Gesundheitspolitik

2019 – Erwartungen, Wünsche, Befürchtungen

Phagro, Institut für Handelsforschung, Treuhand Hannover und Deutsche Apotheker- und Ärztebank wagen einen Blick auf das noch junge Jahr

Im Austausch kluge Konzepte erarbeiten

Ulrich Sommer, Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)

Foto: apoBank
Ulrich Sommer

Das Jahr 2019 wird für die Apothekerschaft besonders spannend und herausfordernd, vor allem zwei aktuelle gesundheitspolitische Entwicklungen werden die Veränderungen auf dem Apothekenmarkt prägen. Zum einen wird es das Verbot des Online-Handels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nach aktuellem Stand nicht geben. Aus Sicht der deutschen Apotheker ist das zwar zunächst eine schlechte Nachricht, doch die negativen ökonomischen Auswirkungen dürften nach den vorliegenden Eckpunkten geringer ausfallen als von vielen befürchtet. Dafür könnte unter anderem die geplante Begrenzung der Rabatte durch den Versandhandel sorgen.

Richtungsweisend für die Weiterentwicklung des Apothekenmarktes ist auch die Bereitschaft der Politik, neue Dienstleistungsangebote zusätzlich zu vergüten. Hier ergeben sich nun Spielräume, um die heilberufliche Expertise stärker in den Vordergrund zu rücken und die Patienten beispielsweise in den Bereichen der Prävention und Medikation zu begleiten. Und wenn es dann gelingt, das heilberufliche Profil des Pharmazeuten in der Apotheke zu schärfen, wird es für die nachfolgende Generation attraktiver, diesen Beruf zu ergreifen.

Es kommt jetzt also darauf an, kluge Konzepte zu erarbeiten. Dazu wird ein intensiver Austausch mit den beteiligten Akteuren im Gesundheitswesen nötig sein. Es sollte aber auch ein gesamtgesellschaftliches Ziel sein, die Apotheker noch stärker in die Gesundheitsversorgung einzubinden, denn hier gibt es viel zu tun. So wünsche ich uns allen, dass schon bald konkrete Lösungen vorliegen, die den Apothekern neue moderne und innovative Services für die Patientenversorgung ermöglichen.

Alles ist möglich – kein einfacher Ausblick

Dr. Frank Diener, General­bevollmächtigter der Treuhand Hannover GmbH Steuerberatungsgesellschaft

Foto: Treuhand Hannover GmbH
Dr. Frank Diener

Der Ausblick auf 2019 ist alles andere als einfach. Würde der GroKo-Vertrag umgesetzt, wäre die Perspektive für die Apotheken durchaus chancenreich: Ein Rx-Versandverbot würde dem E-Rezept die Bedrohlichkeit nehmen. Die zusätzliche entschlossene Umsetzung des nationalen AMTS-Aktionsplanes würde eine telematikgestützte pharmazeutische Erweiterung der Aufgaben und Verantwortung der inhabergeführten Offizin-Apotheke ermöglichen.

Doch die Realität weist mit dem BMG-Eckpunktpapier zur Reform der Arzneimittelversorgung in eine andere Richtung:

  • Die Rx-Boni sollen für die Auslandsapotheken bis zu 2,50 Euro je Rx-Packung – also dem derzeit im EU-Versand üblichen Ausmaß – erlaubt werden; erst wenn der Marktanteil der EU-Auslands­apotheken 5% erreicht, soll eine Überprüfung erfolgen. Was an dieser Regelung rechtlich stabil sein soll, ist nicht ersichtlich. Gewiss ist, dass die Regelbrüche, die nötig sind, um Musterprozesse anzustoßen, parallel zur Gesetzgebung vorbereitet werden.
  • Die Position der Offizin-Apotheken gegen die Versender soll durch einen Set weiterer Maßnahmen gestärkt werden: So soll das „Makeln“ von Rezepten verboten werden. Krankenkassen soll untersagt werden, mit Apotheken Einzelverträge mit abweichenden Preisen abzuschließen und Versicherte zum Auslandsbezug zu animieren. Außerdem soll der Botendienst als Alternative zum Versand­bezug „ausgebaut“ werden.
  • Die vorgesehene Verdoppelung der Notdienstpauschalen wirkt dort stärker, wo die Apothekendichte niedrig ist (z. B. ländliche Regionen). Sie wirkt dort wenig, wo sie hoch ist (z. B. Innenstadtlagen).
  • Für eine Erhöhung der BtM-Gebühr werden 15 Mio. Euro bereitgestellt; das lässt Spielraum, sie von 2,91 auf 4,00 Euro anzuheben.
  • Bei dem Honorartopf für zusätzliche Dienstleistungen wird spannend, welche Dienstleistungen wie vergütet werden sollen, wie aufwendig sie sind und wie schnell DAV und GKV dazu „das Nähere“ im Rahmenvertrag regeln. Klar ist aber auch, dass hier für Euphorie kein Anlass ist: Mit 32 Cent Zusatzfixum je Packung und 40.000 Rx-Packungen sowie Arbeitgeberkosten von 50 Euro pro Personalstunde könnten rein rechnerisch je Apotheke 256 Stunden pro Jahr, also knapp 5 Stunden je Woche, an zusätzlichen pharmazeutischen Dienstleistungen bezahlt werden. Das ist bei einer Versorgungsdichte von rund 4000 Einwohnern je Apotheke „überschaubar“. Und es wirft die Frage nach den entsprechenden Personalressourcen auf.

