants – oder bei Sekt und Selters.

Peter Ditzel, Herausgeber der DAZ

Mai 2017

Sie will sie tatsächlich: Die neoliberale Randpartei FDP will Apothekenketten – ohne weiter darüber nachzudenken. Andererseits will die Partei die inhabergeführte Apotheke stärken – indem man das Rx-Versandverbot ablehnt und das Fremdbesitzverbot abschafft. Wie quer muss man da denken, um so einen Nonsens zu fordern? Das trauen sich in dieser Form nicht mal die Grünen und die Roten. Und unser ABDA-Präsident traut sich nicht auf den Tisch zu hauen. Er meint da nur: Die Aussagen des FDP-Wahlprogramms zur Arzneimittelversorgung seien „inkonsistent“. Mehr kommt aus dem Berliner Lindencorso nicht.

Aber drei wackere Apothekers trauen sich mit Unterstützung der Noweda, den DocMorris-Automaten in Hüffenhardt vor den Kadi zu bringen. Und während Bayerns Gesundheits­ministerin Huml ihr Glaubensbekenntnis ablegt und den Apotheker aus Fleisch und Blut will, bleibt noch die Frage: Trauen sich Apotheker zu impfen? Um Himmels willen nein!

Videoautomat war gestern. Heute unterwirft sich ein Münchner Apotheker der Amazon-Knechtschaft und macht beim Schnelllieferdienst des Versandkonzerns mit. Und morgen?

SPD und Grüne wollen immer noch Boni. Und die Arbeitgeberverbände wollen den gesamten Arznei- und Apothekenmarkt liberalisieren.

Während unsere Apothekenzahlen weiter in den Keller rauschen, feiern derweil die Arzneiversender zweistellige Zuwachsraten.

Auch das bringt der Mai, endlich: Das Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz tritt in Kraft und bringt uns mehr Honorar bei der Rezeptur und beim Dokumentieren von BtM- und T-Rezepten.

Wie schön, ein ABDA-Sommerfest! Das Apotheker-Palais ist verkauft, der Preis bleib geheim. Der ABDA-Präsident verrät ihn nicht. Aber er lässt die Hosen runter und äußert sich als Privatmann zum Honorarthema: Er hätte gern ein Einschreibemodell nach holländischem Vorbild. Hier schreiben sich Patienten in einer Apotheke ihrer Wahl ein und die Apotheke bekommt dafür eine Pauschale, mit dem die Apothekenleistungen abgegolten sind. Ach ja, mein liebes Tagebuch, privat kann man sich ja viel wünschen. Offiziell hört man nichts. Nur von unseren Honorargegnern, den Kassen, die meinen, die Apotheker verdienen zu viel.

Im März war die Unterschriften-Kampagne gegen das Rx-Versandverbot zu Ende, erst Mitte Mai werden die mickrigen 1,2 Millionen Unterschriften der Politik übergeben. Das muss man erstmal schaffen! Und so verpufft der Sinn der Aktion.

DocMorris tanzt derweil den Apothekern auf der Nase rum und will sogar Schadenersatz von der Apothekerkammer Nordrhein. Weil der Versender während des Gerichtsverfahrens, das zum EuGH-Urteil führte, keine Rx-Boni anbieten durfte, fühlt sich DocMorris in seinem Geschäft geschädigt. Bizarr, oder?

EVInews ist das neueste ABDA/Avoxa-Kind: Ein Newsletter zur evidenzbasierten Selbstmedikation, erarbeitet von der Abteilung Klinische Pharmazie der Uni Leipzig. Hintergrund ist ein Auftrag des Apothekertags von vor drei Jahren, eine Datenbank zu diesem Thema aufzubauen. Okay, jetzt haben wir einen Newsletter, den man für rund 40 Euro abonnieren kann. So entstehen aus Apothekertagsbeschlüssen Geschäftsideen.

Noch mehr Geld für die ABDA: Kammern und Verbände sollen höhere Beiträge ins Lindencorso überweisen. Vielleicht auch für nette super-emotionale Filmchen, in denen Patienten ihre Gesundheitsgeschichte erzählen und wie die Apotheke geholfen hat.

