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Management
Apothekenstrategie mit digitaler Steuerung
Wie Sie Lieferfähigkeit und Rentabilität steigern können
Eine betriebswirtschaftlich gut geführte Apotheke der Zukunft ist weitgehend digitalgestützt. Je früher betriebswirtschaftlich sinnvolle und für den Kunden nützliche Möglichkeiten der Digitalisierung genutzt werden, desto größer sind die Wettbewerbsvorteile für die einzelne Apotheke.
Eine tatsächliche Neugründung (in Abgrenzung zur reinen Übernahme) ist vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels, steigender Personalkosten und eines gleichbleibenden Rx-Packungs-Rohertrags nur sinnvoll mit einem Kommissionierautomaten. Die heute angebotenen Kommissionierer sind derart leistungsfähig, dass gut ausgebildete und erfahrene PTAs und PKAs nicht mit „Packungen schieben“ beschäftigt werden sollten. Ein Kommissionierer kann ca. 97 Prozent aller Packungen eines typischen Warenlagers aufnehmen. Mit der „automatischen Befüllung“ sind moderne Kommissionierer endgültig als Lagerlösung nicht mehr zu schlagen. Hinzu kommt, dass ein leistungsfähiger Kommissionierer verbunden mit einem leistungsfähigen (!) Warenwirtschaftssystem die Einführung fantastischer Steuerungsmöglichkeiten erlaubt.
Lieferquote steigt, Botendienst wird reduziert
Ein sehr gutes Warenwirtschaftssystem erlaubt auf der Basis eines Kommissionierers eine automatische Sortimentssteuerung, die es ermöglicht, mit relativ geringer Steigerung des Lagervolumens eine Lieferquote von 95 bis 97 Prozent zu erreichen. Dies sind nicht Werbezahlen einer Hightech-Firma, sondern empirische Daten einer real existierenden Apotheke. Eine weitere Steigerung ist möglich bei Berücksichtigung saisonaler Komponenten, was technisch machbar und in entsprechenden Softwareprogrammen als Angebot integriert ist.
Mit einer solchen Steuerung ist eine Kundenzufriedenheit erzielbar, die in konventionellen Apotheken kaum möglich ist. Es ist vorgekommen, dass eine Kundin mit Rezepten für ihre ganze Familie 17 von 17 verordneten Packungen auf einen Schlag erhalten hat und mitnehmen konnte. Der gesamte Vorgang dauerte weniger als sieben Minuten. Wenn die Kunden über Quartale hinweg andauernd solche positiven Erfahrungen machen, steigt die Kundenzufriedenheit gewaltig. Dass dem Ausdruck der Kundenzufriedenheit auch eine Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit folgt, muss nicht vertieft dargestellt werden. Ein weiterer sehr schnell einsetzender Pluspunkt ist: Das Packungsvolumen des Botendienstes sinkt deutlich, was zu erheblichen Kosteneinsparungen führen kann.
Der notwendige Lageraufbau hält sich in Grenzen. Wir reden bei einer im statistischen Sinne durchschnittlichen Apotheke und einer Steigerung der Lieferfähigkeit von ca. 80 Prozent auf ca. 95 Prozent von 20.000 bis 40.000 Euro zusätzlichem Lagervolumen. Einen Zinssatz von 4 Prozent unterstellt, liegt der Vor-Steuer-Aufwand bei maximal ca. 1600 Euro jährlich – bei schnell einsetzenden Einsparungen im Botendienst. Der Grund für den relativ geringen Lageraufbau liegt in KI = Künstlicher Intelligenz. Die Software kann nachfragegerecht steuern und zwar auf eine Weise, wie es kaufmännische und pharmazeutische Mitarbeiter niemals können werden.
Auch die Organisation inklusive der Streckenführung des Botendienstes und die Verwaltungsvorgänge (Empfangsbestätigung des Kunden) können mit digitalen Instrumenten optimiert werden.
Die hier dargestellte Technologienutzung ist ein radikal anderer strategischer Ansatz für eine Apotheke als die üblichen Kampfpreisstrategien für Frei- und Sichtwahlartikel. Der Anstieg profitablen (!) Umsatzes durch diesen Ansatz erfolgt langsam, aber recht stabil. Relativ schnell steigt der profitable Umsatz mit Privatpatienten, was möglicherweise an der besonderen Qualitätsorientierung dieses Kundenkreises liegt.
