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Gesundheitspolitik
DocMorris und das Presseprivileg
Betriebskrankenkasse haftet nicht für zweifelhafte Werbung
Das Landgericht München hatte im Mai 2017 in einem Rechtsstreit zwischen der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) gegen die SBK zu entscheiden. Im Zentrum stand dabei ein Werbeflyer der niederländischen Versandapotheke DocMorris. Darauf war zu lesen: „Testen Sie uns jetzt – Rezept einsenden – 10 Euro Gutschein sichern“. Der Gutschein konnte bei der nächsten Bestellung rezeptfreier Produkte ab 40 Euro Bestellwert eingelöst werden. Die AKNR machte gegen die Kasse, die diesen Flyer über ihr Mitgliedermagazin verbreitete, einen Unterlassungsanspruch geltend. Unter anderem sah sie einen Verstoß gegen das Heilmittelwerberecht.
Das Landgericht gab der AKNR Recht: Es sah in der Werbung einen Verstoß gegen das Verbot von Werbegaben in § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG. Diese Norm sei auch nach der am 16. Oktober 2016 ergangenen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Arzneimittelpreisrecht anwendbar – jedenfalls soweit sie nicht an die Verletzung des Preisrechts anknüpft. Das Landgericht führte auch aus, dass sich die SBK nicht auf ein Haftungsprivileg als Presseunternehmen berufen könne. Zwar gebe es bei Anzeigen in Presseerzeugnissen keine umfassende Prüfungspflicht. Vorliegend sei aber zu berücksichtigen, dass es sich bei der SBK um eine Körperschaft öffentlichen Rechts handelt – und als solche hätte sie auch bei nur „angemessener“ Prüfung erkennen müssen, dass hier ein Wettbewerbsverstoß vorlag.
Preisbindung für DocMorris?
Genau das sah das OLG München nun in zweiter Instanz anders. Zwar gehen auch sie davon aus, dass die Verbotsvorschrift des § 7 HWG greift. Im Unterschied zu ihren Kollegen am Landgericht meinen sie jedoch, dass hier eine Beurteilung nach der Ausnahmeregelung für Zuwendungen, die in Form eines bestimmten Geldbetrages gewährt werden (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a) HWG), erfolgen müsste. Die Werbung wäre demnach nur dann unzulässig, wenn sie entgegen den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes erfolgt.
Und damit kommt das Gericht zu der Frage: Ist die Anwendung des deutschen Arzneimittelpreisrechts gegenüber einer niederländischen Versandapotheke mit dem EU-Recht vereinbar? Laut dem bereits erwähnten EuGH-Urteil ist es das nicht. Und diese Entscheidung ist den Richtern am OLG München zufolge auch zu berücksichtigen, wenn die Ausnahmeregelung des heilmittelwerberechtlichen Zugabeverbots geprüft wird. Sie erklären, dass sie grundsätzlich an die EuGH-Entscheidung gebunden seien, gehen aber auch kurz auf die Möglichkeit eines neuen Vorabentscheidungsersuchens ein. Ein solches hat auch der Bundesgerichtshof in einem anderen Verfahren grundsätzlich für möglich gehalten, wenn es weitere, neue Feststellungen gibt, die belegen können, dass die deutsche Preisbindung geeignet ist, die flächendeckende und gleichmäßige Arzneimittelversorgung in Deutschland sicherzustellen.
SBK nicht tauglich als Beklagte
Letztlich kommen die Richter am Münchener OLG aber zu dem Schluss, es könne dahingestellt bleiben, ob die niederländische Versandhandelsapotheke vor dem Hintergrund der EuGH-Rechtsprechung den deutschen Arzneimittelpreisregelungen unterworfen ist. Denn die SBK könne sich auf das Presseprivileg berufen, das aus dem Grundrecht der Meinungsfreiheit abgeleitet wird. Damit sei die Kasse im Hinblick auf einen etwaigen Wettbewerbsverstoß nicht passivlegitimiert. Das heißt: Sie ist keine taugliche Beklagte.
Vielmehr könne sich die SBK auf die Grundsätze der eingeschränkten Haftung der Presse für wettbewerbswidrige Anzeigen ihrer Inserenten berufen. Nach ständiger Rechtsprechung hafte der Herausgeber eines Presseerzeugnisses nur für die Veröffentlichung gesetzeswidriger Werbeanzeigen Dritter, wenn er seine Pflicht verletzt hat, zu prüfen, ob die Veröffentlichung der Anzeigen gegen gesetzliche Vorschriften verstößt. Eine Haftung bestehe nur dann, wenn die Anzeige grobe und eindeutige, unschwer erkennbare Wettbewerbsverstöße enthalte. Das gelte auch für Kundenzeitschriften wie die der SBK.
Die Richter erklären auch, warum Presseherausgeber nur beschränkt haften sollen: Sämtliche Werbeanzeigen auf etwaige Gesetzesverstöße juristisch zu überprüfen, würde deren Tätigkeit unzumutbar erschweren. Es zöge nicht nur einen beträchtlichen Zeitaufwand nach sich, sondern binde auch erhebliche personelle Ressourcen. Maßstab für die Beurteilung sei nicht die Sichtweise eines juristisch gebildeten Betrachters, sondern des Redaktionsmitarbeiters, der mit der Anzeigenschaltung befasst ist. „Nur wenn sich aus dessen Warte die Gesetzeswidrigkeit der Anzeige geradezu aufdrängt, ist er gehalten, die Werbeanzeige nicht bzw. erst nach Durchführung einer fachkundigen juristischen Prüfung freizugeben“. Im vorliegenden Fall sei dies nicht der Fall gewesen.
Die Revision hat das OLG nicht zugelassen. Die Rechtssache habe keine grundsätzliche Bedeutung. |
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