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Apothekenhonorar

Der Weg zu einer konsensfähigen Apothekenhonorierung

Drei Fragen als Orientierungshilfe

Die Frage nach einer angemessenen Methode für die Honorierung beschäftigt die Apotheker seit vielen Jahren. Wie kann der Festzuschlag an steigende Kosten angepasst werden? Ist die Anknüpfung an abgegebene Packungen zukunftsfähig? Wie hoch soll das Honorar insgesamt sein? Bevor solche Fragen beantwortet werden können, müssen zunächst einige Voraussetzungen geklärt werden. Dies soll hier geschehen. | Von Thomas Müller-Bohn

Die ABDA hat bisher nicht darüber informiert, welche Ergebnisse die zuständige Kommission des Deutschen Apothekerverbandes zu einer künftigen Apothekenhonorierung erzielt hat. Zudem hat das Honorargutachten im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums [1] neue Fragen aufgeworfen. Darum sollen hier drei grundsätzliche Fragen zu einer konsensfähigen Apothekenhonorierung betrachtet werden. Diese geben die Gliederung für diesen Beitrag vor:

  • 1. Was ist die Leistung der Apotheken wert?
  • 2. Mit welchem Preis soll die Gesellschaft die Leistung der Apotheken honorieren?
  • 3. Von welchen Einflussgrößen soll die Honorierung der Apotheken abhängen?

1. Der Wert der Apothekenleistung

Um die erste Frage zu beantworten, bieten sich die Instrumente der Pharmakoökonomie an, die zur Bewertung von Arzneimitteln dienen1 und die konzeptionell auch auf ein ganzes Versorgungssystem angewendet werden können. Dies sind Kosten-Effektivitäts-Analysen und ähnliche Verfahren, die die Kosten einem Outcome mit Bezug zur Gesundheit oder Lebensqualität gegenüberstellen. Solche Verfahren sind angebracht, wenn die bewertete Technologie in einer saldierten Betrachtung zu zusätzlichen Kosten gegenüber einem Vergleichsszenario führt. Es ist daher zunächst zu prüfen, welche Kosten die Apotheken verursachen und welche Kosten sie an anderer Stelle im Gesundheitssystem einsparen. Wenn mehr Kosten eingespart als verursacht werden, ist das betrachtete Apothekensystem offensichtlich ökonomisch vorteilhaft. Ein solcher Fall wird in der Pharmakoökonomie als dominante Strategie bezeichnet. Dann erübrigen sich weitere Betrachtungen mit pharmakoökonomischen Methoden.

1 Damit kann auch die Knappheitssituation abgebildet werden, die bei der Wahl zwischen verschiedenen Verwendungen innerhalb des Gesundheitssystems zu berücksichtigen ist. Darum sind diese Instrumente sogar dann hilfreich, wenn aus ethischer Sicht ein grundsätzlicher Vorrang von Gesundheitsleistungen vor anderen Mittelverwendungen angenommen wird.

Welche Kosten betrachtet werden, hängt von der Perspektive ab. Da alle hier zu untersuchenden Fragen letztlich auf die Gestaltung der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) zielen, ist eine gesamtgesellschaftliche Perspektive angebracht. Denn die AMPreisV dient einerseits dem Schutz der Patienten und sonstigen Kostenträger und muss andererseits den Versorgungsauftrag der Apotheken für die gesamte Gesellschaft gemäß § 1 Absatz 1 Apothekengesetz (ApoG) honorieren. Daher regelt sie die Preise für Rx-Arzneimittel für alle Kostenträger. Die AMPreisV ist damit ein gesamt­gesellschaftliches Steuerungsinstrument und nicht etwa ein Element der Sozialversicherung.

Die Anwendung der AMPreisV führt gemäß dem Honorargutachten im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums zu einer Apothekenvergütung von insgesamt 6.727,1 Millionen Euro (nach Abzug der Vergütung für Parenteralia-Rezepturen 6.316,7 Millionen Euro), hochgerechnet für 2018 [1, Tabelle 39, S. 171]. Dies sind die Kosten der Apotheken aus einer gesellschaftlichen Perspektive mit überwiegend solidarischer Finanzierung durch GKV, PKV und teilweise auch Selbstzahler. Eine alles umfassende gesamtgesellschaftliche Perspektive, die auch alle privat finanzierten Leistungen einschließt, muss den gesamten Rohertrag der Apotheken betrachten. Gemäß ABDA betrug im Jahr 2016 der durchschnittliche Apothekenumsatz 2,22 Millionen Euro, es bestanden 20.023 Apotheken, und der durchschnittliche Wareneinsatz betrug 75,8 Prozent [2]. Dies ergibt einen gesamten Rohertrag von 10,8 Milliarden Euro.

Alternative Kosten ohne Apotheken

Es ist schwierig zu kalkulieren, welche Kosten gegenüber einem System ohne Apotheken vermieden werden, weil dafür kein Vorbild besteht und dies praktisch nicht vorstellbar erscheint. Bei jährlich etwa einer Milliarde Patientenkontakten pro Jahr [3] in Apotheken müssten allein für die logistische Funktion ebenso viele Päckchen transportiert werden. Bei einem Porto von jeweils 4,50 Euro würde das 4,5 Milliarden Euro kosten, aber damit würden die Päckchen noch nicht zusammengestellt und verpackt, sondern nur transportiert. Es kämen also Kosten für die Kontrolle durch Apotheker und das Verpacken durch Hilfspersonal hinzu. Ohne Apotheken müssten zumindest für die nötigsten Beratungsleistungen, die die Patienten aktiv nachfragen, Alternativen geschaffen werden. Einfache Fälle könnten in Callcentern erledigt werden. Für die Arbeitszeit von Apothekern bzw. PTA veranschlagt das Honorargutachten Kosten von 0,55 Euro bzw. 0,35 Euro pro Minute [1, Tabelle 4, S. 107]. Demnach würden allein die Personalkosten für die eigentliche Beratung ohne irgendwelche Gemeinkosten zwischen 350 Millionen Euro und 550 Millionen Euro pro Minute betragen, die als Beratungszeit bei einem durchschnittlichen Kundenkontakt anfallen. Fragen, die telefonisch nicht zu klären sind, müsste der verordnende Arzt bearbeiten. Die Ärzte sind jedoch ohnehin bereits überlastet und würden deutlich höhere Kosten verursachen.

