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Management

Ich versteh Dich nicht!

Kommunikation: Berichtssprecher versus Beziehungssprecher

Unterschiedliche Kommunikationsstile führen häufig zu Missverständnissen im Team oder mit Kunden. Von typisch männlich und typisch weiblich kann man aber dabei nur bedingt sprechen, eher von maskulinen und femininen Verhaltenstendenzen. Wie kommen wir bei unterschiedlichen Verhaltensmustern auf die gleiche Wellenlänge? / Ute Jürgens

Je nachdem, wie wir veranlagt und in welchem Umfeld wir aufgewachsen sind, aber auch was uns vorgelebt wird, entwickeln wir tief verankerte Präferenzen in unserer Ausdrucksweise. Wer an einer guten Zusammenarbeit interessiert ist, sollte sich der eigenen Verhaltensmuster bewusst sein und sich für gegensätzliche öffnen, damit ein Austausch gelingen kann.

Dabei unterscheidet man zwischen einer überwiegend weiblichen Art zu kommunizieren, die auf die Beziehung zum Gegenüber Wert legt, und einer als männlich bezeichneten Berichtssprache, wobei beide Kommunikationsstile sowohl bei Männern als auch bei Frauen anzutreffen sind. Die „Beziehungssprecher“ erarbeiten lieber gemeinsam mit anderen eine Meinung, beziehen gerne das Wissen des Gegenübers mit ein und entscheiden zusammen, wie es weitergehen soll. Dagegen stellen die „Berichtssprecher“ überwiegend (vermeintliche) Tatsachen in den Raum und sind nicht auf einen Austausch, eine Diskussion oder ein gemein­sames Entwickeln einer Idee oder Vorgehensweise erpicht. Es bestehen also ganz unterschiedliche Ziele in der Kommunikation. Einmal werden Kontakt und Nähe gesucht, Anregungen gesammelt und etwas Gemeinsames erschaffen, mit dem möglichst alle einverstanden sind, und das Reden ist hier ein Teil des Denkprozesses. Das andere Mal haben wir es mit einer fertigen Ansicht zu tun, die alleine erdacht oder von außerhalb übernommen wurde, aber als alleingültig angesehen wird.

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Manchmal läuft es richtig gut, man versteht sich, und dann gibt es auch Menschen, mit denen klappt es partout nicht. Egal ob Patienten oder Kollegen. Vielleicht liegt es daran, dass unterschiedliche Ziele verfolgt werden: der eine möchte gerne noch eine Meinung hören (Beziehungssprecher), der andere hat klare Fakten im Blick (Berichtssprecher).

Wo begegnet uns das in der Apotheke? Ein Beispiel: Endlich soll ein automatisches Salbenmischgerät angeschafft werden. Zwei PTAs haben sich über die unterschiedlichen Systeme informiert. Als sie das Thema ansprechen, meint der Chef, der nie selbst Rezepturen anfertigt: „Ich habe bereits Gerät A bestellt, das ist das Beste!“ Die Mitarbeiterinnen* sind frustriert, sie hatten eine andere Präferenz. Als sie es vorsichtig äußern, meint der Chef: „Das Thema ist durch, ich möchte damit jetzt keine Zeit mehr verlieren!“ und wendet sich ab. Ganz anders würde ein „Beziehungssprecher“ – gleichgültig ob Mann oder Frau – handeln. Die PTAs bringen das Thema zur Sprache und hören: „Oh, da bin ich neugierig, welches Gerät gefällt Ihnen denn am besten und warum? Wie sieht es preislich aus?“ Hier fühlen sich die beiden Angestellten ernst genommen und behalten ihren Schwung und ihre Motivation.

Auch Menschen, die die gleiche Sprache sprechen, sprechen nicht immer die gleiche Sprache.

Willy Meurer

Woran erkennt man den Kommunikationsstil?

Wer sich positionieren und seine Ansicht präsentieren will, nutzt Formulierungen, die keine andere Interpretation zulassen: „So ist es. Punkt.“ Wer eher in der Welt der Beziehungskommunikation unterwegs ist, drückt sich mit Fragen aus, mit der Andeutung von Möglichkeiten und Eventualitäten, gebraucht mehr Wörter und Nebensätze. Er lässt Spielraum und Weiterentwicklung zu. Der Managementberater und Dozent Kishor Sridhar über Beziehungssprecher: „Ihre Art zu reden, ist eine Einladung an den anderen, am Gedankenbildungsprozess mitzuwirken.“

