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- AZ 34-35/2019
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Gesundheitspolitik
Fremdbesitz im Visier
EuGH urteilt zu österreichischen Regelungen für Patentanwälte und Tierärzte
Es war ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Österreich, über das der EuGH zu entscheiden hatte. Die Bundesrepublik, selbst stets bedacht auf ihre Freiberufler, hatte ihr Nachbarland als Streithelferin unterstützt. Dennoch ging es nicht gut für Österreich aus. Gestritten hatte man um verschiedene Vorschriften für Tierärzte, Patentanwälte und sogenannte Ziviltechniker (Architekten, Ingenieure). Unter anderem missfiel der Kommission, dass Berufsgesellschaften von Ziviltechnikern und Patentanwälten ihren Sitz in Österreich haben müssen. Zudem hielt sie die Anforderungen an die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen für Architekten, Ingenieure, Patentanwälte und Tierärzte für übermäßig. Um bei den Tierärzten zu bleiben: Zum Betreiben einer tierärztlichen Praxis oder einer privaten Tierklinik sind nach österreichischem Recht nur berufsberechtigte Tierärzte oder Gesellschaften, deren Gesellschafter berufsberechtigte Tierärzte sind, berechtigt. Eine Beteiligung Berufsfremder an einer Tierärztegesellschaft ist nur für stille Teilhaber möglich.
Verstoß gegen EU-Dienst-leistungsrichtlinie
Nun entschied der EuGH, dass Österreich gegen seine Verpflichtungen aus der EU-Dienstleistungsrichtlinie verstößt, indem es seine von der Kommission bemängelten Regelungen aufrechterhält. Drei Voraussetzungen müssen nämlich erfüllt sein, will ein Mitgliedstaat die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit in seinem Land von Anforderungen abhängig machen: Diese Anforderungen dürfen nicht diskriminierend sein, sie müssen zudem erforderlich, das heißt durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt und verhältnismäßig sein, also nicht durch weniger einschneidende Mittel ersetzt werden können. Zwar hielt der EuGH die Regelungen zu den möglichen Gesellschaftsbeteiligungen für nicht diskriminierend – doch mit den weiteren Voraussetzungen hatte er seine Probleme.
Richtlinie gilt nicht für Gesundheitsdienstleistungen
Was bedeutet das nun für die betroffenen Berufe – und die Apotheken? Grundsätzlich ist mit dem Urteil einmal mehr eine Lanze für die von der EU verfolgte Deregulierung bei den Freien Berufen gebrochen. Aus Apothekersicht ist aber wichtig: Die hier entscheidende EU-Dienstleistungsrichtlinie gilt ausdrücklich nicht für Gesundheitsdienstleistungen. Die Tätigkeiten von Tierärzten sind hingegen erfasst. Österreich sah das zwar anders, doch der EuGH verwies auf die Erwägungsgründe zur Richtlinie und kommt zum eindeutigen Schluss: Die hier normierte Ausnahmeregelung ist eng auszulegen und betrifft nur Gesundheitsdienstleistungen, die sich auf die menschliche Gesundheit beziehen.
Was die Tierärzte betrifft, so verweist der EuGH weiterhin auf seine Entscheidung, die er im März 2018 zu rumänischen Regelungen für Veterinäre getroffen hat. Auch hier ging es um ein Fremdbesitzverbot. Dort, wie auch im österreichischen Fall, befanden die Richter das konkrete Verbot zwar nicht für europarechtskonform. Aber das bedeutet nicht, dass Kapitalgeber von außen generell das Ruder übernehmen dürften. So hält der EuGH nationalstaatliche Anforderungen, wonach am Vermögen von Tierärztegesellschaften ausschließlich Berufsangehörige beteiligt sind, durchaus für geeignet, „die Gefahr zu verringern, dass solche Gesellschaften Geschäftsstrategien verfolgen, die das Ziel des Gesundheitsschutzes sowie die Unabhängigkeit der Tierärzte beeinträchtigen können“. Aber: Die legitime Verfolgung dieser Ziele könne nicht rechtfertigen, dass Wirtschaftsteilnehmern die Beteiligung an Tierärztegesellschaften „völlig unmöglich“ gemacht werde, wenn sie nicht selbst Tierärzte sind. Die Tierärzte könnten über die Gesellschaften auch dann eine wirksame Kontrolle ausüben, wenn sie nicht das gesamte Gesellschaftsvermögen halten würden. Immerhin erkennt der EuGH also: Es ist wichtig, dass die Fachleute hier letztlich das Sagen haben.
Interessant ist das Urteil zudem wegen seiner Ausführungen zur Beweislast: Zwar obliege einem Mitgliedstaat, der sich zur Rechtfertigung einer von ihm ergriffenen Regelung auf einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses beruft, der Nachweis, dass die Regelung geeignet und erforderlich ist, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Doch weiter heißt es: „Diese Beweislast darf aber nicht so weit gehen, dass dieser Mitgliedstaat positiv belegen müsste, dass sich dieses Ziel mit keiner anderen vorstellbaren Maßnahme unter den gleichen Bedingungen erreichen ließe. Ein solches Erfordernis liefe nämlich in der Praxis darauf hinaus, den betreffenden Mitgliedstaat seiner Regelungsbefugnis in dem fraglichen Bereich zu entheben.“ Das klingt ganz anders als beim EuGH-Urteil vom 16. Oktober 2016. |
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