DocMorris buchstabiert vor Gericht Versand so: einen Automaten übers Internet steuern und mit der Videokamera zugucken.

Eine ausgezeichnete Fachzeitschrift

Die DAZ ist Deutschlands beste Fachzeitschrift

Im Mai ist die DAZ vom Branchenverband Deutsche Fachpresse zur besten Fachzeitschrift 2017 gekürt worden. Sie sei eine „exzellent gemachte Fachzeitschrift“, heißt es in der Begründung der Jury, eine „vielbeachtete und respektierte publizistische Stimme ihrer Branche“, die zeige, dass über 150 Jahre Tradition auch eine Verpflichtung sind.

Foto: Fernando Baptista Photograph!e
Freuen sich über den Preis: DAZ-Chefredakteur Dr. Benjamin Wessinger, Verleger Dr. Christian Rotta, Anzeigenleiterin Kornelia Wind, DAZ-Chefredakteurin Dr. Doris Uhl und DAZ-Herausgeber Peter Ditzel (v.l.)

Doch nicht nur bei den Fachjournalismus-Profis der Jury kommt die DAZ gut an, sondern vor allem bei ihren Lesern. In einer Anfang des Jahres durchgeführten Leserbefragung mit über 1000 Teilnehmern attestierten 95 Prozent der DAZ einen hohen oder sehr hohen Nutzen bei ihrer täglichen Arbeit.

Und auch bei der ebenfalls in diesem Jahr durchgeführten repräsentativen Leseranalyse LA-Pharm schnitt die DAZ ausgezeichnet ab. Sie ist die bekannteste aller pharmazeutischen Fachzeitschriften und hat von den verbandsunabhängigen Apotheker-Titeln die mit Abstand meisten Abonnenten.

Juni 2017

Präventionsleistungen aus der Apotheke – nur wenige Kunden wollen’s, die Kassen zahlen nix und Ärzte poltern mit Selbstdispensation. Aber die ABDA will’s. Konzentrieren wir uns lieber aufs Rx-Versandverbot – auch wenn die SPD stur bleibt – und klären die Bürgerinnen und Bürger auf, was wäre, wenn’s immer weniger Apotheken gäbe.

Der Brüller, der ab 1. Juli Realität wird: Zum Putzen vom Labortisch dürfen wir unseren Isoprop nicht mehr selbst herstellen, denn dafür braucht der Alkohol eine Zulassung. Aber für die Händedesinfektion. Hoch lebe die Bürokratie!

Die schönste Nachricht seit Langem: Der Videoautomat von Hüffenhardt steht still, ein Gericht hat den Stecker gezogen. Und ein Gutachten listet eine Reihe von Ordnungswidrigkeiten und Straftatbeständen auf. Die andere Front: Ausländische Versender wachsen weiter und picken sich Rosinen auf Rezept. Jetzt wundern sich sogar die Grünen, wollen aber immer noch 1-Euro-Boni. Und die Digitalisierung geht im Schneckentempo weiter, aber noch nicht beim Rezept. Zum Glück.

Alles Theater! Nordrheins Kammerpräsident macht den Mephisto mit viel Theaterdonner, Schall und Rauch: Er zeigt auf alle verpassten ABDA-Misserfolge und verpasste Chancen. Was ist nur aus dem Perspektivpapier geworden? Beim E-Health-Gesetz mit dem Medikationsplan sind die Apotheker sogar vom Schlitten gefallen, meint Engelen. Recht hat er. Und dann eine Art Filmfestival im Juni: Die Apobank mit dem Stück „Pharmazeutische Apokalypse now“: Eine Umfrage, bei der die Hälfte der befragten jungen Apothekers die inhabergeführte Apotheke als Auslaufmodell sieht. Politiker sehen dagegen schon „Pharmazon“ als Preview. Und der Hausärztechef Weigelt hört beim Medikationsplan das „Phantom der Oper“.

