Management

Das tut man nicht!

Tabus am Arbeitsplatz Apotheke

Es gibt so manche Tabus in den Apotheken. Die meisten Regeln verstehen sich „von selbst“, andere sind durch die Chefin* ­vorgegeben. Was davon ist heute immer noch zeitgemäß und wann sollte man bewusst Tabus brechen? Von U. Jürgens

Tabu bedeutet ursprünglich auf Tonga „heilig“ und ist mit dem Verbot belegt, weiter einzudringen, etwas zu sagen, zu benutzen etc. Was ist sozial genehmigt und was nicht?

Auch in der Apotheke bestehen viele traditionelle unausgesprochene Gesetze, manche sind ­sinnvoll, andere nicht mehr zeitgemäß. Nicht jeder Betrieb hat die gleichen, mal ist es zum ­Beispiel verboten, das Büro der Chefin in ihrer Abwesenheit zu be­treten und dort etwas zu suchen, mal ist es erwünscht, weil das oberste Gebot lautet, dass ­niemand in ­seiner Arbeit aufgehalten werden sollte.

Unangebracht ist es klassischerweise, müßig zu sein. Selbst bei Erschöpfung bekommen wir ein schlechtes Gewissen dabei. In ­Momenten mit geringer Kundenfrequenz sich einfach mal hinzusetzen und ein bisschen aus dem Fenster zu schauen, gilt als abso­lutes Fehlverhalten. Doch gerade diese Zeiten sind zur Erholung wichtig, zudem fällt uns dabei oft etwas ein, was wir noch organisieren wollten und bisher vergessen haben, oder uns kommt eine Idee zu einem ungelösten betrieblichen Problem. In kleinen Momenten des Durchatmens werden wir wieder konzentrationsfähig und offen für neue Aufgaben. Beobachten Sie sich: Melden sich schon nach einer Minute Schuld- oder Minderwertigkeitsgefühle? Gesünder ist es allemal, sich kurze Zeiten absoluter Inaktivität zu reservieren, sei es am Arbeitsplatz in der Pause oder in Freizeit und Urlaub.

Foto: alephnull – stock.adobe.com
Dinge offen anzusprechen, die vor sich hinschwelen, ist besser, als darauf zu warten, bis etwas überkocht oder gar anbrennt. Aber solche Gespräche sind in vielen Apotheken ein Tabu.

Auch die Chefin darf ­kritisiert werden

Die Chefin zu kritisieren, gehört traditionellerweise ebenfalls nicht zum guten Ton. Leider geschieht es dennoch ständig: hinter ihrem Rücken! Was tun? Hier wäre es an der Chefin selbst, das Tabu zu brechen, indem sie sich auch mal bei den Mitarbeiterinnen Rat und Anregungen holt. Dazu gehört die Information, dass sie natürlich nicht alles umsetzen kann, aber zumindest gerne die Vorschläge und Ermunterungen hören möchte. Auch recht häufig: Die Chefin ordnet eine bestimmte Umgangsweise mit einem Problem an, die sich nicht umsetzen lässt oder sich sogar als negativ erweist. In all diesen Fällen sollten die Angestellten sich ein Herz fassen und Rückmeldung geben im Vertrauen darauf, dass die Chefin damit umgehen kann.

Ein ganz kleines, altes Tabu, das sich gerade von alleine auflöst, ist das private Telefonieren während der Arbeit. Früher gab es nur eine einzige Telefonleitung und alles Private während der Arbeit war dadurch sowieso ausgeschlossen, weil diese freigehalten werden musste. Heute hat fast jede Mitarbeiterin, zumindest die jüngere Generation, ihr Handy in der Tasche und ist jederzeit für ihre Familie da oder schaut auch schnell im Netz nach, um Kunden eine gewünschte Information zu geben. Hier ist es angeraten, sich im Team zu verständigen, wo die Grenzen für den privaten Handygebrauch sind.

Unsensibel ist nicht immer der, der ein Tabu bricht,sondern auch der, der ein Tabu mit Gewalt aufrechterhalten will, obwohl das Verfallsdatum abgelaufen ist.

Peter Becker

Über Geld reden oder nicht?