Das Honorargutachten veranschlagt als kostendeckende Vergütung für die Notdienstleistung der Apotheken 239,4 Millionen Euro, für die BtM-Dokumentation 186,8 Millionen Euro und für klassische Rezepturen 272,8 Millionen Euro, wobei jedoch die notwendige Geräteausstattung nicht berücksichtigt wird [1, Tabelle 29, S. 158]. Diese Leistungen würden in einem System ohne Apotheken nur zu deutlich höheren Preisen zu erbringen sein, weil eine geeignete Infrastruktur fehlen würde. Doch alle Vergleiche zu einem fiktiven System ohne Apotheken bleiben naturgemäß lückenhaft.

Einsparungen durch Apotheken

Im existierenden System ermöglichen die Apotheken die Umsetzung von Rabattverträgen für generische Arzneimittel. Dabei ist der jeweils gültige Vertrag zu ermitteln, und im Fall einer Umstellung ist dies dem Patienten zu erklären. Im Jahr 2016 betrugen die Einsparungen für die GKV durch Rabattverträge 3,9 Milliarden Euro [4].

Außerdem entlasten die Apotheken die Volkswirtschaft und insbesondere die Krankenversicherungen als Anlaufstelle für die Selbstmedikation. Dies betrifft gemäß May und Bauer etwa 1 Milliarde Fälle leichter Gesundheitsstörungen und etwa 400 Millionen Patientenkontakte in Apotheken pro Jahr. Nach Berechnungen von May und Bauer setzt die Selbstbehandlung leichter Gesundheitsstörungen im GKV-System Ressourcen von etwa 21,4 Milliarden Euro pro Jahr frei [5, 6]. May und Bauer gehen davon aus, dass jeder Euro, der für die Selbstmedikation ausgegeben wird, 14 Euro in der GKV und 4 Euro in der Volkswirtschaft einspart2 [5, 6]. Der Betrag für die gesamtgesellschaftliche Betrachtung ist geringer, weil die Patienten die Kosten für die Selbstmedikation tragen. Doch diese Kosten sind deutlich geringer als die Kosten, die der GKV bei einer alternativen Versorgung entstehen würden. Daher gehen May und Bauer davon aus, dass weitere Einsparungen möglich wären, wenn die Selbstmedikation durch geeignete Rahmenbedingungen gefördert würde. Langfristig könnten nach ihren Berechnungen jährlich weitere 2,7 Milliarden Euro für die GKV und mindestens 750 Millionen Euro für die Volkswirtschaft gespart werden [5, 6].

2 Dieser Betrag enthält den alternativen Ressourcenverbrauch in der ärztlichen Versorgung und die alternativ verordneten Arzneimittel sowie die vermiedenen Produktivitätsverluste durch vermiedenen Arbeitsausfall, der sich aus Arztbesuchen während der Arbeitszeit ergibt.

Lösung arzneimittelbezogener Probleme

Auch die Versorgung mit verordneten Arzneimitteln führt an anderen Stellen im Gesundheitssystem zu Einsparungen, weil in Apotheken zur sachgerechten Anwendung beraten wird, Missverständnisse und Irrtümer aufgeklärt und arzneimittelbezogene Probleme erkannt und gelöst werden. Dadurch werden zusätzliche Arztkontakte, Notfälle und Krankenhauseinweisungen vermieden. Allerdings bestehen nur grobe Abschätzungen zur Häufigkeit solcher Fälle. Eine Übersicht über vielfältige Untersuchungen zu diesem Thema bieten Richling und Rose [7]. Insbesondere eine Beobachtungsstudie zur Detektion und Lösung von arzneimittelbezogenen Problemen durch öffentliche Apotheken in Bayern, Niedersachsen, Thüringen und Westfalen-Lippe erscheint für den Versorgungsalltag aussagekräftig [8]. Darin wurde bei 18 Prozent der Patienten und 11,2 Prozent der Verordnungen mindestens ein arzneimittelbezogenes Pro­blem erkannt. Nach Angaben der Apotheker wurden 85,4 Prozent der arzneimittelbezogenen Probleme vollständig, 10,5 Prozent teilweise und 3,1 Prozent nicht gelöst [7, 8]. Im Jahr 2016 wurden gemäß ABDA in Apotheken 881 Millionen Packungen verordneter Arzneimittel (verschreibungspflich­tige und nicht verschreibungspflichtige) abgegeben [3]. Bei 11,2 Prozent Verordnungen mit arzneimittelbezogenen Problemen und 95,9 Prozent Problemlösungen in Apotheken würde dies bedeuten, dass jährlich etwa 95 Millionen arzneimittelbezogene Probleme in Apotheken in Deutschland erkannt und gelöst werden.