Ein Beispiel aus dem HV: Eine Kundin fragt nach einer Wund­salbe. Die „Berichtssprecher“-PTA greift ins Regal und meint freundlich und gleichzeitig lakonisch: „Diese ist für Sie geeignet!“ Sie scannt die Packung ein und nennt den Preis, erachtet den ­Prozess als abgeschlossen. Eine „Beziehungs­sprecher“-PTA stellt der Kundin noch ein paar Fragen und sucht etwas mit ihr zusammen aus. Dieses Verhalten käme allerdings bei einer „Berichts­sprecher“-Kundin nicht so gut an. Sie fände die erste Variation besser, wird bei der zweiten ­vielleicht ungeduldig und überlegt: „Warum fragt die so viel, ich habe doch gesagt, was ich möchte, warum kann sie mir das nicht einfach geben?“ Sie schaltet schnell ab und antwortet kaum, die PTA empfindet sie womöglich als mürrisch. Oder sie bekommt gar den Eindruck, die PTA sei ­unsicher und unfähig zu klaren Entscheidungen, sie deutet diese Art der Kommunikation also als Schwäche. Umgekehrt kann es sein, dass die „Berichtssprecher“-PTA eine „Beziehungssprecherin“ als Kundin gegenüber hat, die sich gerne noch länger ausgetauscht und mehr Informationen gewünscht hätte. Auch hier missglückt das optimale Verkaufsgespräch.

Unsere Chance und Aufgabe: ­Werden Sie sich klar, zu welchem Kommunikationstyp Sie gehören und wer Ihnen gegenübersteht, stellen Sie sich auf ihn ein. Das gilt für alle Bereiche: Team, Kunden, beruflich und privat.

Die Beziehungssprache ­lernen

Als „Berichtssprecherin“ profitieren Sie, wenn Sie sich an den anderen Typus anpassen:

  • Ändern Sie Ihre Erwartungs­haltung! Lassen Sie sich auf die Diskussion Ihrer Standpunkte ein, sodass schließlich alle die Ergebnisse mittragen, statt sich überredet zu fühlen und nicht mitzuziehen.
  • Unterlassen Sie absolute Aussagen, nutzen Sie lieber Anregendes wie: „Ich könnte mir ­vorstellen, dass …“, „Was halten Sie davon, wenn …?“ oder „Wir könnten xy ausprobieren …“.
  • Bauen Sie eine Beziehungsebene auf, indem Sie nach der Meinung des Gegenübers fragen und ­diese akzeptieren, ohne sie zu widerlegen oder als falsch zu brandmarken.
  • In der Berichtssprache wird ­normalerweise nur geschlossen abgefragt: „Hat das jeder verstanden, hat jemand etwas da­gegen?“ Besser ist ein: „Wer fühlt sich damit nicht wohl?“, „Wer hat Lust dazu?“ – das Eingehen auf Gefühle ist angesagt, in positiver und offen einladender Weise.
  • Wenn Sie nicht sofort Zustimmung bekommen, reden Sie nicht vehement auf Ihr Gegenüber ein, sondern bleiben Sie ­offen: „Überlegen Sie es sich in Ruhe“, „Welche Ideen haben Sie dazu?“ oder „Was daran können Sie nicht verstehen oder akzeptieren?“.
  • Unterlassen Sie das Kontern und den Gebrauch von Killerphrasen. Beides unterbricht den Kontakt, Ihr Gegenüber steigt aus dem Boot und Sie sind alleine unterwegs.

Vorteile: Als „Berichtssprecherin“ bekommen Sie Ideen und mehr Hintergrund, was Sie vorher, als Sie alles alleine überlegt haben, nicht hatten. Oft genug führt dies zu einem besseren Ergebnis.

Die Berichtssprache lernen

Tipps für „Beziehungssprecherinnen“ im Umgang mit dem anderen Typus:

  • Verwenden Sie kurze, klare ­Sätze. Kommen Sie schnell auf den Punkt.
  • Kündigen Sie gleich zu Beginn des Gesprächs an: „Ich komme ohne Umschweife zum Kern“, „Ich teile ihnen direkt das Ergebnis mit“.
  • Bringen Sie zu den Argumenten Fakten ein, kurz und knapp.
  • Stellen Sie Zusammenhänge ­dar: „Wenn …, dann …“
  • Sprechen Sie mit Struktur, benennen Sie eine Gliederung: „Ich möchte diese drei Punkte mit Ihnen besprechen …, das dauert zehn Minuten“, „Ich möchte mit Ihnen das Lokal für die Weihnachtsfeier abstimmen, es gibt drei Vorschläge mit Favorisierung des Teams“.
  • Vorsicht mit Kritik, Nachfragen und Empfehlungen. Der „Berichtssprecher“ fühlt sich schnell bedroht und abgelehnt. Daher starten Sie am besten mit einer positiven Bemerkung: „Du bist doch total fit mit …, deswegen wollte ich gerne wissen, wie du xy handhaben würdest/wie du auf diese Idee gekommen bist.“ Oder: „Du denkst doch immer sehr umsichtig, was machen wir, wenn …“ Hinter „wenn“ verstecken Sie Ihre Einwände.