Neu aus der Schweiz: keine „Dreigroschenoper“, sondern die Ankündigung, dass Zur Rose an die Börse will. Zur-Rose-Chef Oberhänsli sieht seinen Laden als disruptive Firma, die der Konkurrenz das Fürchten lehrt, und sagt „Wir sind das Apotheken-Zalando“.

Fast schon ein Liebesfilm: Der GKV-Spitzenverband küsst DocMorris die Füße. Aber in Hüffenhardt ist der Vorhang gefallen.

Während Krankenkassen den Apothekenmarkt disruptiv aus den Angeln heben wollen, hat die ABDA-Mitgliederversammlung die Ruhe weg, fast wie bei einem Anglerverein. Und die Bearbeitung der Apothekertagsanträge aus 2016 reißt nicht zu Begeisterungsstürmen hin. Hauptsache die ABDA hat einen Newsroom mit Filmchen, netten Texten und Klangwolken, alles dreimal gefiltert und weichgespült. Und Newsroom klingt ja irgendwie digital. Aber vom Hocker reißt das nicht. Ein Lichtblick: Die ABDA will U40-Apothekers verstehen – wird auch Zeit. Und in NRW: ein freund­liches Hallo für Laumann und ein wehmütiges Tschüss für Steffens.

Und dann ist da noch der Skandal um den Zyto-Apotheker in Bottrop. Die Bild-Zeitung meint dazu: „Für sein Luxusleben ließ er Krebskranke sterben.“ Wenn sich das alles bewahrheitet, was da nach und nach an die Oberfläche kommt, dann fragt man sich: Wozu können Menschen fähig sein.

Juli 2017

Der AOK-Boss Martin Litsch hält so gar nichts von unseren Apotheken: Er möchte den Apothekenmarkt umkrempeln, aber richtig: Ketten, Wettbewerb, Direktverträge mit Versandapos, vor allem mit denen aus Holland. Ob seine Versicherten das wollen? Die hat er nicht gefragt. Die Union will’s jedenfalls nicht, sie steht zum Rx-Versandverbot, nach wie vor, und so steht’s auch im Wahlprogramm. Ist zwar noch kein Gesetz. Aber wir arbeiten dran, sagt die ABDA. Auch an den Lieferengpässen. Und schaut per Webcam beim Häuschen-Bauen zu. Wenn alles gut geht, sollen schon im März 2019 die Geschäftsstellen von ABDA, Bundesapothekerkammer und Deutschem Apothekerverband ein neues Zuhause haben. Hoffentlich gibt’s dann noch ein paar Apotheken.

Im Juli gibt‘s eine Feier, mein liebes Tagebuch: Zehn Jahre Wissenschaftliches Institut für Prävention – WIPIG. Tolle Idee, tolle Leistung, aber die Politik hat’s leider nicht kapiert. Also, versuchen wir’s weiter mit Überzeugungsarbeit vor Ort. Das können die ausländischen Versender nicht. Schon gar nicht DocMorris. Denen geht es um Kohle und nur um Kohle. Und uns droht neues Retax-Ungemach durch Entlassrezepte. Klinikärzte müssen das Rezepteschreiben erst noch lernen und da können schon mal Fehler passieren. Wann erkennt eigentlich die Politik, welchen Wert wir Apothekers haben?

Ende Juli schlägt mein Herz für Weiß-Blau: Die CSU will, so steht‘s in ihrem Wahlprogramm, die Apotheken schützen, Apotheken gehören einfach dazu, flächendeckend und unabdingbar. Und sie will den Rx-Versandhandel verbieten. Schöner geht’s kaum. Beim Wort AOK dagegen fängt mein Herz an zu rasen: Der Chef der AOK Ba-Wü ist besessen vom Versandhandel und von Selektivverträgen. Und ein IKK-Chef bläst ins AOK-Horn: Ran an die Apothekermargen. So was von schrägem Tuten und Blasen! Die Kassen sollten lieber mal ihre Prüfstellen zum fairen Retax anhalten, viele Retaxationen sind unberechtigt! Ein Lichtblick: Vielleicht gibt’s bald mehr Stationsapotheker in Niedersachsens Krankenhäusern. Und alle Welt entdeckt die Postkarten neu: Die ABDA will Postkarten mit Karikaturen zum Versandhandel an die Politiker verschicken, die Apotheken-Umschau legt Postkarten bei zum Verschicken an Apotheken und die Apotheker Ann-Kathrin Kossendey und Jan Reuter punkten mit ihrer eigenen Postkarten-PR-Kampagne: „Danke, Apotheke“.

