Wirtschaft

Geduld und gute Berater für einen guten Start

Ratschläge für eine erfolgreiche Apothekenübernahme

DÜSSELDORF (wes) | Sinkende Apothekenzahlen, wachsende Marktanteile der Versender, anhaltende Honorardebatten – die Apothekenbranche steht unter Druck. Warum es trotzdem die richtige Entscheidung sein kann, eine Apotheke zu übernehmen oder neu zu gründen, und wie das gelingen kann, zeigte ein Existenzgründer-Seminar in Düsseldorf auf.
Foto: AVNR/Dirk A. Friedrich
Soll ich – oder lieber doch nicht? Das Existenzgründer-Seminar in Düsseldorf zeigte auf, weshalb es auch heute richtig sein kann, sich mit einer Apotheke selbstständig zu machen – und was es dabei zu beachten gibt.

„Ich würde jedem raten, Apotheker zu werden und sich selbstständig zu machen“, sagte der Vorsitzende des Apothekerverbands Nordrhein, Thomas Preis, zur Begrüßung der rund 70 Teilnehmer am 22. Juni in Düsseldorf. Er zumindest habe seinen Entschluss, in den 1990er-Jahren, eine Apo­theke zu übernehmen, nicht bereut. Auch der Vizepräsident der Apothekerkammer Nordrhein, Heinz-Peter Barleben, betonte die großen Chancen, die Existenzgründer heute haben – allen schlechten Nachrichten zum Trotz. Schon die Demografie spreche dafür, eine Apotheke zu übernehmen: Allein im Kammerbezirk Nordrhein seien heute über 350 Apothekenleiter zwischen 61 und 70 Jahre alt, rund 100 Inhaber sogar noch älter.

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Silke Wolff, Treuhand Hannover: Die Nachfrage nach Apotheken ist höher als das Angebot.

Laut Silke Wolff, die bei der Steuer­beratungsgesellschaft Treuhand Hannover Existenzgründer begleitet und berät, sind bundesweit sogar 35 Prozent der Apothekeninhaber älter als 55. Trotzdem sei aktuell die Nachfrage nach Apotheken höher als das Angebot, dazu komme ein Ungleichgewicht zwischen den Ansprüchen und Wünschen der Suchenden und dem Angebot der abgebenden Apothekeninhaber. In ihrem Vortrag gab die Rechts-Ökonomin einen Überblick über die durchschnittliche Ertragssituation verschiedener Apothekentypen (Ärztehaus-, Center- und „klassische“ Apotheke) sowie Anhaltspunkte dafür, wie der Unternehmenswert einer Apotheke ermittelt werden kann. Dabei betonte sie, dass diese Bewertung naturgemäß aus der Sicht des (potenziellen) Käufers anders ausfalle als aus der Verkäufersicht. Bei dem im Apothekenmarkt inzwischen üblichen Ertragswert­ver­fahren ergeben sich diese Diskrepanzen insbesondere aus der unterschiedlichen Einschätzung, welche Umsätze als nachhaltig gesichert angesehen werden können, erläuterte Wolff.

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Laut Norbert Steffens, ApoBank, werden heute immer mehr Filialverbünde verkauft.

Einen etwas anderen Blick auf den Kaufpreis einer Apotheke gab Norbert Steffens, der als stellvertretender Direktor der ApoBank-Filiale in Düsseldorf schon unzählige Apothekenübernahmen zu finanzieren geholfen hat. Wichtiger als der absolute Preis sei, ob die Apotheke in der Lage ist, diesen Betrag wieder zu erwirtschaften bzw. ob für den neuen Inhaber am Monatsende nach Abzug aller Kosten inklusive der Kreditrate genug Geld zum Leben übrig bleibt. Dafür sei auch das Konzept wichtig, das ein Existenzgründer ihm vorlegt. Steffens: „Wenn Sie mich überzeugen, dann finanzieren wir das!“

Den „typischen Preis“ gibt es nicht!

Da die ApoBank die Mehrzahl der Apothekenübernahmen finanziere, habe man einen guten Überblick über die Preise, so Steffens. Dabei gebe es aber keinen „typischen“ Übernahmepreis. Dazu komme, dass inzwischen immer mehr Betriebe als Filialverbund verkauft werden, nicht mehr als einzelne Apotheken. Ein Trend, der aus Steffens Sicht anhalten wird. Gleichzeitig steige aktuell aber auch die Zahl der sehr günstigen Übernahmen zu Preisen unter 150.000 Euro. Das liege an der hohen Zahl an „Ein-Mann-Apotheken“, die abgegeben werden. Hier müsse man sich aber in vielen Fällen die Frage nach der Zukunftsfähigkeit der Apotheke stellen, warnt Steffens.

