DAZ aktuell

Wird der „Fall Duogynon“ neu aufgerollt?

Gesundheitspolitiker der SPD, Union und Grünen fordern Aufklärung

bj | Unter der Marke Duogynon waren zwischen 1950 und 1980 Östrogen-Gestagen-Kombinationen zur oralen und parenteralen Anwendung auf dem Markt. Eine solche Kombination wurde unter anderem als oraler Schwangerschaftstest eingesetzt (s. DAZ 2018, 40, S. 62). In einer 1967 veröffentlichten Studie wurde erstmals vermutet, dass die Anwendung von Duogynon während der Schwangerschaft mit Fehlbildungen assoziiert sein könnte. Seitdem ist ein Streit entbrannt, inwiefern der Hersteller und die Bundesregierung den „Fall Duogynon“ aufgearbeitet haben. Nun beschäftigt die Frage auch den Bundestag.

Lösten die ehemaligen Duogynon-Präparate Fehlbildungen bei Ungeborenen aus? Aus wissenschaftlicher Sicht steht die Frage im Raum, ob anhand der vorhandenen Daten eine Kausalität überhaupt nachweisbar ist. Vor wenigen Wochen stellte die Grünen-Bundestagsfraktion eine kleine Anfrage zur bisherigen Aufarbeitung der Duogynon-Akten und wollte wissen, ob es möglich sei, die mutmaßlich ­Betroffenen zu entschädigen. Der Zusammenhang zwischen den Hormonpräparaten und embryonalen Fehlbildungen könne nicht nachgewiesen werden, antwortete das Bundesgesundheitsministerium (BMG) vor wenigen Tagen. Deshalb seien keine weitere Aufklärung des Falles oder Entschädigungszahlungen erforderlich. Damit gab sich die Grünen-Bundestagsabgeordnete Maria Klein-Schmeink nicht zufrieden – sie hält der Regierung Desinteresse vor. Und so nahm die Gesundheitspolitikerin vergangene Woche eine aktuelle Publikation aus Oxford zum Anlass, erneut mit einer mündlichen Anfrage nachzu­haken. Bei der Arbeit von Heneghan und Kollegen handelt es sich um einen Review und eine Metaanalyse mit 16 Fallkontroll- und zehn Kohorten-Studien (s. S. 38 in dieser DAZ). BMG-Staatssekretärin Sabine Weiss antwortete der Grünen-Abgeordneten daraufhin, dass die Studie zurzeit durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte bewertet werde und die Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen sei.

Auch die Patientenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Martina Stamm-Fibich, und der CSU-Bundestagsabgeordnete und Mediziner, Dr. Stephan ­Pilsinger, meldeten sich daraufhin zu Wort. In einer gemeinsamen Stellungnahme forderten sie die umfassende Aufklärung des Sachverhalts. „Die ­Aufklärung darf in Deutschland nicht länger aufgeschoben werden.“

Aus Sicht der beiden Bundestagsabgeordneten würde nicht nur Heneghans Analyse auf Duogynon als Ursache für embryonale Missbildungen hinweisen. Sollte sich Duogynon als Missbildungsursache bestätigen, müssten die mutmaßlichen Opfer, ähnlich wie im Fall Contergan, entschädigt werden. |

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