Gesundheitspolitik

Dronabinol bei massivem Untergewicht

LSG Darmstadt verpflichtet Krankenkasse zur vorläufigen Kostenübernahme

BERLIN (ks) | Eine Versorgung mit medizinischem Cannabis auf Kassenkosten ist nur unter engen Voraussetzungen möglich. Ist offen, ob diese Voraussetzungen wirklich vorliegen, kann dennoch ein Anspruch bestehen. Das hat jedenfalls das Landessozialgericht (LSG) Darmstadt in einem Eilverfahren entschieden. Bis das Gericht den Rechtsstreit in der Haupt­sache entschieden hat, muss die Kasse die Kosten für Dronabinol vorläufig übernehmen. (Beschluss des LSG Darmstadt vom 18. Juli 2019, Az.: L 1 KR 256/19 B ER)

Grundsätzlich kann ein schwer erkrankter GKV-Versicherter mit dem THC-Arzneimittel Dronabinol versorgt werden, wenn entweder eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht oder eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht. So bestimmt es § 31 Abs. 6 SGB V.

Nun hat das LSG Darmstadt entschieden, dass selbst wenn diese Voraussetzungen nicht nachgewiesen sind, in einem gerichtlichen Eilverfahren ein Anspruch bejaht werden kann. Bei der in einem solchen Verfahren vorzunehmenden Folgenabwägung komme der körperlichen Unversehrtheit nämlich besondere Bedeutung zu und aus Sicht der Richter wiegt diese hier schwerer als die wirtschaftlichen Interessen einer Kasse, für Dronabinol nicht zahlen zu müssen – jedenfalls vorübergehend.

44 Kilo bei 1,80 Meter

Konkret ging es um einen 19-Jährigen, der seit seiner frühen Kindheit an einer seltenen Darmerkrankung leidet, die massive Bauchkrämpfe verursacht. Aufgrund der schweren Schmerzen wurde er unter anderem mit Opioiden behandelt. Dabei entwickelte er eine Opioidabhängigkeit sowie eine Unterernährung. Im Jahr 2017 lag sein Body-Mass-Index (BMI) bei 16. Im September 2018 wurde ihm eine Therapie mit Dronabinol zur Besserung der Schmerzen, des Appetits und des Schlafs empfohlen. Seine Krankenkasse lehnte die Versorgung wegen der Gefahr einer Abhängigkeit von Cannabis ab – schließlich liege ja schon eine Suchterkrankung vor.

Der Patient legte erfolglos Widerspruch ein und klagte sodann gegen die Kasse. Zugleich machte er seine Forderung nach einer Dronabinol-Therapie, die er als Hartz-IV-Empfänger nicht selbst bezahlen kann, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend. Denn bis über die Klage entschieden ist, kann einige Zeit ins Land gehen. Und sein Untergewicht bessert sich nicht: Der BMI liegt mittlerweile bei unter 14 – er bringt 44 Kilogramm bei 1,80 Meter Körpergröße auf die Waage. Doch das Landgericht wies den Eilantrag zunächst zurück. Nun hat das LSG anders entschieden. Es verpflich­tete die Krankenkasse, den Mann vorläufig für ein Jahr, längstens jedoch bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren, mit Dronabinol zu versorgen.

Zwar sei nicht geklärt, ob wirklich keine anderen Leistungen mehr zur Verfügung stehen bzw. nicht mehr zur Anwendung kommen können. Unsicher sei auch, ob die Cannabis-Medizin eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf haben werde. Dies zu ermitteln sei Sache des Gerichts im Hauptsacheverfahren.

Das Gericht verweist auch darauf, dass laut behandelndem Arzt eine zunächst mittels Privatrezept durchgeführte Dronabinol-Behandlung die Schmerzen reduziert und eine Gewichtszunahme bewirkt habe. Es solle daher ein Behandlungsversuch über einen längeren Zeitraum erfolgen, damit die Wirkung der Dronabinol-Therapie auf den Krankheitsverlauf bzw. die schwerwiegenden Symptome beurteilt werden könne. |

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