Vorteile: Die „Beziehungssprecherin“ spart Zeit, bekommt eine durchdachte Meinung statt den Start des Denkprozesses zu fassen und lernt noch besser, sachlich zu argumentieren.

Besonderheiten in der Führung

Treffen im Team „Berichtssprecher“ und „Beziehungssprecher“ aufeinander, kommt es schnell zu Missverständnissen, wie das nachfolgende Beispiel zeigt. Eine „Berichtssprecher“-Chefin sagt: „Wir müssen mal wieder zusammen reden.“ Die „Beziehungssprecherin“ im Team denkt an einen Plausch, neue Informationen, einen gemeinsamen Ausflug. Eine Angestellte aus der Liga der „Berichtssprecher“ dagegen versteht, was hier gemeint ist: das Mitarbeitergespräch. Sie stellt sich auf Kritik ein, sammelt ihre eigenen Anliegen, die sie ansprechen möchte, und überlegt, mit welchen Leistungen sie punkten kann. Sie geht vorbereitet in das Gespräch.

Aufgabe der Chefin wäre es hier, der „Beziehungssprecherin“ vorher klar zu sagen, worum es bei dem Treffen geht und worüber sie sich schon einmal Gedanken machen kann. Sonst sind beide frustriert, weil ihre Erwartungen in dem Gespräch nicht erfüllt werden sowie Zeit und Chancen vertan sind.

Literaturtipp

Kishor Sridhar

Frauen reden, Männer machen? Wie wir aus der Klischeefalle ­ausbrechen und besser ­zusammenarbeiten.

Gabal Verlag, 2017,

ISBN 978-3-86936-796-5

Zu beziehen über:

Deutscher Apotheker Verlag

Birkenwaldstraße 44, 70191 Stuttgart

Tel. 0711 2582-341, Fax 0711 2582-290

E-Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de

Die gleiche Situation andersherum. Eine „Beziehungssprecher“-Chefin sagt: „Wir müssen mal wieder zusammen reden.“ Ihr gleichgepoltes Gegenüber denkt: „Ach wie nett, mal sehen, worüber wir uns unterhalten.“ Nach dem Gespräch fühlen sich beide wohl, es ist eine sehr angenehme Nähe entstanden, Sicherheit, man weiß, wo die andere gerade steht in ihrem beruflichen und vielleicht auch privaten Leben und hat erste Gedanken zu einem ­neuen Thema gehört, was auf die Apotheke zukommt.

Eine „Berichtssprecher“- PTA bereitet sich nach allen Regeln der Kunst auf ein Mitarbeitergespräch vor und erscheint mit Checkliste und sogar mit bereits im Internet recherchierten Fakten zu ihren Anliegen, die sie vorbringen will. Hier entsteht Enttäuschung, wenn nun die Chefin allgemein klönt, ­irgendwann erzählt, worüber sie gerade nachdenkt, und dazu die Meinung der Angestellten wissen will, die sich total überrumpelt fühlt. Diese geht davon aus, dass jetzt sofort ein fertiges hieb- und stichhaltiges Ergebnis gewünscht wird, kann es aber aus dem Stand nicht liefern, weil das Thema ganz neu ist. Die Chefin nimmt eine Missstimmung wahr, weiß die ­Ursache nicht und fühlt sich ­ihrerseits unwohl. Hier geht das Treffen mit zwei irritierten und ratlosen, vielleicht verärgerten Partnerinnen zu Ende. Die Auf­gabe der Chefin wäre es gewesen, ihrer „Berichtssprecher“-Kollegin klipp und klar zu sagen: „Nein, es ist KEIN Mitarbeitergespräch, ich will nur mal wieder mehr Kontakt, in letzter Zeit hatten wir kaum miteinander zu tun“ etc.

Die Chefin sollte sich natürlich auch während des Gesprächs oder allgemein im Austausch mit ihren Angestellten auf den jewei­ligen Typus einstellen. So wird sie besser verstanden und die Mitarbeiterinnen bleiben motiviert, weil die Inhaberin in der richtigen Weise auf sie eingeht. |

Ute Jürgens

Ute Jürgens ist Kommunikationstrainerin mit Spezialisierung auf die Heilberufler, Dipl. Erwachsenenpädagogin und PTA, www.kommed-coaching.de

* Da die überwiegende Anzahl der Apothekenmitarbeiter weiblich ist, schreibe ich in der weiblichen Form. Männliche Kollegen dürfen sich gerne mit angesprochen fühlen.

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