Die meisten Studien zu diesem Themenfeld befassen sich vorzugsweise mit indikationsspezifischen Versorgungsin­strumenten der Pharmazeutischen Betreuung, die in Deutschland nicht zur regelhaften Versorgung gehören [7]. Diese Studien zielen meist auf den Nutzen einer speziellen Intervention. Sie vergleichen typischerweise Patienten, die eine solche Intervention erhalten, mit einer Kontrollgruppe ohne diese Intervention. Ein solches Studiendesign kann jedoch nicht genutzt werden, um die Effekte der Regelversorgung zu ermitteln, weil eine Kontrollgruppe ohne Regelversorgung nicht gebildet werden kann [7]. Wie bereits erwähnt, ist eine Versorgung ohne Apotheken realitätsfremd. Dennoch können einzelne Ergebnisse solcher Studien Anhaltspunkte für die derzeitige Versorgungssituation in Deutschland geben. Denn erstens interpretieren Apotheker ihren Versorgungsauftrag individuell für den jeweiligen Patienten3 und zweitens liefern Studien zur Pharmazeutischen Betreuung Anhaltspunkte für die Kosteneinsparungen durch solche Leistungen. So ermittelten Pauley et al. eine Kostensenkung durch pharmazeutische Interventionen in der Asthmatherapie [9]. Ramalho de Oliveira et al. erstellten eine Übersicht über Studien zur Kostensenkung durch das Medikationsmanagement [10]. Als weiterer wichtiger Effekt wird die Verbesserung der Adhärenz der Patienten durch die intensive Beratung und Betreuung in der Apotheke in mehreren Studien betrachtet [7]. Gemäß Pringle et al. wurde bereits durch ein kurze pharmazeutische Intervention die Adhärenz bei Arzneimitteln gegen Diabetes um 5 Prozent erhöht, und die Gesundheitskosten sanken signifikant um 341 US-Dollar pro Patient und Jahr [11].

Die bearbeiteten arzneimittelbezogenen Probleme und die Arten der pharmazeutischen Intervention sind jedoch sehr vielfältig. Daher reichen die bisher verfügbaren Daten nicht aus, um die Kosteneinsparungen durch das Erkennen und Lösen arzneimittelbezogener Probleme zu quantifizieren. Doch prinzipiell hat jedes einzelne gelöste arzneimittelbezogene Problem das Potenzial, einen zusätzlichen Arztbesuch für etwa 50 Euro zu ersparen4, die Adhärenz des Patienten zu sichern und damit Hunderte Euro jährlich zu sparen (siehe oben) oder einen Krankenhausaufenthalt für Tausende Euro zu verhindern. Das Erkennen sinnloser und gefährlicher Doppelverordnungen führt sogar unmittelbar zu Einsparungen, weil das überflüssige Arzneimittel nicht abgegeben wird. Damit sprechen bereits die oben ermittelten 95 Millionen arzneimittelbezogenen Probleme, die in der bisherigen Regelversorgung erkannt und gelöst werden können, für ein Einsparpotenzial in der Größenordnung von Milliarden Euro. Eine intensivere pharmazeutische Versorgung im Sinne der Pharmazeutischen Betreuung dürfte noch größere Einsparungen ermöglichen. Für genauere Angaben fehlen allerdings aussagekräftige Daten aus dem deutschen Ver­sorgungssystem.

3 Daraufhin erhalten einzelne Patienten mit besonderem Bedarf durchaus Leistungen im Sinne der Pharmazeutischen Betreuung, und die Gesellschaft profitiert davon auch in ökonomischer Hinsicht. Solange Handlungspläne, geregelte Kommunikationsabläufe für die Zusammenarbeit mit Ärzten und eine diesbezügliche Honorierung fehlen, erfolgt dies allerdings nicht so regelmäßig und strukturiert wie in anderen Ländern.
4 May und Bauer kalkulieren für einen Arztbesuch 56,24 Euro [6].

Apotheken als dominante Strategie

Zusätzlich zu Einsparungen oder vermiedenen Kosten aufgrund der Leistungen der Apotheken sind die gesundheitlichen Effekte zu bedenken. Diese sind letztlich das gesellschaftliche und medizinische Ziel aller Bemühungen. Für eine pharmakoökonomische Bewertung müssten sie jedoch nur ermittelt werden, wenn die Apotheken mehr Kosten auslösen würden, als sie an anderer Stelle einsparen. Doch hier gilt offenbar der umgekehrte Fall. Denn schon bei einem groben Überblick über die eingesparten Kosten ist davon auszugehen, dass die Apotheken mehr als ihre Kosten von 6,3 Milliarden Euro für die GKV beziehungsweise 10,8 Milliarden Euro für die Volkswirtschaft einsparen. Schon die grob geschätzten Logistikleistungen und die Einsparungen durch Rabattverträge summieren sich zu 8,4 Milliarden Euro. Hinzu kommen 21,4 Milliarden Euro als Effekt der Selbstmedikation und wahrscheinlich weitere Milliarden Euro durch die Lösung arzneimittelbezogener Probleme. Die Apotheken sind daher bei ihren derzeitigen Kosten offensichtlich eine dominante Strategie: Sie erfüllen ihren Versorgungsauftrag, verbessern die Gesundheit der Patienten und führen im Gesundheitssystem insgesamt zu Kostenein­sparungen, die größer sind als die Kosten für ihren eigenen Betrieb. Diese bemerkenswerte Erkenntnis sollte auch politisch angemessen gewürdigt werden.

2. Der Preis für die Apothekenleistung

In einem idealtypischen marktwirtschaftlichen System würde der Markt die Bewertung der Apotheken übernehmen und für eine Entlohnung in Höhe dieses Wertes sorgen. Doch das Gesundheitswesen ist kein marktwirtschaftliches System, sondern es gelten dort administrierte Preise, also Preise, die durch Verwaltungsregeln bestimmt werden. Denn eine marktwirtschaftliche Steuerung würde im Gesundheitswesen nicht zu einer gesellschaftlich gewünschten Allokation der Ressourcen führen. Insbesondere hinge die Verfügbarkeit von Arzneimitteln und anderen Gesundheitsleistungen von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Patienten und nicht von medizinischen Kriterien ab. Auch ein flächendeckendes Leistungsangebot wäre dabei nicht zu erwarten.

