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Gesundheitspolitik
Ein Fall für Karlsruhe?
Berufungsverhandlung im „Amazon“-Verfahren
Der Münchener Apotheker Hermann Vogel Jr. kämpft dafür, dass sensible Patientendaten nicht in falsche Hände geraten. Er ist überzeugt: Wer bei einer Arzneimittelbestellung im Internet solche Gesundheitsdaten preisgibt, muss vorher aufgefordert werden, in ihre weitere Nutzung einzuwilligen. „Erst fragen, dann speichern“ – das forderten auch die Berufsordnungen der Apotheker, betont Vogel. Doch genau dies geschieht nicht, wenn ein Kunde Medikamente über den Amazon-Marketplace bei einer Versandapotheke bestellt. Und das hält Vogel für höchst problematisch. Er hat deshalb vor einiger Zeit eine Reihe von Apotheken mit Versandhandelserlaubnis und Auftritt im Amazon Marketplace abgemahnt, gegen zwei führt er nun Gerichtsverfahren.
In erster Instanz gingen die beiden Verfahren unterschiedlich aus: Das Landgericht Dessau-Roßlau bejahte im März 2018 einen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen: Der Vertrieb apothekenpflichtiger Medikamente über den Amazon Marketplace sei unzulässig, solange nicht sichergestellt werde, dass der Kunde beim Bestellvorgang seine ausdrückliche Einwilligung in die Verarbeitung von Gesundheitsdaten erteile. Der beklagte Apotheker hat den Verkauf über die Handelsplattform bereits eingestellt – auch wenn es noch kein rechtskräftiges Urteil gibt. Das Landgericht Magdeburg wies Vogels Klage in einem gleich gelagerten Fall hingegen ab. Dem Oberlandesgericht Naumburg liegen nun beide Berufungen vor, über die es am 17. September gemeinsam verhandelt hat.
Wer macht das Angebot zum Kauf?
Das Gericht hatte nach einer ersten Verhandlung im Dessauer Fall einen rechtlichen Hinweis gegeben, dass das „Angebot“ auf dem Amazon Marketplace gar kein Angebot im Rechtssinn sei, sondern erst die Aufforderung an den Kunden, ein solches Angebot abzugeben – Juristen ist diese Konstellation als „invitatio ad offerendum“ bekannt. Damit gehe die Aufforderung für einen Vertragsabschluss vom Kunden aus. Wenn das so wäre, könnte darin möglicherweise auch schon das Einverständnis des Käufers zu sehen sein, dass Amazon und die Apotheke die gesundheitsbezogenen Daten nutzen können. Vogels Anwälte Markus Bahmann und Valentin Saalfrank sowie er selbst sehen das allerdings anders. Die Anwälte betonten: Das Angebot für den Vertragsschluss könne gar nicht vom Kunden kommen, sondern stets nur vom Apotheker – und zwar nachdem dieser entschieden hat, ob das Präparat überhaupt geeignet für den Kunden ist und ihn entsprechend beraten hat. Alles andere sei systemwidrig und widerspreche der Kontrollfunktion des Apothekers.
Die Gegenseite meint hingegen, es liege sehr wohl erst eine Einladung für ein Angebot vor: Der Kunde klickt, legt das Arzneimittel in den virtuellen Warenkorb und macht damit ein Angebot, das der Apotheke von Amazon übermittelt wird. Dann könne die Apotheke sehen, ob sie es annimmt oder nicht. Und für Vogel liegt genau da das Problem: Niemand fragt den Kunden, ob seine gesundheitsbezogenen Daten gespeichert und genutzt werden dürfen.
Ungeklärtes Geschäftsmodell
Während die beiden Parteien hier klare Gegenpositionen vertraten, zeigte sich das Gericht selbst zurückhaltend: „Egal wie wir entscheiden, es wird vor den Bundesgerichtshof gehen“, erklärte der Vorsitzende Richter. Einer der Beisitzer stellte klar, dass man es mit einem „Normengeflecht“ zu tun habe: Berührt seien datenschutzrechtliche Vorschriften, aber auch solche des Apotheken- und Arzneimittelrechts – vor allem gehe es aber um die Gesundheit. Die Zulässigkeit eines solchen Geschäftsmodells sei noch nicht geklärt, weshalb auch er von einer Entscheidung in Karlsruhe ausgeht.
Eine neue Dimension?
Rechtsanwalt Bahmann verwies zudem auf die „neue Dimension“, die die Fälle dadurch bekommen haben, dass sich die NRW-Datenschutzbehörde mittlerweile Versandapotheken vornehme, die über den Amazon Marketplace verkaufen (AZ Nr. 38, 2019, S. 1 f.). Selbst der Bundesverband Deutscher Versandapotheken weise seine Mitglieder darauf hin, dass das Modell auf der Kippe stehe, so Bahmann. Der Anwalt der Gegenseite im Magdeburger Fall sieht die jüngsten Aktionen aus NRW jedoch weniger kritisch. Er selbst sei in Kontakt mit der Datenschutzbehörde von Sachsen-Anhalt und kenne von dort solche Bestrebungen nicht.
Vogels Rechtsanwalt Saalfrank wies weiterhin auf apotheken- und arzneimittelrechtliche Vorschriften hin, die beim Verkauf über den Amazon Marketplace zu kurz kommen: So obliegen dem Apotheker nach § 7 Apothekengesetz Pflichten, die er gar nicht mehr kontrollieren kann, wenn Amazon eingeschaltet ist. Für viele Waren mag das Amazon-Modell passen – nicht aber für Apotheken und Arzneimittel, betonte Saalfrank.
Nun heißt es abwarten. Die Naumburger Richter selbst betonten, dass man auch nach einer Verhandlung noch weiter denke. Sie haben ihre Urteile für den 2. und den 24. Oktober angekündigt – wobei sie sich schon gleich vorbehielten, den ersten Verkündungstermin gegebenenfalls nochmals zu verschieben. |
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