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Wirtschaft
Immer trübere Aussichten
Apothekenklima-Index 2019 – Lieferengpässe nur ein Stressfaktor von vielen
500 Apothekeninhaber wurden im vergangenen Juli von Marpinion im Auftrag der ABDA repräsentativ befragt. Es geht um die Beschäftigung, Nachwuchsgewinnung, wirtschaftliche Erwartungen, Motivatoren und Ärgernisse. In diesem Jahr neu hinzugekommen und evaluiert: Lieferengpässe, pharmazeutische Dienstleistungen und E-Rezept. Oberste Priorität beim Apothekenklima-Index hat die Vergleichbarkeit mit den Vorjahren 2016, 2017 und 2018. Bei der Pressekonferenz am Dienstag vor der Eröffnung des Deutschen Apothekertages werden die Umfrageergebnisse immer vorgestellt. In diesem Jahr war es ABDA-Vizepräsident Mathias Arnold, der die wirtschaftlichen Erwartungen der Branche für die nächsten zwei bis drei Jahre mit den Worten zusammenfasste: „Das ist ein relativ hartes Bild.“ Mit Blick auf die eigene Apotheke hätten die teilnehmenden Inhaber nicht viel anders abgestimmt. 79,8 Prozent der Inhaber sehen die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung bei den Apotheken „etwas“ bis „deutlich“ schlecht. Für nur weniger als fünf Prozent geht der Trend in die andere Richtung. Mit Blick auf den eigenen Betrieb erwartete dagegen immerhin jeder fünfte Inhaber (18,8%) eine bessere Lage. Doch auch hier befürchtet fast jeder zweite Selbstständige eine Verschlechterung seiner Betriebssituation.
Investitionen und Personalsituation
Diese Stimmung wirkt sich auch auf die Investitionen aus. Mehr als 40 Prozent planen für die nächsten Jahre keine Investitionen mehr, rund ein Drittel führt immerhin noch notwendige Verbesserungen und Erweiterungen in der EDV durch. Arnold weist in diesem Zusammenhang auf die sich verändernden politischen Rahmenbedingungen hin. E-Rezept und Medikationsplan erfordern existenziell notwendige Investitionen. Doch grundlegende unternehmerische Entscheidungen, wie die Übernahme oder Eröffnung einer Filialapotheke, kommt nur für 6,4 Prozent der Inhaber derzeit infrage.
Die Apotheken in Deutschland bieten Arbeitsplätze für 159.141 Menschen (Stand 2018), der Frauenanteil beträgt 89,2 Prozent. Mehr als die Hälfte der Apothekeninhaber ist auf der Suche nach neuem Personal und würde dies auch direkt einstellen. Seit 2018 hat sich dieser Trend um 10,5 Prozentpunkte auf 53,2 Prozent gesteigert. Die ABDA schließt aus den Zahlen, dass sich der unerfüllte Personalbedarf aus den Vorjahren akkumuliert hat. Stellen bleiben durchschnittlich 143 Tage offen. Dementsprechend sind geplante Entlassungen in den nächsten Jahren eher selten. Für neun von zehn Inhabern kommt dies nicht infrage. Damit sind Jobs in Apotheken recht sicher. Auch bei der Umwandlung von Vollzeit- bzw. Teilzeitstellen hat sich keine dramatische Veränderung ergeben. Nur 16,6 Prozent der Apothekeninhaber planen, mindestens eine Stellenumwandlung vorzunehmen.
Die Ausbildungs- und Bewerbersituation wird in den Apotheken insgesamt pessimistisch gesehen. Jede zweite Apotheke bildet derzeit aus und während bei den Pharmazeuten im Praktikum, den PTA und den weiteren Ausbildungen (z. B. Schülerpraktikanten) der Trend nach oben geht, werden im Vergleich zu 2018 deutlich weniger PKA ausgebildet (2018: 21,5%, 2019: 15,4%). Bei den Bewerbungen rechnen fast drei Viertel der Apotheken mit höchstens einem Bewerber. Nur knapp 25 Prozent rechnet mit zwei oder mehr approbierten Bewerbern. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den PTA und PKA: Die Hälfte der Inhaber erwartet maximal einen PTA-Bewerber. 41,6 Prozent erwarten einen PKA-Bewerber. Mehr als fünf Bewerber bei den PTA bzw. PKA erwarten nur 6 bzw. 8,4 Prozent der Selbstständigen.
Mit wie vielen ernsthaften Interessenten für eine Nachfolge rechnen Apothekeninhaber in den nächsten zwei bis drei Jahren? Auch die Antwort auf diese Frage zeigt im Vergleich zum Vorjahr, dass die Erwartungshaltung pessimistischer ausfällt. Weniger als die Hälfte der Inhaber rechnet mit maximal einem potenziellen Nachfolger. Immerhin 55,2 Prozent gehen von mehr als zwei Interessenten aus, 2018 waren es noch 62,8 Prozent.
Motivatoren und Stressfaktoren
Der größte Motivator im Berufsalltag der öffentlichen Apotheken ist nach wie vor der persönliche Kontakt zu den Patienten (2019: 83,4%, 2018: 77,7%), auf Platz zwei und drei liegen die Selbstständigkeit (70,2%) und das Teamwork (63,6%).
