Wirtschaft

Zwischen Götterdämmerung und Abendsonne

Apothekenwirtschaftsbericht auf dem 56. DAV-Wirtschaftsforum 2019

BERLIN (eda) | Die wirtschaft­liche Lage der Apotheken in Deutschland ist auch 2018 wieder ein sensibler Indikator für die Gesundheitspolitik gewesen. Claudia Korf, ABDA-Geschäftsführerin Ökonomie, und Dr. Eckart Bauer, Abteilungsleiter Wirtschaft und Soziales, erläuterten beim DAV-Wirtschaftsforum in Berlin, wie es um die Betriebsstätten aktuell steht und was die ambitionierten Gesetzesinitiativen von Jens Spahn im Gesundheitsmarkt verändern können.

Nur noch 19.337 Betriebsstätten – zum 31. März 2019 erreichte die Anzahl der Apotheken in Deutschland einen neuen Tiefstand. Außer­dem zeigt sich bei genauerer Betrachtung: 15 Jahre nach der Einführung des gelockerten Mehrbesitzverbots verändert sich auch die Struktur der Filialverbünde. Nach dem Aufwärtstrend der Jahre 2004 bis 2016 findet seit zwei Jahren ein Rückgang von Filial­verbünden statt, die aus der Hauptapotheke und einer Filiale bestehen. Von 2017 auf 2018 war es ein Rückgang von 2282 auf 2231 Hauptapotheken mit einer Filiale. Für die ABDA-Geschäftsführerin für Ökonomie, Claudia Korf, ist das ein deutlicher Hinweis darauf, dass das Prinzip der Filialisierung längst keine Ewigkeitsgarantie für wirtschaftlichen Erfolg mehr ist. Den Gesamtmarkt betrachtend, kam Korf zum Fazit: „Wenn nichts passiert, geht es so weiter, aber beschleunigt.“

Foto: ABDA/Peter van Heesen
Claudia Korf: Dynamisierung beim Dienstleistungshonorar zwingend erforderlich.

„Spahn haut alles raus“

Passieren wird sicher etwas unter dem amtierenden Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Offen bleibt jedoch, welche Folgen sich für das Apothekenwesen ergeben. Claudia Korf, die den Gesundheitsmarkt schon lange vor ihrer Zeit bei der ABDA aus dem Kassen­lager heraus analysierte, zeigte sich vom Engagement Spahns sichtlich beeindruckt: „Der haut alles raus, was in den Schubladen des Ministeriums seit zehn Jahren geschlummert hat.“

Ob Pflege, Prävention oder Krankenkassenmarkt – vieles könnten die Gesetzesinitiativen von Spahn verändern, wenn sie denn die parlamentarische Reise überstehen. Für die Apotheker könnte der Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken Götterdämmerung oder Abendsonne bedeuten, brachte es Korf auf den Punkt. Götterdämmerung deshalb, weil mit den neuen, honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen neue heilberufliche Kompetenz auf den Berufsstand zukommen könnte, die auch zur wirtschaft­lichen Basis einer jeden Apotheke beitrage. Abendsonne aber auch, weil ohne Dynamisierung und Aufwertung des Fixzuschlags viele Apothekenbetriebsstätten langfristig nicht mehr rentabel geführt werden könnten.

Tatsache ist, dass in den letzten zehn Jahren die Einnahmen der gesetzlichen Krankenkassen immer weiter gestiegen sind (2008: 163 Mrd. Euro, 2018: 241 Mrd. Euro), doch der Anteil des Apothekenhonorars an den GKV-Ausgaben immer kleiner wurde (2008: 2,6 Prozent, 2018: 2,2 Prozent).