Virtuelle Sichtwahl als Konzept der Zukunft
Ein Kommissionierer ermöglicht es, auf Packungen in der Offizin komplett zu verzichten und diese durch eine „Virtuelle Sichtwahl“ zu ersetzen. Dieses Modell funktioniert ganz ausgezeichnet, wenn die Bildschirminhalte stimmig sind. Werden einzelne Kunden durch die Umstellung verunsichert, sollte man ihnen am praktischen Beispiel die Funktionsweise der Bildschirme kurz zeigen.
Der Vorteil einer aufgeräumten Offizin mit „Virtueller Sichtwahl“ – ohne Regale mit vollen oder (für Diebe) mit leeren Packungen – ist extrem: Der gesamte Personalaufwand für die Warenlagerpflege im Verkaufsraum entfällt ersatzlos. Zusätzlich entfällt die Diebstahlproblematik. Der Ersatz von Regalen durch funktionierende Bildschirme in einer Apotheke mit Kommissionierer und gutem Warenwirtschaftssystem ist im Ergebnis eine fantastische Lösung bei zunehmend knapperem und teurerem Personal und ermöglicht eine enorme Effizienzsteigerung.
Automatische Preissteuerung für Frei- und Sichtwahl
Ein weiterer Vorteil eines sehr guten Warenwirtschaftssystems kann eine automatische Preissteuerung im Frei- und Sichtwahlbereich sein. Zur Definition des Rohertrags können folgende Elemente einzeln oder in Kombination eingegeben werden:
a) Prozentuale Zuschläge, ggf. abgestuft nach Rohertragsgrößenordnungen
b) Feste Zuschläge (z. B. 1 Euro oder 1,50 Euro)
c) Mindest-Rohertrag (z. B. 1,80 Euro oder 2,50 Euro)
Es ist z. B. denkbar, für typische Billigartikel mit nicht grenzkostendeckenden Roherträgen einen Mindestrohertrag zu definieren und z. B. für Freiwahlartikel eine Abflachung des prozentualen Zuschlags ab einer bestimmten Rohertragshöhe vorzunehmen. Dies setzt ein sehr geschicktes „Feintuning“ und realistische Annahmen zur Preiselastizität (Veränderung der Nachfrage durch eine Preisänderung) der Artikel bestimmter Artikelgruppen voraus.
Grundlagen der Preispolitik
Neben der Zahl der Rx-Rezepte und der Kostenstruktur ist die Preispolitik in Bezug auf Frei- und Sichtwahlartikel ein entscheidendes Thema für die Rentabilität einer Apotheke. Die Preispolitik hat vor allem folgende Aspekte zu berücksichtigen:
a) Welcher Rohertrag ist zur Deckung der Grenzkosten von Verkauf und Lagerhaltung erforderlich?
b) Wie ist tatsächlich die Preiselastizität bezogen auf den einzelnen Artikel bezogen auf meine Apotheke?
Verkauf unter Grenzkosten?
Das Angebot von Artikeln unterhalb der beachtlichen Grenzkosten von Verkauf und der (bei entsprechender technischer Ausstattung geringeren) Grenzkosten der Lagerhaltung ist unwirtschaftlich. Manchmal ist ein Verkauf unterhalb der Grenzkosten dennoch notwendig, etwa bei Pflastern, die aus Kundensicht in einer Apotheke angeboten werden müssen und die einfach schon aus Imagegründen nicht sehr teuer verkauft werden können.
Das Gleiche gilt, wenn die Grenzkosten von Verkauf und Lagerhaltung einer Apotheke extrem hoch sind und z. B. bei 4,00 Euro liegen. Ein Ziel-Rohertrag von 4,00 Euro als Zuschlag zum Einkaufspreis ist bei einer sehr großen Zahl von Artikeln einfach nicht durchsetzbar und würde nur den Ruf der Apotheke generell schädigen. Hier zwingt (!) die Situation zu Rationalisierung, wenn nicht mindestens 5 bis 12 Prozent der Verkäufe unrentabel sein sollen.
Preisanhebung bei Billigartikeln
Gleichwohl ist es betriebswirtschaftlich richtig, vor allem Preise mit sehr geringem Rohertrag anzuheben. Gute Beispiele hierfür sind abschwellende Nasensprays. Nasensprays ohne Wirkstoff werden in Drogerien häufig teurer verkauft als Nasensprays mit Wirkstoff in Apotheken. Das ist unwirtschaftlich und zudem gesundheitspolitisch nicht sinnvoll, da Nasensprays ein gewisses Missbrauchspotenzial haben, das nicht durch Preisdumping in der Apotheke gefördert werden sollte.