Spitzenreiter unter den Stressfaktoren ist unangefochten die Bürokratie (92,6%), 2019 erstmalig gefolgt von den Lieferengpässen (91,2%). Eine Ursache für das Ärgernis ist der Mehraufwand bei der Arbeitszeit. 62,2 Prozent der Inhaber beziffern diesen auf 10 Prozent und mehr.
Bei den Stressfaktoren fallen auch zwei weitere Aspekte auf: Mit Einführung des neuen Rahmenvertrags im vergangenen Juli haben die Rabattverträge und die Importquote immens an Bedeutung gewonnen. Deren Ranking bei den Stressfaktoren hat daher enorm zugenommen. Die Umsetzung der Rabattverträge liegt aktuell bei 59,0 Prozent (2018: 34,8%) und die Erfüllung der Importquote bei 41,0 Prozent (2018: 8,0%).
Wie schätzen die Apothekeninhaber die aktuelle standespolitische Lage ein (siehe Tabelle 1)? Für am wichtigsten halten die Befragten Planungssicherheit (90,0%), gefolgt von besseren Rahmenbedingungen (79,4%) und weniger Bürokratie (72,2%). Nicht explizit abgefragt wurde das Rx-Versandverbot als ordnungspolitische Maßnahme.
Total 2016 | Total 2017 | Total 2018 | Total 2019 | |
---|---|---|---|---|
Basis (100%) | 500 | 500 | 500 | 500 |
Planungssicherheit (d. h. stabile rechtliche Rahmenbedingungen wie z. B. den Erhalt der Arzneimittelpreisverordnung) | 368 73,6 | 418 83,7% | 432 86,4% | 450 90,0% |
stabile bzw. bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen | 378 75,6% | 361 72,1% | 370 74,0% | 397 79,4% |
Bürokratieabbau | 335 67,1% | 339 67,8% | 354 70,7% | 361 72,2% |
Nachwuchsgewinnung | 202 40,5% | 190 38,0% | 236 47,3% | 179 35,8% |
Einführung des Medikationsmanagements und anderer honorierter pharmazeutischer Dienstleistungen | 142 28,3% | 146 29,2% | 121 24,3% | 178 35,6% |
bessere Zusammenarbeit mit Krankenkassen | 135 27,0% | 118 23,7% | 89 17,8% | 174 34,8% |
bessere Zusammenarbeit mit Ärzten | 112 22,3% | 120 24,0% | 89 17,9% | 133 26,6% |
mehr Freiräume in der Patientenversorgung | 124 24,7% | 116 23,2% | 97 19,5% | 128 25,6% |
andere als die genannten Themen | 8 1,8% | 7 1,3% | 14 2,8% | 25 5,0% |
Summe Summe % | 1804 360,8% | 1815 363,0% | 1803 360,7% | 2025 405,0% |
Planungssicherheit wichtiger als Dienstleistungen
Zugleich wird deutlich, dass sich die Meinung der Befragten nur bedingt mit den standespolitischen Zielen der ABDA deckt: Nur ein Drittel sieht die gesundheitspolitische Zukunft in honorierten, pharmazeutischen Dienstleistungen (zum Beispiel Medikationsmanagement). Damit weist der Apothekenklima-Index darauf hin, dass die Mehrheit der Apotheker kein Vertrauen in das aktuelle Gesetzgebungsverfahren zum Apothekenstärkungsgesetz hat und sich von der ABDA-Strategie – der konstruktiven Begleitung – absetzt. Mathias Arnold erklärt die Diskrepanz damit, dass Planungssicherheit immer das Ziel und der Wunsch wäre. Als ein Weg dorthin könnten die pharmazeutischen Dienstleistungen angesehen werden.
Wenn es denn zu einer geregelten Vergütung pharmazeutischer Dienstleistungen käme – so eine Detailfrage –, würden 81,6 Prozent der Inhaber eine Medikationsanalyse beziehungsweise ein Medikationsmanagement anbieten wollen, gefolgt von Bluthochdruck- und Diabetes-Screening. Nur ein Drittel votiert für die Grippeschutzimpfung.
Durch die Einführung des E-Rezeptes befürchten vier von fünf Inhabern (81,8%) mehr Versandhandel, 49,4 Prozent weniger Stammkunden und 46,8 Prozent mehr Wettbewerb (siehe dazu auch Tabelle 2).
Total 2019 | |
---|---|
Basis (100%) | 500 |
mehr Versandhandel bei Arzneimitteln | 409 81,8% |
weniger Stammkundenbindung | 247 49,4% |
härterer Wettbewerb unter Offizinapotheken | 234 46,8% |
schnellerer und komfortablerer Arzneimittelbezug für Patienten | 134 26,8% |
weniger Rezeptfälschungen | 116 23,2% |
weniger Arztrücksprachen | 92 18,4% |
weniger Retaxationen von den Krankenkassen | 75 15,0% |
keine der genannten Erwartungen | 25 5,0% |
Summe Summe % | 1332 266,4% |
Als Handlungsbedarf schließt die ABDA aus der Umfrage, dass das Reformpaket zwar korrekturbedürftig, aber unter keinen Umständen zu Fall gebracht werden dürfe. Es müsse vielmehr modifiziert und zügig verabschiedet werden. |
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