Chancengleichheit und flächendeckende Einführung

Nach Meinung der ABDA gelinge der Umstieg auf pharmazeutische Dienstleistungen nur, wenn nach wie vor die Vergütung der Abgabe ihre Bedeutung hätte. Ökonomisch gesehen wünscht sich die Standesvertretung ein Zwei-Säulen-Modell, bei dem Packungs- und Dienstleistungshonorar gleichbedeutend für die Apothekenökonomie wären. Politische Voraussetzung sei die flächendeckende Einführung der Dienstleistungen und die Möglichkeit für jede Apotheke, solche besonderen Tätigkeiten anbieten zu können. Korf dazu wörtlich: „Jeder soll können, aber nicht müssen.“ Was beim Packungs­honorar seit Jahren nicht funktioniert, soll bei der Vergütung der Dienstleistung zwingend erforderlich sein: eine Dynamisierung. Das Geld solle „nicht über den Gartenzaun zur Apotheke geworfen werden“, sondern bewusst und wohl kalkuliert eingesetzt werden. Im Gegensatz zu den Plänen von Bundesgesundheits­minister Jens Spahn, die Dienstleistungen mit rund 150 Millionen Euro brutto zu vergüten, bringt die ABDA selbstbewusst 360 Millionen Euro ins Spiel – netto! Außerdem will man sich dafür einsetzen, dass die Mehrwert­steuer sowohl für Dienstleistungen als auch für Arzneimittel abgeschafft wird.

Außerdem interessant: Veranlasser von Dienstleistungen sollen nach Meinung der Standesvertretung nicht etwa die Ärzte oder Krankenkassen werden, sondern die Apotheken selbst. Bei der Frage, wer in den Apotheken konkret für die Dienstleistungen verantwortlich sein soll, will man sich dagegen nicht festlegen: Dienstleistungen sollen apothekenpflichtig sein und nicht apothekerpflichtig.

Immer weniger OTC-Absatz

Im vergangenen Jahr gaben die Apotheken in Deutschland 1,363 Mrd. Packungen ab, 2017 waren es noch zehn Millionen mehr. Anteilsmäßig machen Rx-Präpa­rate rund 54 Prozent und OTC-Produkte rund 46 Prozent aus. Vor fünf Jahren waren die Anteile noch nahezu äquivalent. „OTC geht zunehmend an den öffent­lichen Apotheken vorbei“, fasste Korf die Entwicklung zusammen. Daher sei es wichtig, dass die Vor-Ort-Apotheken im Bereich der Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ökonomisch gestärkt werden müssten. Durchschnittlich würden 81 Prozent des Umsatzes einer Apotheke vom GKV-Markt abhängen (Gesamtumsatz: 50,76 Mrd. Euro).

Wie im Apothekenwirtschafts­bericht üblich, präsentierte Korf auch die Entwicklungen in der Versandhandelsbranche. Im Vergleich zum Vorjahr sanken 2018 der Absatz (-0,9 Prozent) und Umsatz (-1,6 Prozent) mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Der Marktanteil liegt absatzbezogen bei 1,1 Prozent. Der Versandhandel mit OTC-Präparaten und Nichtarzneimitteln hingegen konnte sich 2018 deutlich weiterentwickeln mit 5,5 Prozent mehr im Absatz und 8,1 Prozent im Umsatz. Aktuell macht der Marktanteil absatzbezogen 13,6 Prozent aus (umsatzbezogen: 17,7 Prozent).

Apothekenbetriebsergebnis im Abwärtstrend

Rund 2,4 Millionen Euro setzten die Apotheken 2018 durchschnittlich um, mit dieser Aussage führte Dr. Eckart Bauer, Abteilungsleiter Wirtschaft und Soziales, in seinen Vortrag ein. Etwa 61 Prozent der Apotheken liegen unter dem Durchschnittswert. Auch wenn der Umsatz seit Jahren steigt: Auf das Betriebsergebnis der Apotheken hat diese Entwicklung kaum Einfluss.

So müssen rund 76 Prozent des Netto-Umsatzes für den Wareneinsatz aufgebracht werden. Während die sonstigen steuerlich abzugsfähigen Kosten seit Jahren abnehmen, stagnieren die Personalkosten seit mehr als 15 Jahren zwischen zehn und elf Prozent des Umsatzes (2018: 10,7 Prozent). Gemessen am Rohgewinn betrug der Personalkostenanteil 2018 rund 45 Prozent. Das Betriebsergebnis lag 2017 bei durchschnittlich 143.885 Euro, das entspricht genau sechs Prozent des Netto-Umsatzes. Seit Jahren stellt dies einen Abwärtstrend dar. |

Eine ausführliche Analyse des Apothekenwirtschaftsberichtes 2019 für das Jahr 2018 lesen Sie in der nächsten DAZ Nr. 20.

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