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Arzneimittel und Therapie
Vermeintliche „Penicillin-Allergie“
Dokumentation im Allergiepass fördert Risiko für Infektionen mit gefährlichen Keimen
Eine Penicillin-Allergie ist die am häufigsten registrierte Arzneimittelallergie und betrifft rund 10% aller Patienten. Tatsächlich handelt es sich jedoch in den meisten Fällen gar nicht um eine echte Allergie (also eine unmittelbare Hypersensitivität), sondern um eine Intoleranz oder um Arzneimittelnebenwirkungen wie Kopfschmerzen und Exantheme. Bis zu 95% der Patienten mit Penicillin-Allergie erweisen sich nach weiterer Abklärung als Penicillin-tolerant. Trotzdem werden bei einer einmal dokumentierten Penicillin-Allergie vermehrt alternative Antibiotika eingesetzt. Diese haben oft ein breiteres Wirkungsspektrum und sind toxischer als Penicilline oder andere Betalactam-Antibiotika (z. B. Cephalosporine). Studien haben gezeigt, dass der unnötige Gebrauch bestimmter Antibiotika die Entwicklung von schwer behandelbaren und resistenten Bakterienstämmen, wie z. B. MRSA und C. difficile fördern kann.
Um die Konsequenzen einer vermeintlichen Penicillin-Allergie für die allgemeine Gesundheit zu evaluieren, hat eine Arbeitsgruppe des Massachusetts General Hospital in Boston eine bevölkerungsbasierte Kohortenstudie durchgeführt. Anhand einer großen Hausarztdatenbank des britischen Gesundheitssystems wurde der Zusammenhang zwischen einer dokumentierten Penicillin-Allergie und einer neu auftretenden Infektion mit MRSA und C. difficile untersucht. Daten von 301.399 Erwachsenen, die zuvor weder mit MRSA noch mit C. difficileinfiziert waren, gingen in die Analyse ein. Es wurden 64.141 Patienten mit einer dokumentierten Penicillin-Allergie identifiziert, die 237.258 Vergleichspersonen gegenübergestellt wurden. Als Studienendpunkte wurden neben einer ärztlichen Diagnose von MRSA- oder C.-difficile-Infektionen auch der Einsatz von Betalactam-Antibiotika und alternativen Antibiotika definiert.
Einsatz alternativer Antibiotika
Patienten mit einer dokumentierten Penicillin-Allergie erhielten häufiger alternative Antibiotika als entsprechende Vergleichspersonen: Makrolide und Clindamycin wurden etwa viermal so häufig verordnet, Fluorchinolone doppelt so häufig. Auch andere Antibiotika wie Tetracycline und Sulfonamide wurden vermehrt eingesetzt. Mit dem Vermerk einer Penicillin-Allergie in der Krankenakte war ein erhöhtes Risiko sowohl für MRSA- als auch für C.-difficile-Infektionen verbunden: Während einer durchschnittlichen Beobachtungszeit von sechs Jahren wurde bei insgesamt 1365 Patienten eine MRSA-Infektion nachgewiesen (davon hatten 442 eine Penicillin-Allergie), bei 1688 Patienten wurde eine Infektion mit C. difficile festgestellt (442 mit einer Penicillin-Allergie). Eine Penicillin-Allergie war demnach mit einem rund 70% höheren Risiko für eine MRSA-Infektion (adjustierte Hazard Ratio [aHR] 1,69; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,51 – 1,90) und einem 26% höheren Risiko für eine Infektion mit C. difficile (aHR 1,26; 95%-KI 1,12 – 1,40) assoziiert. Die Risikoerhöhung war zu 55% (MRSA) bzw. 35% (C. difficile) auf eine vermehrte Verwendung von Betalactam-alternativen Antibiotika zurückzuführen. Ursache könnte unter anderem eine Veränderung des gastrointestinalen Mikrobioms sein, wodurch sich C. difficile stärker vermehren kann.
Neue Strategien sind nötig
Um der Gefahr der Ausbreitung dieser gefährlichen Keime entgegenzuwirken und die öffentliche Gesundheit nicht zu gefährden, sind neue Strategien gefragt. So sollten einmal dokumentierte Penicillin-Allergien zunächst systematisch abgeklärt werden, um Infektionen mit MRSA und C. difficile einzudämmen. |
Quelle
Blumenthal KG et al. Risk of methicillin resistant Staphylococcus aureus and Clostridium difficile in patients with a documented penicillin allergy: population based matched cohort study. BMJ 2018;361:k2400
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