In einem System mit administrierten Preisen ist die eingangs gestellte zweite Frage nach dem Preis, mit dem die Gesellschaft die Leistung der Apotheken honoriert, weitgehend von der bisher betrachteten Frage nach dem Wert der Leistung zu trennen. Doch die Information über den Wert einer Leistung kann bei der Preisbildung helfen. Wenn eine Leistung an anderer Stelle mehr einspart, als ihr (administrierter) Preis beträgt, sorgt dieser Preis zumindest für eine Einsparung gegenüber einem marktwirtschaftlich ermittelten Preis. Damit wird zwar nicht geklärt, ob die Leistung möglicherweise noch günstiger erbracht werden könnte, aber immerhin führen die Leistungen nicht zu zusätzlichen Kosten für das System. Nach den obigen Abschätzungen ist dies für das bestehende deutsche Apothekensystem erfüllt. Die Apotheken sind demnach mehr als ihr Geld wert.

Dabei bleibt offen, ob ein Apothekensystem mit verminderten Kosten und Leistungen der Apotheken die Kosten des gesamten Gesundheitssystem ebenfalls senken oder durch verminderte Einsparungen sogar erhöhen würde. Allerdings sprechen die oben zitierten Ergebnisse von May und Bauer und die vielfältigen Studien zur Pharmazeutischen Betreuung dafür, dass ein aufwendigeres Apothekensystem die Kosten für das Gesamtsystem sogar noch weiter senken würde. Da die Apotheken im Ist-Zustand mehr einsparen, als sie kosten, besteht kein Anlass, Leistungskomponenten abzubauen. Vielmehr besteht die Gefahr, dass Kürzungen kontraproduktiv sein könnten, weil die bewährten Leistungen nicht erbracht und die bisherigen Einsparungen nicht erzielt würden. Die Finanzmittel für die Apotheken zu reduzieren, erscheint daher nicht als sinnvolles Ziel für das Gesundheitssystem. Die wichtigste Vorgabe für den adminis­trierten Preis der Apothekenleistung ist vielmehr, die Existenz des bestehenden Systems zu sichern. Daher müssen die Kosten dieses Systems gedeckt werden, und es muss ein Gewinn erzielt werden, der die Existenz unternehmerisch geführter Unternehmen ermöglicht.

Bedeutung der Rx-Aufschläge

Neben der nötigen Höhe des Gesamthonorars ist die Form der Honorierung zu bedenken. Prinzipiell sind Honorierungsformen vorstellbar, bei denen Apotheken für die Bereitstellung ihrer Versorgungsstruktur pauschal honoriert werden. Dies geschieht in Deutschland bei der Honorierung der Nachtdienste über den Nacht- und Notdienstfonds. Auch pauschale Honorare für die Versorgung von Patienten sind vorstellbar. Derzeit stellt die packungsbezogene Honorierung für die Abgabe von Rx-Arzneimitteln jedoch die einzige gesicherte Finanzierung für das Apothekensystem dar, während alle anderen Tarife gemäß AMPreisV nur Zuschüsse zur Teilfinanzierung der jeweils erbrachten Einzelleistungen sind. Es gibt also keine andere finanzielle Gegenleistung der Gesellschaft für die Leistungen der Apotheken. Dies bekräftigt die Bedeutung der Aufschläge auf Rx-Arzneimittel, die allein den Versorgungsauftrag finanzieren müssen. Darum ist die Höhe der Aufschläge auf Rx-Arzneimittel bei der derzeitigen Honorarstruktur entscheidend für die Aufrechterhaltung des Systems. Damit dies flächendeckend wirkt, müssen die vorgesehenen Aufschläge bei allen Apotheken ankommen. Dies erfordert gleiche Aufschläge und gleiche Preise für Rx-Arzneimittel in ganz Deutschland. Bei Preiswettbewerb wären dagegen weder das nötige Honorarvolumen noch die annähernd gleichmäßige Verteilung der Finanzmittel gesichert. Dies gilt auch für eingeschränkte Formen des Preiswettbewerbs, beispielsweise mit begrenzten Boni. Wenn solche Instrumente eingeführt würden, müssten die für den Systemerhalt notwendigen Mittel dem System über andere neue Honorierungsformen zugeführt werden.

Rechtsgrundlage für die Preisbildung

Die Regularien zu den Aufschlägen auf Rx-Arzneimittel entscheiden daher über die Finanzierung des Systems. Diese Preisbildungsregeln für Arzneimittel sind in § 78 Absätze 1 und 2 Arzneimittelgesetz (AMG) verankert. § 78 Absatz 1 Satz 1 AMG ermächtigt zur Regelung von

  • Preisspannen für Fertigarzneimittel,
  • Preisen für Rezepturarzneimittel und
  • Preisen für besondere Leistungen der Apotheken bei der Arzneimittelabgabe.

Dies erfordert die Zustimmung des Bundesrates. § 78 Absatz 2 AMG beschreibt Rahmenbedingungen für diese Preisspannen und Preise. Sie müssen den berechtigten Interessen der Verbraucher und der Leistungserbringer Rechnung tragen (siehe unten). Gemäß § 78 Absatz 1 Satz 2 AMG ist das Bundeswirtschaftsministerium im Einvernehmen mit dem Bundesgesundheitsministerium ohne Zustimmung des Bundesrates ermächtigt, „den Anteil des Festzuschlags, der nicht der Förderung der Sicherstellung des Notdienstes dient, entsprechend der Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung anzupassen“.

Über die Preisspannen und Preise der Arzneimittel entscheiden demnach Ministerien – und damit Organe der Exekutive, allerdings mit Zustimmung des Bundesrates als Organ der Legislative5. Doch die AMPreisV muss sich innerhalb der materiellen Vorgaben des § 78 Absatz 2 AMG bewegen. Dabei ist der hier zentrale unbestimmte Rechtsbegriff „berechtigte Interessen“ einer rechtlichen Kontrolle unterworfen, wobei dem Verordnungsgeber ein allerdings faktisch nur begrenzt justitiabler Beurteilungsspielraum ein­geräumt ist.

5 mit Ausnahme der Änderung des Festzuschlags gemäß § 78 Absatz 1 Satz 2 AMG

Was sind berechtigte Interessen?