Der Aufreger der letzten Juli-Woche, das homöopathische Armageddon der Mechthild Heil, Verbraucherschützerin der CDU/CSU: Globuli sollen deutsche Namen tragen und raus aus der Apotheke kommen. Oh Gott, wollte sie einen Religionskrieg anzetteln? Da stellen sich sogar die Versandapoliebhaberinnen von SPD und den Grünen auf die Seite der Apotheke. Apropos Versand: Verbraucher dürfen ihre bestellten Arzneimittel zurückschicken, die dann allerdings in die Tonne müssen – tut mir so was von leid. Und der alte Zopf der Importquote poppt auf: Wann wird der abgeschnitten?

August 2017

Die Aufreger: Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) besucht den niederländischen Versender DocMorris und jubelt ihn hoch – eine Ohrfeige für die Vor-Ort-Apotheken in Deutschland. Ich konnte mit ihr sprechen und sie war ein Stück weit einsichtig. Aber an ein Rx-Versandverbot glaubt sie nicht und hält auch nichts davon. Sie will lieber gedeckelte Boni. Die Grüne Kordula Schulz-Asche gönnt den Apotheken die Honorarerhöhung für die Rezeptur nicht. Ihr Credo lautet: Die großen reichen Apotheken sollten die kleinen armen Apotheken unterstützen. Wirkt allerdings reichlich unausgegoren. Und Italien lässt Apothekenketten zu. Außerdem überall Engpässe: Lieferengpässe, Versorgungsengpässe und auch noch Fachkräfteengpässe. Die Bundesarbeitsagentur stuft den Apothekerberuf offiziell als „Mangelberuf“ ein.

Der CDU-Politiker Hennrich meint, die Apotheker redeten ihren Beruf schlecht, und ruft dazu auf, mehr Selbstbewusstsein zu zeigen.

Was tut sich eigentlich beim Projekt der elektronischen Gesundheitskarte? Wird da noch was draus? Derzeit bewegt sich arg wenig. Aussteigen aus dem Projekt will der Bundesgesundheitsminister Gröhe aber nicht. Er sieht sogar Schwung in der Digitalisierung, was wir allerdings kaum nachvollziehen können, mein liebes Tagebuch.

Das Land Niedersachsen will in allen seinen Krankenhäusern Stationsapotheker einführen für mehr Arzneimittelsicherheit. Die niedersächsische Kammerpräsidentin Linz begrüßt das, aber die Krankenhausgesellschaft sieht das kritisch – ist sie etwa gegen mehr Arzneisicherheit? Mein liebes Tagebuch, Apotheker auf Station sollte es in allen Bundesländern geben – das fordert übrigens auch der Verband der Krankenhausapotheker ADKA.

Mitte August die neuesten Apothekenzahlen: Es gibt nur noch 19.880 Apotheken in Deutschland! Ist der Versandhandel daran schuld? Der jedenfalls wächst und wächst und wirft mit Gutscheinen und Rabatten um sich. Der Versender Europa Apotheek Venlo wirbt damit, bis zu 30 Euro Sofort-Bonus für eingesandte Rezepte zu geben (allerdings nur für Arzneimittel über 300 Euro). Und der Vize-Chef des GKV-Spitzenverbands kann es nicht lassen: Er fordert, das Fremd- und Mehrbesitzverbot aufzuheben, damit mehr Wettbewerb aufkommt. Unsäglich! Die EU ist derweil im Liberalisierungs-Modus. Mit dem „Dienstleistungspaket“ sollen der Waren-, Kapital- und Dienstleistungsverkehr liberalisiert werden. Sie will alte Zöpfe bei den Freien Berufen, auch bei den Apothekern abschneiden. Die Berufsorganisationen der Heilberufe, auch die ABDA, wehren sich dagegen und wollen Ausnahmen erreichen. Auch der AOK-Chef von Baden-Württemberg wird nicht müde, für mehr Wettbewerb im Apothekenmarkt zu kämpfen. Er will verkrustete Strukturen aufbrechen und Verträge zwischen Apotheken und Krankenkassen plus Höchstpreisregelung.

