Arzneimittel und Therapie

Hurra, die Pille für den Mann ist da!??

Ein Kommentar von Doris Uhl

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Doris Uhl, DAZ-Chefredakteurin

Wer sich für Gesundheitsthemen interessiert und in diesen Tagen auf den Online-Seiten von Stern, Gala, Bild etc. unterwegs war, der wird sicher über folgende „Schock“-Nachricht gestolpert sein, die bei news.de in der Schlagzeile gipfelt: „Ibuprofen: Vorsicht! DIESES Schmerzmittel macht unfruchtbar!“

Tatsächlich steckt hinter diesen Meldungen eine seriöse Publikation einer dänischen Arbeitsgruppe [Kristensen et al]. Sie ist dem Verdacht nachgegangen, dass OTC-Analgetika wie Paracetamol, ASS und auch Ibuprofen negative Auswirkungen auf die fetale Entwicklung und die Fruchtbarkeit haben könnten. Da Ibuprofen zudem noch besonders beliebt bei Leistungssportlern ist, haben sie dieses Analgetikum unter die Lupe genommen und die Auswirkungen auf die Hormonspiegel bei 31 jungen gesunden Männern geprüft. Diese hatten randomisiert und doppelblind entweder zweimal täglich 600 mg Ibuprofen oder Placebo eingenommen. Während die Testo­steron-Gesamtwerte und die seines Hauptmetaboliten Estradiol sowohl bis zum Tag 14 als auch bis zum Tag 44 der Untersuchung durch Ibuprofen unverändert blieben, war der Spiegel des Luteinisierenden Hormons (LH) in der Ibuprofen-Gruppe schon bis zum 14. Untersuchungstag signifikant um 23% gestiegen, bis zum 44. Tag sogar um 33%. Der Verdacht lag nahe, dass durch Ibuprofen ein kompensierter Hypogonadismus ausgelöst worden war. Diese endokrine Funktionsstörung der Keimdrüsen ist bei älteren Männern häufiger aufzufinden und geht unter anderem mit einer eingeschränkten Fruchtbarkeit einher. Weitere In-­vitro- und Ex-vivo-Versuche untermauerten die Vermutung. Denn hier konnte u. a. gezeigt werden, dass Ibuprofen die Testosteron-Produktion in den Leydig-Zellen der Hoden durch eine selektive Repression drosseln kann. Von der Hypophyse wird bei Abfall des Testosteron-Spiegels verstärkt LH ausgeschüttet. Die Testosteron-Produktion wird wieder angekurbelt, um die zu niedrigen Werte zu kompensieren.

Das Ergebnis der Publikation mag für alle die beunruhigend sein, die über einen langen Zeitraum Ibuprofen in hohen Dosierungen einnehmen und mit einem unerfüllten Kinderwunsch zu kämpfen haben. Diejenigen, die ab und an wegen Kopfschmerzen oder Fieber über ein oder zwei Tage Ibuprofen niedrig­dosiert einnehmen, müssen sich zunächst einmal wohl kaum sorgen. Denn in größeren Studien muss das Ergebnis zum einen verifiziert werden. Zum anderen muss zudem geprüft werden, ob die Kurzzeitanwendung niedrigerer Dosierungen tatsächlich auch antiandrogen wirkt.

Angesichts der „Schock“-Nachrichten zu Ibuprofen könnte jetzt allerdings der ein oder die andere auf die Idee kommen, auf Kondom und Pille zu verzichten und stattdessen auf das Analgetikum zu setzen. Doch bevor wir ernsthaft verkünden „Hurra - die Pille für den Mann ist da!“, warten wir auch hier lieber entsprechende placebokontrollierte Doppelblindstudien ab.

Quelle

Kristensen DM et al. Ibuprofen alters human testicula physiology to produce a state of compensated hypogonadism. PNAS Early Edition, www. pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1715035115

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