Dabei wird nicht ausdrücklich auf die Kosten der Apotheken verwiesen. Die Kosten müssen also keinesfalls das einzige Kriterium sein. Vielmehr können weitere „berechtigte Inte­ressen“ relevant sein. Allerdings liegt es offensichtlich im berechtigten Interesse der Apotheken, dass ihre Kosten gedeckt werden und sie einen Gewinn erwirtschaften. Dieser Gewinn muss ein angemessenes Einkommen für den Apothekenleiter gewährleisten und das eingesetzte Kapital dem Risiko entsprechend honorieren. Denn nur so ist ein nachhaltiger Betrieb möglich.

Die Frage, welche Kosten zu decken sind, ergibt sich aus dem gesetzlichen Versorgungsauftrag der Apotheken, der die Versorgung der ganzen Bevölkerung mit allen Arzneimitteln umfasst. Es wird also weder zwischen Kostenträgern noch zwischen unterschiedlichen Arzneimittelgruppen unterschieden. Dies wäre auch nicht praktikabel, da für alle Patienten und alle Arzneimittel dieselbe Versorgungsinfrastruktur benutzt wird. Die Räume und Ausstattung der Apotheken sind überwiegend erforderlich, um überhaupt Arzneimittel abgeben zu können. Auf der Grundlage des Versorgungauftrags und gemäß AMG finanziert, wird dieses System zu einem unteilbaren öffentlichen Gut, das alle für den Versorgungsauftrag notwendigen Strukturen und Leistungen umfasst [12]. Im Spezialfall des § 78 Absatz 1 Satz 2 bezüglich Änderungen, die nur den Festzuschlag betreffen, bildet die Kostenentwicklung „der Apotheken“ die maßgebliche Orientierungsgröße. Es geht demnach um die Gesamtheit der Kosten der Apotheken und nicht etwa um bestimmte Kosten, beispielsweise für die Abgabe bestimmter Arzneimittel. Da sich diese Bestimmung speziell auf den Festzuschlag bezieht, wird damit bekräftigt, dass der Festzuschlag, der bei der Abgabe von Rx-Arzneimitteln fällig wird, die Kosten der Apotheken insgesamt finanzieren muss (siehe oben).

Zu den „berechtigten Interessen“ der Patienten und übrigen Bürger gehört in erster Linie eine funktionsfähige Versorgung. Dies wiederum stützt die obige Argumentation, dass der Versorgungsauftrag insgesamt honoriert werden muss. Außerdem liegt es im berechtigten Interesse der Patienten, dass sie bei besonders dringendem Bedarf nicht durch überhöhte Preise übervorteilt werden können. Sie sollen nicht nach günstigen Angeboten suchen müssen, zumal dies bei Apotheken in Alleinlagen und im Notdienst nicht möglich wäre. Dies ist ein wesentlicher Grund, einheitliche Abgabepreise für Arzneimittel gemäß § 78 AMG vorzuschreiben. Allerdings liegt auch die Wirtschaftlichkeit im Interesse der Verbraucher. Demnach soll das Honorar nicht zu übertriebenen Gewinnen führen. Wenn die Apotheken also gemäß der weiter oben ausgeführten pharmakoökonomischen Betrachtung an anderer Stelle im System Geld einsparen, besteht kein Anspruch, an diesen Einsparungen umfassend teilzuhaben. Es ist daher nicht zielführend und liegt insbesondere nicht im öffentlichen Interesse, alle diese Einsparungen genau zu ermitteln, um sie ganz oder teilweise an die Apotheken auszuschütten. Solange die Apotheken eine dominante Strategie darstellen, muss die Honorierung auf die Erhaltung des funktionierenden bestehenden und politisch gewollten Versorgungssystems zielen.

Änderung des Festzuschlags

Der schon mehrfach erwähnte Spezialfall des § 78 Absatz 1 Satz 2 AMG bezieht sich auf den 2004 mit dem Kombimodell eingeführten Festzuschlag. Gemäß der Amtlichen Begründung zu § 78 Absatz 1 Satz 2 AMG [13, S. 166, zu Nummer 5, Doppelbuchstabe bb] machte es die Umstellung des Apothekenzuschlags auf einen Festzuschlag erforderlich, dass dieser Festzuschlag in der Regel durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, angepasst werden kann. In der Regel solle eine Überprüfung im Abstand von zwei Jahren erfolgen, um häufige Anpassungen im geringen Cent-Bereich zu vermeiden. Auf die Zustimmung des Bundesrates könne im Hinblick auf den eher technischen Charakter der Anpassung verzichtet werden. Der Verweis auf zu vermeidende häufige Anpassungen im Cent-Bereich lässt erkennen, dass der Gesetzgeber von mittelfristig größeren Anpassungen ausgegangen war.

Dies ist in doppelter Hinsicht ein Spezialfall. Denn es geht nur um den Festzuschlag und nur um dessen Änderung, also nicht um seine ursprüngliche Festlegung. Für diese eher technische und weniger politische Vorgehensweise gibt der Gesetzgeber ein Anpassungskriterium vor: die Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung (siehe oben). Dieses Kriterium ist also zwingend nur in diesem Spezialfall anzuwenden. Kosten-„entwicklung“ bedeutet dabei Änderung. Gefragt ist also keine komplette Kostenrechnung, sondern nur eine Betrachtung der Änderungen.

Folgen für das Honorargutachten

Im Honorargutachten im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums wird dagegen behauptet, die Honorierung gemäß AMPreisV müsse sich zwingend an den Kosten der Apotheken orientieren. Tatsächlich trifft dies jedoch nur für das vereinfachte Verfahren zur Änderung des Festzuschlags zu. Eine Neukonzeptionierung der AMPreisV erfordert dagegen politische Entscheidungen und Auslegungen zu den berechtigten Interessen gemäß 78 Absatz 2 AMG. Dabei können zwar auch Ergebnisse einer Kostenrechnung herangezogen werden, aber nicht als Automatismus. Das Honorargutachten orientiert sich dagegen strikt an den Kosten der Apotheken und klammert damit andere berechtigte Interessen entgegen der gesetzlichen Vorgabe von vornherein aus der Betrachtung aus [1, insbesondere S. 67 – 79]. Entsprechende Überlegungen stellt auch Meyer an [14].

