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Kongresse
Pharmacon Meran: Im Zeichen der Leber
Nichts Neues bei Hepatitis C und ein kritischer Blick auf Iberogast
Noch vor wenigen Jahren war viel Bewegung im Hepatitis-C-Geschehen: Neue Arzneimittel revolutionierten die Therapie der chronifizierenden Lebererkrankung, machten diese erstmals heilbar – und ließen nicht weniger spektakulär neue Dimensionen bei Arzneimittelpreisen entstehen. Dieser „Hype“ ist wohl vorbei, und der Zwei-Jahres-Blick in die Zukunft ist mittlerweile nicht mehr von Forscherdrang beseelt, das meint zumindest Prof. Dr. Joachim Schott beim Pharmacon. „Es gibt keine Neuentwicklungen bei Hepatitis C mehr, 2020 wird es exakt so aussehen wie jetzt“. Warum ist das so? Laut dem Chefarzt der Klinik für Innere Medizin 2 (Gastroenterologie, Hepatologie, Diabetologie) der Helios-Klinik Emil-von-Behring in Berlin ist das Thema der medikamentösen Behandlung der Hepatitis C in den vergangenen Jahren in einem Umfang weiterentwickelt und abgeschlossen worden, was seinesgleichen in der Geschichte der Medizin sucht. Entwicklungsprogramme für neue Wirkstoffe, auch in bereits fortgeschrittenem Stadium, würden abgebrochen – für neue Substanzen ist schlicht derzeit kein Platz im Markt. „Das Gros der Patienten ist therapiert“, sagt Schott.
Nicht alle helfen allen gleich
Mit den jüngsten Neuzulassungen aus dem Jahr 2017 – Sofosbuvir/Velpatasvir/Voxilaprevir und Pibrentasvir/Glecaprevir – stehen derzeit insgesamt sieben Therapieregime zur Behandlung von Hepatitis C zur Verfügung. Hiervon werden laut Schott jedoch nur fünf aktiv eingesetzt, und zwar die fixen Kombinationen – die freien Kombinationen kämen aufgrund eines noch höheren Arzneimittelpreises eigentlich nicht mehr zum Einsatz. Hinsichtlich der Wirksamkeit liegen die Ansprechraten durchweg bei über 95 Prozent – dennoch gibt es Faktoren, die Ärzte das ein oder andere Regime bevorzugen lassen: Genotypabdeckung, Nierenfunktion, Leberfunktion, Wechselwirkungen, Resistenzen und letztlich der Preis. So treffen nicht alle Hepatitis-C-Arzneimittel alle Genotypen mit gleichem Erfolg. Die Kombinationen von Sofosbuvir und Velpatasvir in Epclusa®, Sofosbuvir, Velpatasvir und Vixalaprevir in Vosevi® beziehungsweise Pibrentasvir und Glecaprevir in Maviret® wirken pangenotypisch, also bei allen Subtypen des HCV. Hingegen zeigen Sofosbuvir/Ledipasvir (Harvoni®), Elbasvir/Grazoprevir (Zepatier®) nur bei den Genotypen 1 und 4 Wirksamkeit.
Die meisten Hepatitis-C-Arzneimittel werden über die Leber verstoffwechselt, einzige Ausnahme hierbei ist Sofosbuvir. Laut Fachinformation ist der nucleosidische Polymeraseinhibitor bei einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) unter 30 ml/min kontraindiziert. Was passiert, wenn auch Patienten mit schlechter Nierenfunktion mit Sofosbuvir therapiert werden? Schotts Antwort: „Gar nichts, man kann Sofosbuvir dennoch einsetzen, allerdings ist es dann ein klassischer Off-Label-Use“. Therapeutisch können Ärzte dann auf Sofosbuvir-freie Kombinationen, Maviret® oder Zepatier®, ausweichen. Bei Leberfunktionsstörungen wird Sofosbuvir schnell wieder zum Mittel der Wahl, am kritischsten sind hier Proteaseinhibitoren, sprich Grazoprevir, Glecaprevir und Voxilaprevir. Hier sollten Ärzte Proteaseinhibitor-freie Kombinationen bevorzugen: Harvoni® und Epclusa®.
Bei den in den letzten Jahren viel diskutierten hohen Preisen gibt es zwischen Harvoni®, Epclusa® und Maviret® nur marginale Unterschiede, sie kosten alle knapp 35.000 Euro (Therapie für acht Wochen Harvoni® und Maviret®, zwölf Wochen Epclusa®). Bei Infektionen mit den Genotypen 1 und 4 stellt Zepatier® mit knapp 26.000 Euro derzeit die kostengünstigste Alternative dar. Vosevi® fällt mit rund 60.000 Euro etwas aus der Reihe – allerdings ist die Dreifachkombination auch nur als Reservemedikation gedacht, wenn andere Therapieregime bereits versagt haben.
