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- DAZ 33/2018
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Arzneimittel und Therapie
Sehverlust unter Selen
Fallbericht sensibilisiert für Folgen einer Überdosierung
Dieser Fall wurde vor Kurzem in JAMA Neurology publiziert. Das Sehvermögen der Frau beschränkte sich auf Handbewegungen; Ziffern und Buchstaben waren für sie nicht zu erkennen. MRT-Scans des Gehirns zeigten symmetrische Anomalien in der weißen Substanz, die auf ein reversibles posteriores Leukoenzephalopathie-Syndrom (RPLS) hindeuteten. Typische Auslöser dieses Syndroms lagen bei der Patientin jedoch nicht vor. Verschreibungspflichtige Arzneimittel oder illegale Drogen nahm sie nicht ein, gab jedoch an, zur vermeintlichen Stärkung ihres Immunsystems Selen-Supplemente anzuwenden. Ein Jahr vor der aktuellen Vorstellung, als sie nach eigenen Angaben eine Tablette pro Tag einnahm, lag ihr Serum-Selenspiegel bei 193 µg/l und somit bereits oberhalb des Normwerts von 63 – 158 µg/l. Zwischenzeitlich hatte sie die Dosis auf sechs bis acht Tabletten pro Tag (1200 bis 1600 µg) gesteigert, was sich in einem massiv erhöhten Selen-Spiegel von 5370 µg/l manifestierte. Nach Absetzen der Supplemente normalisierte sich ihr Zustand sowohl in Bezug auf die Sehfähigkeit als auch auf den MRT-Befund innerhalb von zwei Jahren. Dieser Fall illustriert eindrucksvoll die Gefahren einer unkritischen Supplementation mit Nahrungsergänzungsmitteln, die entgegen der unter Laien weit verbreiteten Meinung keineswegs frei von Risiken sind.
Cofaktor Selen
Selen ist ein essenzieller Cofaktor der Selenoproteine, zu denen z. B. die Glutathionperoxidase sowie die für die Bildung von T3 aus T4 in der Schilddrüse zuständige 5‘-Iodothyronin-Deiodinase gehören. Für Pflanzen ist Selen nicht essenziell, kann aber aus dem Boden aufgenommen und anstelle von Schwefel eingebaut werden. Einen besonders hohen Selen-Gehalt haben Paranüsse (600 µg/100 g), aber auch Vollkornbrot (10 µg/100 g) oder Lachs (35 µg/100 g) sind wichtige Selen-Quellen. Als Referenzwert für eine angemessene Zufuhr werden für Frauen 60 µg pro Tag, für Männer 70 µg pro Tag angegeben, was aber aufgrund Selen-armer Böden in Europa meist nicht erreicht wird. Dies geht jedoch nicht zwingend mit einem realen Selen-Mangel einher. Dieser muss laborchemisch nachgewiesen und dann gezielt behoben werden. Symptome eines marginalen Mangels sind muskuläre Schwäche, Muskelabbau und chronische Entzündungen. Ein manifester Mangel kann zur Keshan-Krankheit führen, einer bisher nur in China beschriebenen Kardiomyopathie.
Upper Level 400 µg
Das Upper Level, also die als unbedenklich angesehene tägliche Zufuhrmenge, liegt bei täglich 400 µg und wurde im vorliegenden Fallbericht um das Drei- bis Vierfache überschritten. Das Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt für Nahrungsergänzungsmittel eine Höchstmenge von 45 µg pro Tagesdosis, um unbeabsichtigte Überdosierungen zu vermeiden. Eine chronisch erhöhte Selen-Zufuhr kann sich im Verlust von Haaren und Nägeln, gastrointestinalen Beschwerden und Erregbarkeit sowie einem charakteristischen Knoblauchgeruch des Atems äußern. Akute Vergiftungserscheinungen sind meist gastrointestinaler, kardialer oder neurologischer Natur. |
Quelle
Rae W et al. Selenium Toxicity Associated With Reversible Leukoencephalopathy and Cortical Blindness. JAMA Neurol. Published online 2. Juli 2018, doi:10.1001/jamaneurol.2018.1669
Biesalski HK. Vitamine und Minerale. Thieme Verlag, 1. Auflage 2016
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