Gesundheitspolitik

Zur Rose Group füllt die Kriegskasse

Arzneimittelversender wachsen aggressiv – zur Freude der Investoren

TRAUNSTEIN (cha) | Seit dem EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 sind die deutschen Apotheken der Konkurrenz der ausländischen Versender, die ubiquitär mit üppigen Boni werben, schutzlos ausgeliefert. Das vom damaligen Bundesgesund­heitsminister Gröhe geplante und mittlerweile im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung fixierte Rx-Versandverbot harrt noch der Umsetzung. Dabei argumentieren dessen Gegner immer wieder damit, dass der Anteil des Rx-Versands marginal sei und den Vor-Ort-Apotheken kaum schade. Doch dies könnte sich schnell ändern. Denn die Versender verdanken ihrem Sitz im Ausland nicht nur, dass sie Rx-Boni gewähren dürfen, sondern auch, dass sie – anders als in Deutschland mit seinem Fremdbesitzverbot – ihre Investitionen über den Kapitalmarkt finanzieren können. Ihre Kriegskassen sind durch Börsengänge oder – wie ­aktuell bei der Zur Rose Group – durch Anleihen so prall gefüllt, dass sogar das wirtschaftsliberale Handelsblatt das Wachstum als „aggressiv“ bezeichnet.

Das rasante Wachstum der beiden größten Versender DocMorris und Shop Apotheke Europa ist nur möglich, weil sowohl in der Schweiz als auch in den Niederlanden Kapitalgesellschaften Apotheken betreiben und so mit fremdem Geld ihr Wachstum finanzieren dürfen. Eingesammelt haben die beiden Marktführer schon mehrere Hundert Millionen Euro.

Millionenzuflüsse durch Börsengang und Anleihen

Die DocMorris-Mutter Zur Rose erlöste bereits bei ihrem Börsengang vor fast genau einem Jahr an der SIX Swiss Exchange mehr als 200 Millionen Euro. Weitere 85 Mio. Schweizer Franken (entspricht knapp 74 Mio. Euro) will die Zur Rose Group nun mit einer mit 2,5 Prozent verzinsten öffentlichen Obligationenanleihe einnehmen. Laut Pressemitteilung soll der Nettoerlös „vorwiegend zur Finanzierung von Akquisitionen“ verwendet werden.

Ähnlich läuft es bei der Shop Apotheke: Diese sammelte im Oktober 2016 bei ihrem Gang an die Frankfurter Börse rund 100 Millionen Euro ein und erst kürzlich mit einer Wandelanleihe weitere 75 Millionen Euro. Auch hier ist das Ziel klar: die Finanzierung von Akquisitionen.

Damit haben beide Versender schon umfassende Erfahrungen: Ende vergangenen Jahres übernahm Zur Rose die beiden deutschen Versandapotheken Eurapon und Vitalsana. Im Mai wurde angekündigt, dass DocMorris ab Ende dieses Jahres den Onlineversand der Hamburger „Apotheke am Rothenbaum“ (Apo-Rot) übernehmen und vom niederländischen Heerlen aus betreiben wird. Die Shop Apotheke verleibte sich bereits im September 2016 den belgischen Versender Farmaline ein, im Herbst folgte die Europa Apotheek, mit der sie schon früher eng verbunden war und die nun den Zugang zum Rx-Markt erleichtern soll.

Das wirtschaftsliberale Handelsblatt bezeichnet das Verhalten der beiden Konzerne als „sehr expansiv“ und titelt sogar „Online-Apotheken wachsen aggressiv“. Mit „satten zweistelligen Wachstumsraten“ und „Umsätzen von einigen Hundert Millionen Euro“ – zum Jahresende erwarte die Shop Apotheke bis zu 560 Millionen Euro, bei Zur Rose dürfte die Grenze von einer Milliarde Euro überschritten werden – liefen die beiden Unternehmen „der Konkurrenz davon“.

Gewinne wandern von Vor-Ort-Apotheken an Investoren

Was den deutschen Vor-Ort-Apotheken an Umsätzen entgeht, freut die Investoren. Zwar drücken die enormen Marketingausgaben der Versender die Gewinne, aber die kräftig gestiegenen Börsenkurse zeigen, dass die Aktionäre dies nur für eine vorübergehende Belastung halten, die sich über kurz oder lang auszahlen wird.

Auch der kurzzeitige Einbruch, als das Rx-Versandverbot im Februar doch noch den Weg in den Koali­tionsvertrag fand, ist längst vergessen. Offenbar vertrauen die Investoren fest darauf, dass die Ver­sender ihren Wachstumskurs zulasten der deutschen Apotheken ungebremst fortsetzen können und die Politik dem weiterhin nichts entgegensetzt. |

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