September 2017

Wie digitalisiert sind eigentlich unsere Apotheken? Hält sich noch in Grenzen, vielleicht auch kein Wunder. Von offizieller Seite, aus dem Apothekerhaus, kommen nur sehr wenige richtig zündende digitale Impulse. Immerhin, die ABDA hat eine Abteilung IT/Telematik gegründet und seit April gibt es die Netzgesellschaft Deutscher Apotheker (NGDA). Wenn man sich aber vor Augen hält, dass es 2017 immer noch keine Vernetzung der Apotheken untereinander gibt, sollte sich da endlich was tun.

Ein Gutachten macht die Runde: Die Autoren May, Bauer und Dettling haben im Auftrag des Deutschen Apotheker Verlags und der Noweda ein Papier erstellt, das zeigt, dass allein ein Rx-Versandverbot der richtige Weg ist. Gröhe sieht sich bestätigt.

DocMorris verschickt auch was, Broschüren, die über Mythen und Fakten zum Versandhandel aufklären wollen, Motto: der Rx-Versandhandel ist doch gar keine Gefahr für die Apotheke vor Ort, außerdem ist der Versandhandel so sicher, so rein und fein. Richtig dick aufgetragen ist das alles, mein liebes Tagebuch. Aber mit der Anfertigung von Rezepturen hadert der Versender nach dem Motto: Im Prinzip machen wir’s, wenn sie einfach sind, wenn die PTA da ist, wenn wir die Stoffe da haben oder so ähnlich, könnte das Fazit lauten.

Dieses Jahr Apothekertag im September – wegen der Bundestagswahl. Gröhe war da, stand auf Apothekers Seite und verpasste den Kassen und den Sozis eine Abfuhr. Dann der ABDA-Präsident: emotional, menschlich nah, „das können nur wir“. Welch ein Auftakt! Es folgten EU-Betrachtungen: kritisch, aber alternativlos – wir brauchen Argumente! Und der Wille des Apothekertags: Rx-Versandverbot, Kampf gegen Lieferengpässe, mehr Apotheker und mehr Digitales, aber bitte mit Vorsicht. Ach ja, die Botschaft der Pressekonferenz: Die Stimmung der Apotheker ist im Keller. Das war’s dann auch schon.

Zurück zur Realität. AOK-Hermann träumt vom Rx-Verivoxportal und Einsparungen satt. Er möchte Höchstpreise für Rx-Arzneimittel, die jede Apotheke nach Belieben unterschreiten kann. Die SPD-Gesundheitspolitikerin Dittmar träumt von der Quadratur der Apo-Kreise: starke Vor-Ort-Apos und starker Rx-Versand. Der LAV Ba-Wü und die VSA träumen von digitalen Rezeptsammelstellen, die sie auf der Expopharm vorgestellt haben. Auch der Apothekertag träumte von neuen Botendienst-Sammelstellen-Zweigapo-Konzepten, zumindest soll darüber mal nachgedacht werden. Ob dabei was herauskommt?

Dann die Wahl: Unter schwarz-gelb-grüner Flagge segeln wir erstmal mit Kurs auf Jamaika. Der ABDA-Präsident fordert Planbarkeit von der Politik. Aber wie soll das gehen? Politik und Planbarkeit?