Es kommt jetzt auf die weitere Umsetzung an. Noch ist offen, ob ein Inkrafttreten im Rahmen des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) zum 1. Juli 2019 möglich ist oder ob das zeitaufwendige EU-Notifizierungsverfahren ein eigenes Gesetz erfordert. Vielleicht fliegt im Mai nach der Wahl zum EU-Parlament ja auch die GroKo auseinander und alles wird „auf Null“ gestellt?

Weichen für Sicherheit und positive Perspektiven stellen

Dr. Markus Preißner, wissenschaftlicher Leiter am Institut für Handelsforschung (IFH) in Köln

Foto: IFH Köln
Dr. Markus Preißner

Die Anzahl der Apotheken in Deutschland ist in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich gesunken und hat 2018 den niedrigsten Stand seit den späten 1980er-Jahren erreicht. Diese Entwicklung wird sich auch 2019 fortsetzen – vermutlich in verschärfter Form.

Nicht zuletzt die Pläne von Gesundheitsminister Jens Spahn zur „Lösung“ des Versandhandels­konflikts lassen viele Apothekeninhaberinnen und -inhaber skeptisch in die Zukunft blicken. Der Anteil negativer Geschäftserwartungen ist gemäß dem Apothekenkonjunkturindex – APOkix des IFH Köln zum Jahresende auf über fünfzig Prozent gestiegen. Positiv blickt kaum jeder Zehnte in die Zukunft. Ein alarmierendes Signal – insbesondere, wenn man sich die Nachfolgeproblematik in deutschen Apotheken vor Augen führt. Wer möchte es dem pharmazeutischen Nachwuchs in Zeiten höchst unsicherer und sich verschlechternder Rahmenbedingungen verdenken, sich gegen eine Inhaberschaft, wenn nicht gar gegen den Arbeitsplatz Apotheke zu entscheiden? Hier sind Standesvertretungen und Politik 2019 unisono gefordert, die Weichen für Sicherheit und positive Perspektiven zu stellen. Gelingt dies nicht, ist nicht nur die Existenz vieler Inhaberinnen und Inhaber bedroht, sondern auch die flächendeckende, ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung in Deutschland.

Doch auch die Inhaberinnen und Inhaber selbst sind 2019 besonders gefordert, die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft ihrer Apotheken zu stellen und sich noch stärker auf die Verhaltensweisen, Bedürfnisse und Wünsche ihrer Kunden zu fokussieren. Im Zeitalter der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft heißt dies beispielsweise auch, Kunden die Möglichkeit zu bieten, Apotheken- und Produktinformationen online einzusehen, Verfügbarkeiten online zu prüfen und Arzneimittel online vorzubestellen.

Spannendes Jahr mit vielen Chancen

Dr. Thomas Trümper, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands des pharmazeutischen Großhandels e. V. – Phagro

Foto: Phagro
Dr. Thomas Trümper

Im neuen Jahr erwarten wir sub­stanzielle Veränderungen, die auf sachlicher Basis diskutiert und vollzogen werden. So kennen wir Gesundheitsminister Spahn und wir rechnen fest damit, dass er künftige Entwicklungen in unserem Umfeld deutlich prägen wird.

Verbunden damit ist unsere Überzeugung, dass der Patient und dessen Wohl im Vordergrund stehen muss und dabei selbstverständlich auch die Kosten im Blick gehalten werden. Wir haben es schon anders erlebt, dass zuerst über Kosten, dann über die Leistungen gesprochen wurde. Dies hat hoffentlich ein Ende, wobei die Interessen der Marktbeteiligten und das Gemeinwohl nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Schließlich haben wir 16 Bundesländer, in denen die Arzneimittelversorgung flächendeckend funktionieren muss. Dieses Ziel wird wohl keiner Klientelpolitik zum Opfer fallen, davon sind wir überzeugt.

Wenn wir über Veränderungen sprechen, haben wir natürlich auch Vorstellungen dazu. Das vom BMWi in Auftrag gegebene Gutachten, das auch die Vergütung des Großhandels beleuchtet hat, wird uns in der Diskussion sicher noch eine Zeit lang begleiten. Schade nur, dass viele rich­tige und gute Erkenntnisse zum Großhandelsgeschäft unterzugehen drohen, weil grundlegende Fragen zum Funktionieren unternehmerischen Handelns nicht nur unbeantwortet geblieben sind, sondern schlichtweg ignoriert wurden. Das Jahr 2019 sollte dazu dienen, dies im sachlichen Dialog richtigzustellen und im Sinne eines Erhalts der Versorgungsqualität und im Sinne aller Beteiligten zu lösen.

Gleich zu Beginn des Jahres, im Februar, wird die Überprüfung fast aller verschreibungspflichtiger Arzneimittel zum Schutz vor Arzneimittelfälschungen in den meisten europäischen Ländern Pflicht. Wir sind mit securPharm in Deutschland sehr weit. Eine vorbildliche Zusammenarbeit in den letzten Jahren zwischen den Verbänden der Hersteller, der Apotheker und des Großhandels hat dies möglich gemacht; jetzt kommt die Stunde der Wahrheit! Das wird mit Sicherheit am Anfang nicht ohne Reibung gehen, aber auch hier ist Sachlichkeit im Umgang mit den Fragen der Einführung gefragt. Das wird auf jeden Fall eine große Aufgabe für alle, die mit der Abgabe von Arzneimitteln befasst sind. Und dann schauen wir mal, welche Auswirkungen der Brexit auf die Lieferbarkeit von Arzneimitteln haben wird.

Alles in allem ein spannendes Jahr mit vielen Chancen, die Versorgung von Patienten flächendeckend in Deutschland auf hohem Niveau zu sichern. |

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