Außerdem geht der Vorwurf der Honorargutachter, bei der Umstellung im Jahr 2004 sei eine Orientierung an den Kosten unterblieben [1, S. 72 – 74], ins Leere. Denn bei der Einführung des Kombimodells wurde die Höhe des Honorars überhaupt nicht angepasst, sondern nur anders verteilt. Die Umstellung sollte ergebnisneutral sein. Dies war damals entscheidend für ihre politische Akzeptanz. Darum ist diese Umstellung mit der Honoraranpassung zum 1. Januar 2013 nicht vergleichbar. Der diesbezügliche Vergleich im Honorargutachten [1, S. 72 – 74] hat daher keinen Erkenntniswert. Auch die Kritik im Honorargutachten, bei der Einführung des Kombimodells im Jahr 2004 sei der ganze Rohertrag der Apotheken als zu honorierende Größe herangezogen worden [1, S. 72 – 74], verkennt, dass die Gesamthöhe des Apothekenhonorars damals gar nicht infrage stand.

Folgen für Honorarkonzepte

Aus den weiter oben dargestellten Ausführungen zu § 78 AMG lassen sich folgende Konsequenzen für konstruktive Vorschläge zur Reform der AMPreisV ableiten:

  • Für Änderungen des Festzuschlags gemäß § 78 Absatz 1 Satz 2 AMG muss festgelegt werden, welche Daten betrachtet und mit welchem Rechenweg Kostenänderungen ermittelt werden sollen. Für regelmäßige Anpassungen, wie sie auch in der Gesetzesbegründung gefordert werden, ist ein solches geregeltes Verfahren dringend anzustreben.
  • Sofern weitere Änderungen an der AMPreisV vorgenommen werden sollen, müssen diese auf einer politischen Willensbildung beruhen und die berechtigten Interessen aller Beteiligten berücksichtigen. Dafür sind Organe der Legislative zuständig, deren Entscheidungen die gesellschaftliche und politische Debatte berücksichtigen. Formal kommt dies im AMG durch die zwingende Mitwirkung des Bundesrates zum Ausdruck. Sofern dabei eine Kostenrechnung genutzt wird, müssen Bewertungsmaßstäbe und Kostenschlüssel politisch vorgegeben werden. Dabei muss die Versorgungssicherheit als wesentliches Interesse der Bevölkerung beachtet werden.

3. Einflussgrößen der Honorierung

Im nächsten Schritt stellt sich die Frage, von welchen Einflussgrößen die Apothekenhonorierung abhängen soll. Diese Frage lässt sich in drei Teilfragen zerlegen:

1. Von welchen Größen sollen die Einkünfte der Apotheken insgesamt im Rahmen des Honorarsystems abhängen?

2. Anhand welcher Größen sollen die Einkünfte auf die einzelnen Apotheken innerhalb des Honorarsystems verteilt werden?

3. Anhand welcher Größen soll das angestrebte Gesamt­honorar der Apotheken bestimmt und angepasst werden?

Diese Fragen werden hier mit Blick auf das Honorar der Apotheken für ihren ganzheitlichen Versorgungsauftrag betrachtet. Bei den speziellen Tarifen für Notdienste, Rezepturen und Dokumentationen für Betäubungsmittel und T-Rezepte gemäß AMPreisV stellen sich die Fragen zwar in ähnlicher Weise, aber dies hat eher nachrangige Bedeutung, weil deutlich geringere Beträge betroffen sind.

Varianten des Fondskonzeptes

Die (erste) Teilfrage nach den Quellen der Gesamteinkünfte und die (zweite) Teilfrage nach der Verteilung auf die Apotheken sind bei der derzeitigen AMPreisV und waren bei allen ihren Vorgängern nicht voneinander zu trennen. Das Honorar für den Versorgungsauftrag hing bis 2003 von den Umsätzen mit Arzneimitteln in verschiedenen Preiskategorien ab und wurde anhand dieser Umsätze auf die Apo­theken verteilt. Seit 2004 hängt es überwiegend von der Packungszahl und zu einem kleinen Teil von den Umsätzen ab und wird auch so verteilt.

Diese bisherige Kopplung prägt das Denken der Systembeteiligten, aber sie ist nicht zwingend. Mit einem Fonds könnten die Einnahmen des Systems und die Verteilung dieser Mittel so voneinander getrennt werden, dass unterschiedliche Antworten auf die erste und die zweite Teilfrage möglich werden [15]. Der Notdienstfonds ist ein Vorbild dafür. Dabei hängen die Einnahmen von der Zahl der abgegebenen Rx-Arzneimittel ab, aber sie werden anhand der geleisteten Notdienste auf die Apotheken verteilt. Einnahmen, die an die Zahl der Rx-Arzneimittel gekoppelt sind, könnten auch anhand anderer Größen verteilt werden, beispielsweise

  • als Strukturbeitrag für alle Apotheken oder nur für besonders versorgungsrelevante Apotheken oder in unterschiedlicher Höhe für verschiedene Regionen gemäß Vorschlägen von Müller-Bohn [15] und Jaschkowski (zu den Ausführungen Jaschkowskis vgl. [16]),
  • abhängig von der Zahl der abgegebenen OTC-Arzneimittel gemäß Vorschlag von Jaschkowski (zu den Ausführungen Jaschkowskis vgl. [16]),
  • abhängig von Qualitätsparametern der Apotheken gemäß Vorschlag von Overwiening (zu den Ausführungen Overwienings vgl. [17]) oder
  • abhängig von der Zahl eingeschriebener Patienten, angelehnt an einen Vorschlag von Schmidt (zu den Ausführungen Schmidts vgl. [18]).