Da plant die ABDA lieber ihr neues schniekes Haus und legt den Grundstein in aller Stille, also ohne Presse, nur die PZ durfte dabei sein. Mit feinen Häppchen, Sekt und dem Versenken einer Zeitkapsel im Grundstein feiert man den Baubeginn unter sich. Aber ja doch, es soll ein ganz offenes Haus, ein Haus der Begegnung werden, verspricht BAK-Präsident Andreas Kiefer. Ehrlich gesagt, mein liebes Tagebuch, wenn das schon so anfängt, dann fehlt uns der Glaube. 2019 werden wir mehr wissen, dann nämlich soll’s fertig sein.

Oktober 2017

Ab 1. Oktober gibt’s Entlassrezepte, eigentlich eine gute Sache für Patienten, die aus der Klinik kommen. Aber in der Praxis? Klinikärzte haben keine Übung im Ausstellen mit Rezepten – da gibt’s für Apotheken eine Menge an Fehler- und für Kassen viele Retaxquellen.

Schon heute ist sicher: Der Medikationsplan auf Papier und ohne Apotheker ist ein Mega-Flop. Von den Ärzten wird er selten ausgestellt und viele Patienten wissen nicht, was sie damit sollen, sie verstehen ihn nicht.

Das Urteil der Woche: Skonti vom Großhandel darf’s auch weiterhin geben, Skonti sind keine Rabatte. Und der Großhandels darf sogar seine Marge von 3,15% überschreiten und sein Fixum von 70 Cent weitergeben. Im Prinzip ein gutes Urteil für die Apotheke, aber was sind die Folgen? Rabattkämpfe? Fällt das bei den Diskussionen um eine neue Honorarstruktur negativ in die Waagschale?

Ganz einfach machen will es unser Pharmazieprofessor aus Bremen, Gerd Glaeske, allen, die die neueste Ausgabe von „Medikamente im Test“ der Stiftung Warentest kaufen: Rund 9000 rezeptfreie und rezeptpflichtige Arzneimittel werden bewertet, viele mit einem einfachen Ampelschema: rot – gelb – grün für geeignet, weniger geeignet oder lieber nicht. Ist Pharmakologie auf einmal so einfach, mein liebes Tagebuch?

Foto: Andi Dalferth

Denkwürdiges Datum: ein Jahr EuGH-Urteil und noch immer ist alles offen. Das Rx-Versandverbot scheint in weite Ferne gerückt. Sogar der ABDA hat es die Sprache verschlagen – kein Wort zu diesem Jahrestag. Aber unter den Jamaikanern ist es Gröhe, der noch tapfer fürs Rx-Versandverbot kämpft.

Im Gegensatz zum CDU-Wirtschaftsrat, der glaubt, ohne Versandhandel nicht leben zu können. Da kommt der Test von Versandapos von Stiftung Warentest gerade recht: Das Ergebnis ist eine Katastrophe für die Versender: Sieben der 18 getesteten Versender erhielten ein „Mangelhaft“.

November 2017

Der Hammer im November! Wir Apothekers kriegen über eine Milliarde Euro zu viel von der GKV, soll das Honorargutachten berechnet haben. Erste Zahlen aus dem ominösen Gutachten sickern in die Öffentlichkeit und stiften Verwirrung und Verunsicherung. Umgerechnet würde jede Apotheke rund 85.000 Euro zu viel von der GKV bekommen? Muss man, kann man das ernst nehmen? Die Gerüchteküche kocht. Die ABDA hält sich vornehm aus den Gerüchten heraus. Der ABDA-Präsident widmet sich lieber dem Medikationsplan und sagt: „Er funktioniert nicht.“ Das haben wir zwar schon gewusst, aber es musste auch mal gesagt werden.

SecurPharm, die Online-Prüfung von Arzneimittelpackungen auf Fälschungen, wirft seinen Schatten voraus. Am 9. Februar 2019 soll das System scharf geschaltet werden. Noch ist die Mehrzahl der Apotheken noch nicht dafür vorbereitet. Ob der Termin gehalten werden kann?

