Aus den Ländern

Apothekenrevisionen dies- und jenseits der deutsch-belgischen Grenze

In Düsseldorf ging es um Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Systeme

Den meisten Apothekenmitarbeitern wird der Ablauf einer Apotheken­revision durch Amtsapotheker oder Pharmazieräte in Deutschland bekannt sein. Doch wie läuft eine Überwachung in Belgien ab? Wo zeigen sich Gemeinsamkeiten, wo Unterschiede? Patrick Herné, belgischer Amtsapotheker, berichtete auf der diesjährigen Fortbildungsver­anstaltung für die örtliche pharmazeutische Arzneimittelüberwachung am 6. März 2019 in Düsseldorf über das belgische Apothekenwesen und die Apothekenüberwachung.

In Belgien gibt es kein Fremdbesitzverbot. Apotheken in guter wirtschaftlicher Lage sind inzwischen sehr teuer. Sie sind oftmals zu teuer für junge Apotheker, sodass sie häufig von Unternehmen oder Einzelpersonen gekauft werden, die über erhebliche finanzielle Mittel verfügen. Gleichzeitig gibt es keine Niederlassungsfreiheit. Seit mehr als 20 Jahren wird die Eröffnung weiterer Apotheken nicht mehr ohne weiteres genehmigt. Staatliche Bemühungen zielen darauf ab, die Zahl der Apotheken zu reduzieren und eine bessere flächendeckende Verteilung der Apotheken zu organisieren. Denn auch in Belgien ist die Apothekendichte in den Städten hoch und im ländlichen Raum niedrig. Insgesamt steht in Belgien eine Apotheke pro 2370 Einwohner zur Verfügung.

Organisationsstruktur der Überwachung

Belgische Amtsapotheker sind Angestellte der Föderalen Agentur für Arzneimittel und Gesundheitsprodukte FAAG. Sie ist die zentrale Behörde, die für die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit von Arzneimitteln und Gesundheitsprodukte verantwortlich ist, unterteilt in drei Verwaltungseinheiten: Generaldirektion PRE (v. a. Zulassung), Generaldirektion POST (v. a. Pharma­kovigilanz) und Generaldirektion Inspektion [1].

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Generaldirektion Inspektion, Abteilung Abgabe

Die Generaldirektion Inspektion ist für die Überwachung aller Sektoren zuständig, die mit Arzneimitteln und Gesundheitsprodukten zu tun haben. Sie besteht aus fünf Abteilungen. Die für die Apothekenüberwachung zuständigen Amtsapotheker gehören der Abteilung „Abgabe“ an. Die untergeordnete Einheit „Offizinapotheke“ ist für die Überwachung aller in Belgien gelegenen Apotheken zu­ständig. Ihr gehören acht Amtsapo­theker zur Überwachung von derzeit 4850 Apotheken an. Die Zuständigkeitsgebiete stimmen in etwa mit den belgischen Gerichtsbezirken überein, sodass jeder Amtsapotheker für etwa 600 Apotheken seines Bezirks verantwortlich ist.

Algorithmus der Apothekenüberwachung

Belgische Inspektoren erstellen jährlich ein Inspektionsprogramm. Wie häufig eine Apotheke überwacht wird, entscheidet sich auf der Grundlage einer Risikoanalyse. Je nach Tätigkeitsfeld wird der Apotheke ein größeres oder geringeres Risiko zugesprochen. Apotheken mit risikobehafteten Prozessen, werden häufiger visitiert. Dabei gelten z. B. der Internethandel, die Verblisterung und die Herstellung einer großen Anzahl von Rezepturen in Belgien als Tätigkeiten mit größerem Risiko. Daneben gehen auch die Ergebnisse der letzten Revision und Analysenergebnisse der zuvor ge­zogenen Rezepturproben in die Entscheidung mit ein, ob eine Apotheke zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt besichtigt wird. Im Rahmen der Routineüberwachung werden insgesamt 500 Apotheken pro Jahr in Belgien besucht.

