Management

Wie Wertschätzung ihren Weg findet

Die Person und nicht die Leistung steht im Mittelpunkt

Wenn Sie ein Team fragen, was den Mitgliedern bei der Zusammenarbeit besonders wichtig ist, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit der Begriff „Wertschätzung“ auftauchen. Das Maß an Wertschätzung kann Auslöser einer handfesten Krise sein oder das letzte Heilmittel, wenn die Erde bereits mehr als verbrannt ist. Aber was bedeutet denn überhaupt „Wertschätzung“?

„Schätze“ ich nur grob den „Wert“ des anderen und damit auch seinen Nutzen für mich? Oder drücke ich aus, von welchem unschätzbaren Wert dieser Mensch ist, der mir gerade gegenübersteht? Der Begriff wird zurzeit gerne gebraucht, wichtig ist dabei sicherzustellen, dass alle das Gleiche meinen.

Zwei Gedankenexperimente

Gehen wir einmal ganz an den Anfang. Jedes Teammitglied ist ­irgendwann einmal als Säugling auf die Welt gekommen und in der Regel sind Kinder im Augenblick der Geburt für ihre Eltern das Wertvollste, was es gibt. Sie können nichts, sie haben nichts und sie sind noch niemand, aber die Eltern schätzen sie so, wie sie sind. Diese Sicht der Dinge verliert sich nach einer Weile, wie wir wissen.

In diesem Beispiel gibt es keine Korrelation zwischen dem Wert des Menschen und seiner Leistung, wie wir es üblicherweise aus Unternehmen kennen. Dort gibt es erst Aufmerksamkeit und Anerkennung, wenn exzellente Leistungen erbracht wurden.

Ein weiterer Gedanke. Nehmen Sie sich bitte einen 50-Euro-Schein aus ihrem Portemonnaie. (Eine andere Banknote tut es auch.)

1. Zerknüddeln Sie ihn zu einer kleinen Kugel.

2. Werfen Sie ihn auf den Boden.

3. Treten Sie ein paar Mal kräftig drauf.

Wenn Sie ihn jetzt wieder auf­heben, sieht er ziemlich zerknickt aus und ist unter Umständen an den Rändern ein wenig eingerissen. Aber er hat nach wie vor einen Wert von 50 Euro und mit ein bisschen Glattstreichen passt er auch wieder in die Geldbörse.

Übertragen auf Mitarbeiter bedeutet das: Führungskräfte können Mitarbeiter zwar respektlos und herablassend behandeln, deswegen sind diese aber noch lange nicht weniger wert. Allerdings überstehen Mitarbeiter so eine Behandlung zumeist nicht so unbeschadet wie der Geldschein. Wer sich selbst etwas wert ist, verlässt solche Führungskräfte frühzeitig.

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Ein Baby ist im Normalfall der größte Schatz für Eltern und sein Umfeld – durch sein „Da“sein als Mensch ganz ohne Leistung. Man könnte sich fragen, wie es im Berufsleben ist. Definiert man Kollegen (und sich selbst) nur über Leistung oder sieht man den Menschen dahinter?

Die Kunst der Kleinigkeiten

In vielen Unternehmen findet ein Umdenken statt, was den Führungsstil angeht. „Antreiben“ und „unter Druck setzen“ sind nicht die schönen Wege zum Ziel. Deswegen werden Führungskräfte angehalten, Wertschätzung zu leben, weil sich dadurch die Mitarbeiter stärker an das Unternehmen binden, die Leistungsfähigkeit erhöht wird und die Fehlzeiten sinken. In der Umsetzung wird zumeist die Arbeit gelobt und damit der Wert des Menschen ausschließlich an seiner Leistung festgemacht. Wertschätzung „verkommt“ zur Managementmethode und das spüren die Mitarbeiter. Der gewünschte Effekt bleibt aus, denn es gibt einen feinen Unterschied.

Wertschätzung entfaltet ihre Wirkung erst, wenn sie echt ist und sich an die Person als Ganzes richtet. Sie knüpft damit an diesen ersten Moment unseres Lebens an. Wir alle haben eine einzigartige Persönlichkeit und besondere Fähigkeiten, diese gilt es zu sehen. Es ist eine Haltung, die sich durch ehrliches Interesse am anderen zeigt, durch Hinhören, Hinsehen und Einfühlen in dessen Situation. Dazu gehört nicht viel, schon eine Nachfrage oder ein Kompliment kann ein gutes Gefühl geben: „Wie geht es deiner Oma?“ oder „Was für eine schicke Jacke!“. Vor allem kleine Komplimente kommen nie aus der Mode, man muss sie nur in Worte fassen.

Fünf Wege der Wertschätzung

Wir alle haben Vorlieben, auf welche Art wir unsere Anerkennung ausdrücken. Was dazu führen kann, dass es beim gegenseitigen Wertschätzen zu Missverständnissen kommt. Der eine braucht das Schulterklopfen, bei dem anderen kommen wohlwollende Worte an. Das gleiche Prinzip gilt bei der ­Geringschätzung. Was für den einen ein normaler Umgangston ist, kann für den anderen schon herablassend wirken, was die Arbeitsbeziehung möglicherweise deutlich beeinträchtigt.