Und während die Politik sich noch lange nicht auf ein Rx-Versandverbot einigen kann, nutzen die Versender die Gunst der Stunde. DocMorris beispielsweise ballert aus allen Rohren, beschwört mit dem Slogan „Morgen macht uns digitaler“ und hippen Filmchen die digitale Zukunft. Sogar eine Bloggerin wird engagiert, die ihren Fans die Vorzüge von DocMorris ans Herz legt.

Mitte November wabern wilde Honorarmodelle durch die Gegend. Die Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Gabriele Overwiening, kann sich vorstellen, 50 Cent unseres Honorars in einen Topf zu werfen, aus dem dann Apotheken mit vielen pharmazeutischen Dienstleistungen belohnt werden. Hessens Kammerpräsidentin Ursula Funke ist darüber not amused.

Das Thema Rezepturverweigerer schwappt hoch: Immer mehr Apotheken wollen keine Rezepturen mehr machen. Mein liebes Tagebuch, wissen die eigentlich, was sie da anrichten? Die Bayerische Apothekerkammer überlegt bereits, wie sie diese Missstände abstellen kann.

Und Ende November: Die Sondierungsgespräche sind geplatzt. Was nun? Doch Groko?

Ende November legt die Bild-Zeitung nach mit der Schlagzeile: „Apotheker kassieren 1,1 Milliarden zu viel.“ Das lockt endlich auch die ABDA aus der Reserve. In einem Wut-Video nennt der Präsident das Durchstechen solcher Infos in die Medien einen „skandalösen Vorgang“. Und meint zu den kolportierten Zahlen: Wer zu dem Ergebnis kommt, die Arbeit des Apothekers sei überbezahlt, „der ist ein totaler Ignorant oder hat überhaupt keine Ahnung von der Versorgungsrealität in unseren Betrieben“. Die Arbeit von 160.000 Kolleginnen und Kollegen werde verhöhnt. Maximalen Widerstand kündigt der Präsident an.

Dezember 2017

Anfang Dezember nimmt das bekanntgewordene, aber nicht offiziell veröffentlichte Honorargutachten so richtig Fahrt auf. Das Wirtschaftsministerium verwehrt sich übrigens dagegen, die durchgesteckten Informationen kämen aus dem Ministerium. Immerhin, das Zypries-Ministerium bedauert die „Vorab-Leaks“. Mittlerweile ist das gesamte 180-seitige Papier in den Redaktionen angekommen. Rechnet man die Änderungsvorschläge der Agentur durch, erhielte jede Apotheke durchschnittlich 45.000 Euro weniger – das wäre ein Apothekensterben auf breiter Front. Kann das die Politik wollen? Übrigens, auch der Großhandel kommt im Gutachten nicht ungeschoren davon. Er soll nur noch eine Mini-Marge bekommen, meinen die Gutachter.

Die ABDA lässt sich nicht auf eine Diskussion zu den kolportierten Zahlen ein. Nur so viel: Die ABDA will über eine Herabsenkung des Honorars nicht verhandeln und es soll auch keine interne Verteilungsdebatte zwischen kleinen armen und großen reichen Apotheken geben. Mein liebes Tagebuch, aber da gibt es doch seit 2011 eine „Arbeitsgruppe Honorar“ bei der ABDA, die sich über eine Fortentwicklung des Apothekenhonorars Gedanken machen soll. Was ist da eigentlich herausgekommen? Aus der AG ist wenig bis nichts nach außen gedrungen. Vom Präsidenten gibt’s nur ein paar dünne Sätze zur weiteren Richtung: Das Fixhonorar soll eine Säule des Honorars bleiben, daneben soll eine weitere Vergütungssäule gebaut werden, sprich Geld von den Kassen für individuelle Dienstleistungen wie beispielsweise Chronikerberatung oder Medikationsanalyse. Diese zweite Säule soll nach und nach in einem „evolutionären Prozess“ entstehen. Neu klingt das nicht. Ob das die Politiker überzeugen kann? Gemunkelt wird, die ABDA habe sogar noch ein richtiges Gutachten in der Schublade, das allerdings erst herausgeholt werden soll, wenn wir eine neue Regierung haben. Wenn das mal nicht zu spät ist. |

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