Bereits zum fünften Mal veranstalteten Apothekerverband und -kammer Nordrhein zusammen mit der Apotheker- und Ärztebank (ApoBank), der Steuerberatung Treuhand Hannover und dem Rezept­abrechner ARZ Service GmbH dieses Jahr den Informationstag „Erfolgreich in die Selbstständigkeit starten“. Rund 70 Apothekerinnen und Apotheker informierten sich am 22. Juni in Düsseldorf darüber, was beim Schritt in die Selbstständigkeit zu beachten ist.

Die notwendige Liquidität sichern

Welchen Stellenwert das Rechenzentrum für die Apotheke hat, betonte Maurice Linden, stellvertretender Vertriebsleiter bei der ARZ Service GmbH. Bereits vor der Übernahme sollten sich Existenzgründer mit „ihrem“ Rechenzentrum in Verbindung setzen, so Linden. So könne die Beantragung der für die Rezeptabrechnung unerlässlichen IK-Nummer einige Zeit in Anspruch nehmen. Auch die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer benötigt das Rechenzen­trum, da die Kassen ohne Vorlage dieser Nummer die Zahlung verweigern können. Dringend rät Linden, bei einer Apothekenübernahme einen Haftungsausschluss zu vereinbaren: Dann können Krankenkassen keine Rezepte aus der Zeit des Vorbesitzers retaxieren.

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Maurice Linden zeigte, was Rechenzentren bei einer Apothekenübernahme leisten können.

Neben der reibungslosen Abrechnung vermögen Rechenzentren auch einen wichtigen Beitrag zur Liquidität einer Apotheke zu leisten – gerade in der Anfangszeit. So können beim ARZ Haan Voraus­zahlungen auf noch nicht ab­geholte, aber bereits online übertragene Rezepte vereinbart werden, wie Linden erklärte. Gerade bei der Abrechnung von Hochpreisern werde dieses Angebot gerne in Anspruch genommen.

Die Bedeutung des Steuerberaters für die Apotheke betonten Martin Bechtold und Philipp Bayerschen von der Treuhand Hannover. Dabei gehe es nicht nur um die steuer­liche Beratung und die Erstellung von Steuerbescheiden, sondern auch um die gesamte Buchhaltung inklusive der Lohnbuchhaltung. Besonderen Wert sollten Apothekeninhaber darauf legen, dass ihr Steuerberater auch betriebswirtschaftliche Analysen erstellt. „Nur Umsätze wegbuchen reicht nicht“, so Bayerschen in seinem sehr lebhaften Vortrag, den er in Frage- und Antwortform mit Bechtold vortrug.

Geduld haben – und auf den Bauch hören

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Auch das Bauchgefühl muss nach Dr. Tobias Craan bei einer Übernahme stimmen.

Von seiner ganz persönlichen Suche nach der richtigen Apotheke berichtete Apotheker Dr. Tobias Craan aus Aschaffenburg. Und verschwieg dabei auch die Rückschläge nicht. Insgesamt viermal habe er gedacht, die richtige Apotheke gefunden zu haben und bereits Finanzierungsgespräche mit der Bank geführt – doch dreimal habe sich der Kauf kurz vor Abschluss zerschlagen. Mal habe ein anderer Interessent ihn überboten, mal habe er festgestellt, dass es sich doch nicht um die richtige Apotheke für ihn gehandelt habe. Er riet allen potenziellen Apotheken-Übernehmern zu Geduld: Neben den Zahlen müsse auch das Bauchgefühl stimmen – und im Zweifelsfall solle man eben lieber weitersuchen. Immerhin handle es sich bei der übernommenen Apotheke um den Arbeitsplatz der kommenden dreißig Jahre – wenn nicht des restlichen Berufslebens.

Es komme dabei auch nicht nur auf die Zahlen einer angebotenen Apotheke an, betonte Craan. Wenn man eher der „Beratungs-Typ“ sei, werde man mit einer Center-Apotheke wahrscheinlich einfach nicht glücklich, egal wie profitabel sie sei. ApoBanker Steffens bekräftigte, wie wichtig es ist, dass man sich seine berufliche und private Zukunft in dieser Apotheke und ihrer Umgebung vorstellen kann.

Verbandschef Preis hatte den angehenden Apothekenleitern schon zu Beginn des rund sechsstündigen Seminars geraten, sich ernsthaft zu fragen, ob man wirklich ein Unternehmertyp ist und sich selbstständig machen will. Man müsse sich sicher sein, die Belastungen während der Startphase – und auch darüber hinaus – durchstehen zu können. Dafür sei auch entscheidend, dass man die Unterstützung von Partner(in) und Familie hat – und kompetente Partner und Berater an seiner Seite. |

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