Wie sieht es mit Gesprächen im Team über das Gehalt aus? Durch die Tarifverträge ist es im Großen und Ganzen bekannt, aber wer weiß, ob nicht die eine oder andere zum Beispiel 10 Prozent mehr ausgehandelt hat? Hier gibt es Pro und Kontra. Allein die Vermutung, dass die Kollegin mehr verdient, kann schon zu Neid und Ablehnung führen. Insofern wäre eine Offenlegung besser, sie würde wilde Spekulationen verhindern. Auf der anderen Seite: Wenn tatsächlich vergleichbare Leistungen unterschiedlich vergütet werden, ist natürlich der Unzufriedenheit Tür und Tor geöffnet.

Eher ungeschickt und deutlich ­tabubrechend verhielt sich ein Apotheker aus meiner „Sammlung“: Statt einer Kollegin, die um eine Aufstockung gebeten hatte, einen Gehaltszuschlag oder andere Vergünstigungen zu gewähren, senkte er das Gehalt einer Mitarbeiterin, mit der er nicht zufrieden war, um eine Gehaltsdifferenz zu schaffen. Arbeitsblockaden und Frustration im Team sowie Kündigung durch die Betroffene waren die Folge.

Konflikte anzusprechen, ist ein häufig in Apotheken nistendes Tabu. Niemand traut sich oder fühlt sich zuständig. Selbst wenn es nicht gleich zum Erfolg führt, ist es immer ertragreicher, eine Lösung zumindest zu versuchen, als jahrelang alles unter den Teppich zu kehren und so eine zunehmende Lähmung des gesamten Betriebsablaufs zu manifestieren.

Die Autorin Silke Weinig gibt für schwierige Gespräche unter anderem folgende Tipps:

  • Überlegen Sie sich vorher, worin Ihr und vermutlich das Ziel des Gegenübers besteht. Welche Kompromisse wären denkbar?
  • Akzeptieren Sie Vorgesetzte in ihrer Rolle, auch wenn es schwerfällt, und verhalten Sie sich Ihrer eigenen Rolle gemäß.
  • Vermeiden Sie Kurzschlussreaktionen, wenn das Gespräch nicht nach Wunsch verläuft.
  • Erklären Sie ohne Umschweife, worum es geht und womit Sie Schwierigkeiten haben. Ver­meiden Sie Interpretationen und ­Urteile, bleiben Sie in der Ich-­Position.
  • Hören Sie Ihrem Gegenüber zu, wenn es seine Perspektive schildert.

Diese Tipps lassen sich grundsätzlich anwenden, wenn man Tabus anspricht, nicht nur bei konkreten Konflikten zwischen einzelnen Personen.

Expertenwissen bedeutet Macht. Das dazugehörige Tabu: Verärgere die Expertinnen nicht! Kolleginnen, die sich besser als andere mit der Software auskennen, als Einzige den Sprechstundenbedarf managen können oder über anderes Spezialwissen verfügen, sitzen am längeren Hebel. Eventuell lassen sie uns Abhängige im Regen stehen, wenn wir ihre Hilfe brauchen, sie aber gerade sauer auf uns sind. Kennzeichnend für die Expertinnen ist, dass bei ihnen Verhaltensweisen geduldet werden, die man anderen nicht durchgehen lässt. Jede versucht, die Spezialistinnen bei Laune zu halten. Man stellt eigene Vorhaben so ein, dass sie nicht mit den Interessen der Expertin kollidieren etc. Die Lösung liegt hier darin, nach und nach andere Teammitglieder besser auszubilden, schließlich sind auch Expertinnen mal krank, ­kündigen oder machen Urlaub.

Zum Dresscode gehören diverse Tabus. Dreckige Schuhe, Flecken auf der Kleidung, fehlende Knöpfe – alles was nachlässig ist, lässt auch auf nachlässiges Erledigen der Arbeit schließen. Das geht gar nicht in der Apotheke! Gleichzeitig: Total overdressed zu sein, führt ebenfalls zu Irritationen.

„Richtig“ angezogen zu sein, ­suggeriert Kompetenz, Zusammengehörigkeitsgefühl und verhilft uns auch zu einem besseren Selbstwertgefühl und mehr Sicherheit. Eine kleine Unterabteilung bei diesem Thema sind Körper- und Mundgeruch. „Das kann man ihr doch nicht einfach so sagen!“ Schon haben wir das nächste Tabu: einen anderen ­Menschen auf etwas an ihm ­Unangenehmes anzusprechen. Hier haben wir wieder eine Regel, die wir heute auf jeden Fall abschaffen sollten.