Daher passiert es immer wieder, dass die ausgesandte Wertschätzung gar nicht ankommt. Der Wertschätzungs-Sender und der Wertschätzungs-Empfänger sprechen sozusagen nicht die gleiche Sprache und wertschätzen aneinander vorbei. Das führt auf Dauer zu Frust auf beiden Seiten. Wem dieser Stolperstein bewusst ist, kann gezielt den passenden Weg der Wertschätzung wählen.

  • Gute Worte

Um Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen, fällt uns meist die verbale Form als Erstes ein. Dazu gehören anerkennende Worte, positives Feedback, das bereits erwähnte Kompliment und Lob, genauso wie ein „Danke“ oder die Bitte um einen guten Rat. Ihr Gegenüber merkt, wie aufrichtig es gemeint ist, und dies bestimmt darüber, ob das Gesagte auch ankommt oder eher auf Unverständnis stößt.

  • Gemeinsame Zeit

Eine weitere Möglichkeit ist die gemeinsam verbrachte Zeit. Womit nicht ein „Nebeneinanderher-Leben“ gemeint ist, sondern die gleichzeitige Zugewandtheit. In der Apotheke ist es das offene Ohr des Chefs, die gemeinsame Weihnachtsfeier oder das Gespräch unter Kollegen auf dem Heimweg.

  • Kleine Geschenke

Ein Ausdruck der Anerkennung sind kleine Geschenke, z. B. zum Geburtstag, zum Jubiläum oder einfach mal eine Schokolade zwischendurch. Es muss noch nicht einmal etwas Materielles sein. Entgegengebrachtes Vertrauen ist wohl eins der wertvollsten Geschenke. Verantwortungsvolle Aufgaben bekommen in Unter­nehmen nur die Mitarbeiter übertragen, die sowohl fachlich versiert als auch zuverlässig sind, meistens in Kombination mit einer ganzen Reihe an weiteren, die Persönlichkeit betreffenden Voraussetzungen.

  • Hilfsbereitschaft

Die gegenseitige Hilfsbereitschaft unter Kollegen oder Freunden empfinden viele als normal, sie ist aber ein deutliches Zeichen der Wertschätzung. Über den höflichen und respektvollen Umgang hinaus, geht es hier auch darum, im meist hektischen Alltag den Blick für die Bedürfnisse des Gegenübers zu haben. Braucht mein Kollege meine helfende Hand vielleicht im Moment mehr als ich selbst, weil meine Arbeit noch ­etwas Zeit hat, aber bei ihm wird es knapp? Wenn in solchen Momenten zusammengearbeitet wird, ist die Gesamtleistung des Teams schnell mehr als die Summe der Einzelleistungen.

  • Schulterklopfen

Das klassische Schulterklopfen zeigt sich in Frauenteams in etwas anderer Form. Durch Antippen, Abklatschen oder eine Umarmung bringen sie zum Ausdruck, wie wichtig ihnen der andere ist.

Generell gilt, dass Wertschätzung am sichersten ankommt, wenn direkt mehrere Wege gewählt werden, z. B. Pralinen mit einem kleinen Dank. Wichtig ist, dass der Mitarbeiter sich ganz persönlich angesprochen fühlt und den konkreten Anlass kennt. Im Gespräch kann Wertschätzung besonders gut wirken, wenn die ­Begeisterung in den Augen des Gegenübers zu sehen ist.

Ausblick: den eigenen Wert schätzen

Eine der schönsten Definitionen lautet: „Wertschätzung bedeutet, dass ich den Wert meines Gegenübers wie einen Schatz behandle.“ Wie etabliert man diese Haltung in Unternehmen? Ganz einfach: Fangen Sie bei sich selbst an. Fangen Sie an, sich selbst und selbstverständlich wertzuschätzen – was nichts mit einem überzogenen Ego zu tun hat. Es gibt keine Bedingungen dafür. Besonders, wenn Sie das Gefühl haben, dass in Ihrem Umfeld die Wertschätzungsmentalität nicht sehr ausgeprägt ist. Dann ist es umso wichtiger, selbst seinen Wert zu kennen und zu schätzen. Das gibt die Kraft, die eigene Ausdrucksform der Wertschätzung anderen gegenüber zu leben und abzugleichen, ob der andere sie auch als solche versteht. Gelebte Wertschätzung funktioniert in zwei Richtungen, sowohl der Wertschätzungs-Empfänger als auch der Wertschätzungs-Sender erfahren dadurch eine Stärkung ihres Selbstwert­gefühls – und das unabhängig von der hierarchischen Position im Unternehmen. Jeder hat die Möglichkeit, die Keimzelle eines respektvolleren Umgangs zu sein und damit auf die Unternehmenskultur einzuwirken. |

Anja Keck ist Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie, Filialleiterin, Coach (DGfC) und Systemische Be­raterin, www.anjakeck.de

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