Man könnte z. B. (am besten gesteuert durch automatische Sortiments- und Preissteuerung) folgende Preise ansetzen:
- Nasenspray Ratiopharm, 5,50 Euro
- Nasenspray AL, 4,50 Euro
Dem Autor ist bewusst, dass viele Apotheker solche (vielfach nicht voll kostendeckenden) Preise unerhört hoch finden, aber die uns vorliegenden empirischen Ergebnisse sind eindeutig:
a) Die Packungszahl und damit auch die Kosten reduzieren sich.
b) Der Rohertrag in Euro steigt massiv.
c) Die Zahl der Kunden aus der Kategorie „Abhängigkeit von frei-verkäuflichen Arzneimitteln“ reduziert sich. Sie weichen auf Billig-Apotheken und bzw. oder den Versandhandel aus.
Bezogen auf Nasenspray AL kann es bei einer Preiserhöhung von 1,50 Euro auf 4,50 Euro passieren, dass innerhalb eines Jahres die Zahl der verkauften Packungen um 57 Prozent sinkt, der Rohertrag in Euro jedoch um 164 Prozent steigt. Das Ergebnis ist fantastisch und heilberuflich absolut vertretbar. (Die Produktivität steigt ja noch viel stärker als der gestiegene Rohertrag dies anzeigt, weil durch die Reduzierung der Packungszahl – bei mehreren Artikeln mit gewissen Volumina – auch Personalkosten gesenkt werden können.)
Warum tritt dieses Ergebnis ein? Die Antwort ist einfach: Die Preiselastizität ist in diesem Fall (und in dieser Preisspanne) weit unter 1 und das sogar bei Apotheken, die eine Konkurrenzapotheke nur wenige Hundert Meter weiter aufweisen. Zugleich zeigt es, dass es wirtschaftlicher Unfug ist, einen Preiskampf zu starten
a) bei apothekenpflichtigen Artikeln gegen stationäre Wettbewerber und Versandhandel sowie
b) bei Freiwahlartikeln gegen stationäre Wettbewerber, Versandhandel, Lebensmittelmärkte, Discounter und insbesondere Drogerien.
Eine gut organisierte und fachlich gut aufgestellte Apotheke mit hoher Beratungs- und Dienstleistungsqualität sollte erst gar nicht in Preiskämpfe einsteigen. Es ist praktisch unmöglich, bei höheren Stückzahlen im Preiskampf gegen Versender und Drogerien zu gewinnen. Es ist bekannt, dass Versender in der Regel eine außerordentlich schlechte Beratungsqualität haben; die Stiftung Warentest hat dies erst kürzlich festgestellt. Wer dort antritt, befindet sich als guter Apotheker schlicht auf dem falschen Gefechtsfeld.
Die Entwicklung und die Umsetzung eines Preissteuerungs-Systems sind nicht einfach. Es ist sinnvoll, etwa 15 bis 20 Kategorien zu definieren. Die Vorteile nach einer Umsetzung liegen auf der Hand, zumal das System bei Preisänderungen im Einkauf automatisch (!) reagiert. Der Kontrollaufwand für das kaufmännische Personal in der Apotheke wird hierdurch stark reduziert.
Die Kombination aus einem modernen Kommissionierer, einer automatischen Preissteuerung, einer automatischen Sortimentssteuerung und einer Lieferfähigkeit von 95 Prozent führt zu betriebswirtschaftlich optimalen Ergebnissen. Zukunftsgerichtete Apotheker sollten sich auf den Weg machen und die sich hierdurch ergebenden Synergieeffekte nutzen. |
Zum Weiterlesen
Den Beitrag „Kampfpreise unterhalb der Grenzkosten? Was Apotheker bei ihrer Wettbewerbsstrategie beachten sollten“ von T. Michaelis finden Sie in AZ 2018, Nr. 52, S. 6
Lesen Sie auch unseren „Schwerpunkt Apotheken modernisieren“ in DAZ 2018, Nr. 41, S. 55 unter anderem mit Beispielen zu einer virtuellen Sichtwahl und moderner Lagerautomatisierung.
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