Weitere Varianten erscheinen möglich. Mit Blick auf eine (ferne) Zukunft, in der die Rolle von Fertigarzneimittelpackungen für die Arzneimittelversorgung abnehmen kann, könnten die Einnahmen von der Gesamtzahl der zu ver­sorgenden (oder der tatsächlich versorgten) Personen in Deutschland (oder in einer bestimmten Region) abhängen. Dies kann die Gesamteinnahmen (erste Teilfrage), deren Verteilung (zweite Teilfrage) oder beides betreffen.

Der wichtigste Vorteil unterschiedlicher Einflussgrößen für die Gesamteinnahmen und ihrer Verteilung liegt in den großen Gestaltungsmöglichkeiten für die Anreizwirkung6. Kostenträger sollen keine Anreize erhalten, Patienten zu ausländischen Anbietern zu steuern, weil dies die Finanzierung des deutschen Versorgungssystem unterlaufen würde. Auch mögliche zusätzliche Tarife für besondere Leistungen sollen keine Anreize zur Umgehung schaffen7. Apotheken sollen dagegen Anreize für die flächendeckende Versorgung erhalten.

6 Dies war beispielsweise ein wesentliches Argument für den Gesundheitsfonds zur Finanzierung der gesamten GKV. So konnte vermieden werden, dass Krankenversicherungen vorrangig an jungen und gesunden Mitgliedern mit hohem Einkommen interessiert sind. Die Einnahmen der Kassen wurden vom Einkommen der Versicherten unabhängig.
7 So können adverse Selektion und moral hazard vermieden werden.

Folgen für das Honorarkonzept

Dies ergibt folgende Erkenntnis für das Honorarkonzept: Die Berechnung des Honorars gegenüber dem Kostenträger und die Verteilung dieses Geldes unter den Apotheken müssen nicht nach demselben Schlüssel folgen. Es kann politisch, wirtschaftlich oder wegen der Anreizwirkungen geboten sein, die Einkünfte und ihre Verteilung von unterschied­lichen Größen abhängig zu machen (Abb.).

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Abb.: Die Verteilung des für die Honorierung zur Verfügung stehenden Geldes kann von verschiedenen Größen abhängig gemacht werden.

Stellenwert der Kostenrechnung

Die Unterscheidung zwischen der ersten und der zweiten Teilfrage schafft zudem ein Bewusstsein dafür, dass auch die dritte Teilfrage unabhängig von den beiden anderen Teilfragen zu beantworten ist. Das Konzept des Honorarsystems muss von der Ermittlung des Finanzbedarfs der Apotheken unterschieden werden. Letztere kann ein System der Kosten- und Leistungsrechnung erfordern, dessen Verrechnungsschlüssel jedoch nicht mit den Verteilungsmechanismen des Honorarsystems verwechselt werden darf. Das Gutachten zur Apothekenhonorierung im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums baut dagegen wesentlich auf der Annahme auf, dass die Antworten auf die beiden ersten Teilfragen die dritte Teilfrage bereits entscheiden würden. Aus der weitgehend packungsabhängigen Honorierung gemäß AMPreisV wird dort geschlossen, dass auch die Höhe eines angemessenen Honorars mit einer packungsbezogenen Kostenverrechnung ermittelt werden müsste. Doch die Tatsache, dass ein Unternehmen seine Einnahmen aus dem Verkauf einzelner Produkte generiert, muss überhaupt nicht bedeuten, dass seine Kosten überwiegend von der Zahl der Produkte abhängen8. Bei Apotheken müssen insbesondere die Kosten für die Versorgungsinfrastruktur von den Personalkosten für die Abgabe und Beratung unterschieden werden. Neben dieser ökonomischen Argumentation erscheint die Verbindung des Verrechnungsschlüssels mit dem Honorierungskonzept der AMPreisV auch aus rechtlicher Sicht unhaltbar, was Dettling umfassend begründet hat [19]. Die obigen Überlegungen haben weitreichende Konsequenzen für die Höhe der Apothekenhonorierung, denn die Ergebnisse der hier angesprochenen Kostenrechnungen hängen entscheidend vom angewendeten Verrechnungsschlüssel ab [20]. Daher ist bei jeder Kostenrechnung zu klären, welche Kostenarten einbezogen und mit welchen Kostenschlüsseln sie auf die Honorarbestandteile verteilt werden. Wegen der Rechtsform der Apotheken als Einzelunternehmen müssen dabei auch kalkulatorische Kosten, insbesondere ein angemessener Unternehmerlohn, berücksichtigt werden.

8 Besonders eindrucksvolle Gegenbeispiele sind viele Arzneimittelhersteller, deren Kosten überwiegend von der Forschung und Entwicklung, aber nur wenig von der Menge der produzierten Packungen abhängen.

Folgen für die Kostenrechnung

Dies ergibt folgende Erkenntnis zur Kostenrechnung: Die Kostenrechnung zur Ermittlung einer angemessenen Gesamtvergütung des Versorgungsauftrages und zur Anpassung an veränderte Kosten ist unabhängig vom Honorierungskonzept der AMPreisV für Rx-Fertigarzneimittel. Da die Ergebnisse dieser Kostenrechnung entscheidend vom gewählten Verrechnungsschlüssel abhängen, muss dabei insbesondere der zu honorierende Versorgungsauftrag berücksichtigen werden.

Kosten oder Kostenänderungen betrachten?

Während beim vereinfachten Verfahren zur Anpassung des Festzuschlags gemäß § 78 Absatz 1 Satz 2 AMG nur Kostenänderungen zu betrachten sind, muss bei weitergehenden Änderungen der AMPreisV unterschieden werden, ob bei den Berechnungen für eine Honoraranpassung alle Kosten ermittelt oder nur Kostenänderungen gegenüber einem Vergleichstermin betrachtet werden.