Und bei Resistenzen? Bei Hepatitis C handelt es sich um ein RNA-Virus. Für die Therapie bedeutet das: Man muss mindestens zwei Stellen gleichzeitig behandeln, da sich sonst sehr rasch Resistenzen gegen einzelne Wirkstoffe entwickeln. Die meisten Resistenzprobleme bereitet das Phosphoprotein NS5A. „Das größte Problem ist, dass, wenn dort einmal eine Resistenzvariante entstanden ist, dann bleibt die“, erklärt Schott. 25 Prozent der Hepatitis-C-Viren zeigen eine natürliche Resistenz gegen NS5A-Inhibitoren, bei mit NS5A-Inhibitoren vorbehandelten Patienten kann sich diese Resistenz auf 75 Prozent steigern. Behandelt man diese mit der Dreifach-Kombination Vosevi®, gibt es laut Schott jedoch im klinischen Outcome keinen Unterschied bei den Ansprechraten. Dennoch erkannte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im Rahmen der Nutzenbewertung keinen Zusatznutzen für Vosevi® an.
Arzneimittel-induzierte Leberschäden: häufiger als gedacht
Prof. Dr. Christian Strassburg, ausgewiesener Hepatologe und ärztlicher Direktor der Medizinischen Klinik Poliklinik 1 am Universitätsklinikum Bonn, gab einen Überblick über Arzneimittel-induzierte Leberschäden. Der Hepatologe geht davon aus, dass von 100.000 Patienten 20 bis 50 von Arzneimittel-induzierten Leberschäden betroffen sind, von denen 5 bis 10 Prozent einer stationären Behandlung bedürfen. In Europa lassen sich 17 Prozent der Fälle akuten Leberversagens auf Arzneimittel zurückführen, in den Vereinigten Staaten gehen Experten von 50 Prozent aus. Hauptverursacher in den Vereinigten Staaten ist Paracetamol, hierzulande – und das überrascht vielleicht – ein gängiges Antibiotikum: Amoxicillin plus Clavulansäure. Zu den häufigsten Arzneimitteln, die Leberschäden verursachen, zählen nach den Antiinfektiva die Antikonvulsiva – die seien zwar hinsichtlich der Verordnungszahlen relativ selten, jedoch dafür bei ihrer „Durchschlagskraft“ extrem schädigend. Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) rangieren auf Platz drei – und dabei assoziiert man Acetylsalicylsäure (ASS), Diclofenac und Ibuprofen in erster Linie doch eher mit nephro- denn mit hepatotoxischen Wirkungen.
Für bedenklich hält Strassburg insbesondere den leichtfertigen und sorgenfreien Umgang der Patienten mit Phytopharmaka, „weil das grüne Blatt in der schönen Natur ist ja nichts Gefährliches“. So wohl auch bei Iberogast®. Was sagt der Hepatologe zur aktuellen Diskussion? Strassburg fährt hier eine klare Linie: „Ich rezeptiere das im Prinzip gar nicht!“ Und weiter: „Ich halte die Diskussion für valide“. So sei bei Iberogast® nicht klar, ob die Wirkung, die man dem Phytopharmakon zuspreche, letztendlich überhaupt eintrete. Dies gelte es tatsächlich zu prüfen. „Ich glaube nicht, dass Iberogast® einen klaren Wirkmechanismus und ein klares Target hat – offenbar aber unerwünschte Wirkungen, insofern finde ich das gut, wenn man das kritisch sieht“, sagt Strassburg.
Hepatoprotektive Arzneimittel nicht für jeden
Hepatoprotektive Phytopharmaka – Mariendistelfrüchte oder Artischockenpräparate, die den Gallenfluss fördern? Kann sich der Patient damit etwas Gutes tun? Der Experte unterscheidet hier zwei „Lebertypen“: Den Leberkranken, der bereits behandelt werden muss, und den völlig Lebergesunden. Für den ersten Patienten stellt der Experte bei einer vermeintlich hepatoprotektiven Selbstmedikation die Ampel auf „rot“ und vertritt ein klares „nein“: Es gebe keinerlei Evidenz, dass irgendein Arzneimittel hier irgendetwas bringe. Zusätzlich warnt Strassburg vor dem Interaktionspotenzial bei Präparaten mit Mariendistelfrüchten. „Bei Patienten mit ernsthaften Lebererkrankungen sollte man eine klare und wissenschaftlich fundierte Linie verfolgen“, findet der Hepatologe. Er selbst ist hier sehr stringent und sagt seinen Patienten klar: „Ich werde Sie nicht behandeln, wenn Sie etwas anderes nehmen“. Hingegen bei völlig lebergesunden Patienten seien solche Präparate „sicherlich in Ordnung“. |
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