Gesundheitspolitik

iPads gegen Rezepte?

BERLIN (ks) | Das Bewusstsein für Korruption im Gesundheitswesen scheint sich erst langsam zu entwickeln. Das zeigt ein Strafprozess gegen eine Apothekerin und einen Klinikarzt vor dem Land­gericht Berlin.

Angeklagt sind eine Apothekerin und ein früher bei der Charité angestellter Oberarzt. Ihnen wirft die Staatsanwaltschaft besonders schwere Bestechlichkeit und Bestechung in 14 Fällen vor. Zwischen März 2009 und Februar 2012 soll Prof. Dr. R. (60) die in seinem Geschäftsbereich angefallenen Rezepte für bestimmte Krebspräparate in großem Umfang der Berliner Apotheke der Angeklagten Monika L. (67) zugewiesen haben. Im Gegenzug habe er von der Apothekerin hochwertige elektronische Geräte im Gesamtwert von knapp 30.000 Euro erhalten, etwa Drucker, PCs, iPads und Faxgeräte. Sie sollten vordergründig dem Uniklinikum als Drittmittel zugutekommen. Den Angeklagten soll aber bewusst gewesen sein, dass sie damit gegen „elementare Korruptionspräventionsregelungen“ der Charité verstießen. Gegenüber der Verwaltung des Klinikums soll Prof. R. die Herkunft der Geräte verschwiegen haben. Er habe sie als Schenkung zur Verfügung gestellt und der Apothekerin selbst persönliche Spendenbescheinigungen ausgestellt, heißt es in der Anklage. Diese Spenden setzte die Angeklagte dann als Betriebsausgaben steuerlich ab. Das Umsatzvolumen der mutmaßlich zugewiesenen Rezepte soll bei mindestens 3,1 Millionen Euro liegen. Ins Rollen brachte den Fall ein Finanzbeamter, bei dem die Spendenbescheinigungen Argwohn hervorriefen.

Rein menschliche Beweggründe?

Die Apothekerin und der Arzt haben sich bereits beide zur Sache eingelassen. Sie räumen ein, dass es eine langjährige Beziehung zwischen der Apotheke und der onkologischen Ambulanz gab. 2006 sei dort ein Notfalldepot eingerichtet worden, das von der angeklagten Apothekerin bestückt wurde. Bei diesen Präparaten habe es sich aber nur um Fertigarzneimittel gehandelt – solche zur Begleitmedikation einer Chemotherapie oder aber oral anzuwendende Onkologika. Zyto-Zubereitungen habe die Apotheke, die Ende der 1990er-Jahre ins Zyto-Geschäft eingestiegen war, nie geliefert. Im Zuge der engen Beziehungen fiel der Apothekerin die schlechte technische Ausstattung der Ambulanz auf. So habe man dort keine Rezepte ausdrucken können, weil ein Drucker fehlte. Da ihr Sohn ein Elektronikgeschäft besitzt, bot sie Hilfe an. Die Geschenke hätten aber in keinem Zusammenhang mit der Zusammenarbeit gestanden, betonten beide Angeklagten. „Heute ist mir bewusst, dass ich damals naiv gehandelt habe“, erklärte der Arzt. Ihm sei es stets nur um eine bessere Ausstattung der Ambulanz gegangen, keinesfalls um persönliche Bereicherung. Er habe keine Regeln umgehen wollen und geglaubt, in seiner Position dürfe er so handeln wie er es tat, beteuerte er. Und auch Frau L. habe sich von ihren Geschenken keine Gegenleistung erhofft.

Zeugen stützen Aussagen

Die ersten befragten Zeugen stützen die Einlassungen der Angeklagten. Der frühere Stellvertreter der Apothekerin beschrieb seine damalige Chefin als engagierte Pharmazeutin. Die Vorhaltung des Notfalldepots sei für sie sogar ein wirtschaftliches Risiko gewesen, schließlich habe es sich um Hochpreiser gehandelt. Es seien „humanistische Gründe“ gewesen, die seine Chefin das Depot dennoch unterhalten ließen, so der Zeuge.

Weitere Zeuginnen waren die Abteilungsleiterin Finanzen und Rechnungswesen der Charité sowie eine Angestellte der für die Inventarisierung zuständigen Tochterfirma der Charité. Grob lassen sich ihre Aussagen so zusammenfassen: Wenn früher ein Mitarbeiter eine Schenkung inventarisieren wollte, geschah dies ohne weitere Nachfrage, woher das Gerät stammt. Heute hingegen gibt es eine detaillierte Verfahrensanweisung – 2012 die erste, 2016 wurde sie konkretisiert. Erst zu dieser Zeit habe sich eine Compliance-Struktur entwickelt, schilderte die Charité-Abteilungsleiterin. Heute wäre ein Fall wie der vorliegende nicht mehr möglich, ist sie überzeugt. Und auch die damals schon geltende Drittmittelsatzung hätte die Geschenke der Apothekerin nicht erfasst.

Diese Woche wird der Prozess fortgesetzt. Derzeit sind noch fünf Termine bis Mitte März anberaumt. |

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