Die Gesamthöhe des Apothekenhonorars ist aus der historischen Entwicklung zu erklären. Vor dem Honorargutachten wurde nie versucht, die komplette Apothekenhonorierung auf der Grundlage eines Modells der Kosten- oder Leistungsrechnung festzulegen. Dies erscheint aussichtslos, weil die Leistungen der Apotheken aus vielfältigen Teilleistungen bestehen und der Versorgungsauftrag für jeden Patienten individuell interpretiert wird [12]. Außerdem bestehen auch bei wesentlichen Kostenpositionen so große Bewertungsspielräume, dass die Ergebnisse mit erheblicher Unsicherheit behaftet wären. Dies veranschaulichen Gegenrechnungen zum Honorargutachten, die mit veränderten Kostenschlüsseln zu Gesamthonorierungen führen, die um Milliarden Euro vom Ergebnis des Gutachtens abweichen und sich auch untereinander erheblich unterscheiden [20]. Daher ist ein objektiv „richtiger“ Wert nicht zu ermitteln, sondern eine solche Rechnung hängt immer in sehr hohem Maß von den zuvor getroffenen Annahmen ab. Es gilt zu bedenken, dass jede Kostenrechnung nur ein Modell ist.

Viel aussagekräftiger als jedes Modell ist dagegen die empirische Erfahrung, dass das System mit der bisherigen Honorierung weitgehend funktionsfähig erscheint. Die große Mehrzahl der Apotheken kann ihre Aufgaben derzeit wahrnehmen, womit allerdings keine Aussage über die Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit des Systems getroffen ist. Die Schließungen von Apotheken zeigen, dass das System keinesfalls überfinanziert ist. Diese Erfahrung in der realen Versorgung bietet einen viel höheren Erkenntniswert über die Angemessenheit der Honorierung als jedes theoretische Modell, dessen Plausibilität ohnehin an der Realität gemessen werden müsste.

Aus einem theoretischen Kostenrechnungsmodell kann daher unmöglich auf die Angemessenheit der Gesamthonorierung geschlossen werden. Diese kann nur anhand der tatsächlichen Wirkungen auf die Betriebsergebnisse der Apotheken und gegebenenfalls anhand von Apothekenschließungen beurteilt werden. Dennoch können die eher technischen Verfahren der Kostenrechnung genutzt werden, um auf einem nachvollziehbaren Weg Änderungen der Honorierung herzuleiten. Bei Änderungen geht es um insgesamt kleinere Beträge als bei der Gesamthonorierung, sodass Bewertungsunsicherheiten geringere Folgen in absoluten Beträgen haben. Wenn das System nur Änderungen feststellen soll, kann der politische und juristische Vorteil eines nachvollziehbaren Verfahrens den Nachteil der methodischen Unschärfe kompensieren. Außerdem können sich die Betroffenen an begrenzte und vorhersehbare Änderungen besser anpassen als an Systembrüche.

Wirkung weiterer Ertragsquellen

Noch ein weiteres Argument spricht für die Betrachtung von Kostenänderungen. Denn es stellt sich die Frage, inwieweit die Kosten durch Erträge gedeckt werden, die nicht aus der Honorierung für Rx-Arzneimittel gemäß der AMPreisV stammen. Dies betrifft insbesondere Einkaufsvergünstigungen, Einnahmen aus OTC-Arzneimitteln und dem Ergänzungssortiment sowie Einnahmen aus der Spezialversorgung. Wenn nur Kostenänderungen verrechnet werden, können Betrachtungen zu diesen Einnahmen vermieden werden. Dann dürfen auf der Einnahmeseite nur Rohertragsveränderungen betrachtet werden, die sich aus den Tarifen der AMPreisV und den abgerechneten Mengen ergeben, aber nicht die tatsächlichen Unternehmensdaten, die das gesamte Geschäft der Apotheken abbilden. Dann erübrigen sich insbesondere problematische normative Festlegungen zur gewünschten Höhe des Unternehmerlohns und der Einkaufsvergünstigungen. Wenn Letztere als gewünschter Einfluss des Marktes betrachtet werden, können Kostenänderungen unabhängig davon kompensiert werden. So wurde die Honoraranpassung von 2013 unabhängig von Einkaufsvergünstigungen ermittelt. Dagegen gingen die Einnahmen und Kosten der Spezialversorgung in die Berechnung zur Honorierung aller Apotheken ein. Da diese hohen Beträge nur wenige Apotheken betreffen, erscheint hier jedoch eine gesonderte Betrachtung geboten, damit das Gesamtergebnis für alle Apotheken nicht verzerrt wird.

Folgen für den Rechenweg

Dies ergibt folgende Erkenntnis zum Rechenweg: Wenn das Honorar für den Versorgungsauftrag der Apotheken über eine Betrachtung der Kosten ermittelt wird, muss unterschieden werden, ob dabei alle Kosten verrechnet oder nur Kostenänderungen betrachtet werden. Nur der letztere Weg erscheint praktikabel und angemessen. Dabei wird die frühere Honorierung als normativ „richtig“ vorausgesetzt und nur an geänderte Verhältnisse angepasst. Betrachtungen zum Unternehmerlohn, zu Einkaufsvergünstigungen oder anderen Ertragsquellen der Apotheken können dann vermieden werden.

Herleitung von Honorarvorschlägen

Die Antworten auf die eingangs gestellten drei Fragen bieten damit wichtige Erkenntnisse für den Weg zu einer künftigen Apothekenhonorierung: Die Apotheken sind eine dominante Strategie und damit kein Ziel für Sparmaßnahmen. Die wirtschaftlichen und rechtlichen Bedingungen für das Honorarsystem wurden strukturiert. Außerdem wurden anreizverträgliche Variationsmöglichkeiten für das Honorarsystem aufgezeigt. Daraufhin werden demnächst in einem weiteren Beitrag Inhalte einer künftigen Honorierung vorgeschlagen. |

Literatur

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Autor

Dr. Thomas Müller-Bohn

Apotheker und Dipl.-Kaufmann, Auswärtiges Mitglied der Redaktion der Deutschen Apotheker Zeitung

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