Junge Kollegen vorstellen

Ein Tabu seitens der Kunden bezieht sich auf sehr junge Team­mitglieder: „Junge Leute dürfen mich nicht bedienen, weil sie nichts wissen und mir nicht helfen können!“ Viele Kunden fragen gezielt nach älteren Kolleginnen oder der Chefin, weil sie meinen, dass diese IMMER mehr wissen und können. Wie gehen Sie damit als junger Mensch, der gerade neu in dieser Apotheke angefangen hat, um? Natürlich müssen Sie die verlangte Person holen, können aber in Hörweite bleiben und ­vergleichen, ob diese tatsächlich mehr zum Thema weiß. Entweder Sie lernen dazu oder Sie haben einmal mehr die Bestätigung zumindest für sich selbst, dass Sie auch ein profundes Fachwissen ­besitzen. Wenn Sie häufig ausgebootet werden, machen Sie es zum Teamgespräch. Eine Lösungsmöglichkeit: Die Erfahrene kommt mit nach vorne und stellt Sie dem Kunden vor, sodass er weiß, welch eine gute Ausbildung Sie haben. Dann stehen Sie nicht als Unbekannte da oder gelten gar als Schulpraktikantin. Wenn es für beide passt, ist es auch eine gute Methode, als Erfahrene den „Neuling“ beraten zu lassen und hinterher ggf. zu konstatieren: „Genau das Gleiche hätte ich auch gesagt.“

Literaturtipps:

Thomas Saller, Sebastian ­Mauder, Simone Flesch

Tabu – Versteckte Regeln und ungeschriebene Gesetze in Organisationen.

Haufe Verlag 2016

ISBN: 978-3-648-09074-9 



Silke Weinig

Mit schwierigen Menschen klarkommen. Wirksame Strategien gegen Choleriker, Dauernörgler und andere Nervensägen.

Humboldt Verlag 2019

ISBN 978-3-869-10111-8


Zu beziehen über:

Deutscher Apotheker Verlag, Birkenwaldstraße 44, 70191 Stuttgart
Telefon 0711 2582-341
Telefax 0711 2582-290
E-Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de

Bei einem Rezepturrezept kann die Erfahrene, die womöglich selbst gar nicht in der Herstellung arbeitet, zur Kundin sagen: „Moment, ich hole mal eben unsere Spezialistin“ und diese dann vor der Kundin befragen, wann die Rezeptur wohl fertig ist.

Seit Äonen mit einem Tabu belegt ist das Loben. Diese Regel können wir getrost in ihr Gegenteil verwandeln. Loben Sie als Chefin Ihre Mitarbeiterinnen und als Angestellte Ihre Chefin und Ihre Kolleginnen. Verschenken Sie mal ein Kompliment, wenn etwas gut gelungen ist, und realisieren Sie, dass auch die gewohnte Leistung nicht unbedingt selbstverständlich ist. Was schätzen Sie an Ihren Kolleginnen? Das muss kein Geheimnis bleiben, verraten Sie es doch und bringen Sie mehr Anerkennung und Freude ins Team!

Welche betriebsspezifischen Tabus gibt es in IHRER Apotheke? Tauschen Sie sich im Team darüber aus und überlegen Sie, was sinnvoll ist und was nicht. Folgende Fragen helfen dabei:

  • Wer darf nie oder muss immer was tun, unabhängig von den Regeln, die die Berufsausbildung vorschreibt?
  • Was ist in diesem Betrieb nicht erlaubt und womit haben Sie in einer anderen Apotheke aber gute Erfahrungen gemacht?
  • Was muss immer auf eine bestimmte Weise gehandhabt werden, die inzwischen verbesserungswürdig ist?
  • Welches Tabu ist schlicht und einfach ungesund?
  • Welches Tabu existiert noch nicht, Sie möchten es aber gerne einführen?

Belassen Sie es nicht bei einem oberflächlichen Gespräch, sondern verschriftlichen Sie die gefundenen Ergebnisse, vorausgesetzt, sie sind Ihnen wichtig. Vergewissern Sie sich von Zeit zu Zeit, dass sich alle daran halten. Es soll Ihnen doch gut gehen miteinander! |

Ute Jürgens

Ute Jürgens ist Kommunikations­trainerin mit Spezialisierung auf die Heilberufler, Dipl. Erwachsenenpädagogin und PTA, www.kommed-coaching.de


* Da die überwiegende Anzahl der Apothekenmitarbeiter weiblich ist, schreibe ich in der weiblichen Form. Männliche Kollegen dürfen sich gerne mit angesprochen fühlen.

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