Thematische Inspektionen

Über die Regelüberwachung hinaus werden zwei bis dreimal im Jahr weitere sogenannte thematische Inspektionen organisiert. Hierfür wählt die Abteilung der FAAG aus aktuellen Anlässen oder Problemen eine oder mehrere gesetzliche Bestimmungen aus und prüft in einem kurzen Zeitraum in ca. 100 Apotheken in Belgien, ob die Apotheken diese Bestimmungen einhalten.

Lagerung eingelöster Rezepte

Eine belgische Besonderheit zeigt sich in der Aufbewahrung von Rezepten. Während Rezepte in Deutschland an die Rezeptabrechnungsstelle versandt werden, verbleiben sie in Belgien in der Apotheke. Jede belgische Apotheke muss die Originale über zehn Jahre in chronologischer Reihenfolge aufbewahren. Die derartige Aufbewahrung hat in Belgien seit ungefähr 1885 Tradition.

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Der Amtsapotheker kann die Bestellscheine mit den Verschreibungen abgleichen und auf Fehler prüfen. Mög­liche Fehlinterpretationen von Verschreibungen können so aufgedeckt sowie die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel ohne Rezept geahndet werden.

Betäubungsmittel, psychotrope Substanzen

Betäubungsmittel (BTM) werden in Belgien nicht auf gesonderten Rezepten ausgestellt. Dennoch bestehen spezielle Regelungen für Betäubungsmittelverschreibungen, die formale Kriterien betreffen. So darf ein Betäubungsmittelrezept nur handschriftlich ausgestellt werden. Ein mit dem Computer erstelltes Rezept ist trotzdem jetzt auch erlaubt. Ziffern beziehungsweise Zahlen müssen jedoch ausgeschrieben sein. Neben der Aufbewahrung der Rezepte, müssen belgische Apotheken ein zusätzliches Register mit Verschreibungen und Bestellscheine für BTM und psychotrope Substanzen führen. Diese Dokumente müssen ebenfalls für zehn Jahre aufbewahrt werden.

Maximal drei PTA pro Apotheker

Ein weiterer auffälliger Unterschied zeigt sich in den Vorgaben zur Personalstruktur. Anders als in Deutschland ist die Zahl der in Belgien tätigen PTAs in Apotheken begrenzt. Hier dürfen nur maximal drei PTA-Mit­arbeiter zeitgleich pro Apotheker tätig sein.

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Dokumentation der Herstellung

Die Dokumentation zur Herstellung ist verglichen mit Deutschland kompakter. Absolute Pflicht ist die Erstellung eines Wägeprotokolls für jede in der Apotheke hergestellte Zubereitung. Aus der Dokumentation muss die Rückverfolgbarkeit der pharmazeutischen Rohstoffe ableitbar sein. Der Amtsapotheker muss einsehen können, woher die Rohstoffe zur Herstellung der Rezeptur stammen und ob die Qualität dieser Rohstoffe gewährleistet ist. Ein Vorbereitungsprotokoll wird für regelmäßig hergestellte Rezepturen empfohlen, ist jedoch nicht verpflichtend. Ähnliches betrifft auch die analytischen Kontrollen. Amtsapotheker fordern ihre Apotheken dazu auf, analytische Kontrollen durchzuführen. Verpflichtend sind diese Prüfungen nicht.

Dokumentation

Neben der Aufbewahrung von Verschreibungen müssen belgische Apotheken eine Reihe weiterer Verwaltungsdokumente führen, darunter einige Register, z. B. Register zu Tier-Arzneimitteln, zu Importarzneimitteln und zu Rohstoffen.

Zusammenarbeit zwischen deutschen und belgischen Behörden

Deutsche und belgische Behörden stoßen beim Versandhandel im Internet auf vergleichbare Probleme. Dies betrifft sowohl den Versandhandel im eigenen Land, als auch von außerhalb.

Ein weiteres Problem sind Arzneimittel, die missbräuchlich angewendet werden können. Ausländische Apotheken dürfen Rezepte aus anderen Ländern annehmen, wenn das Rezept gültig und der Arzt in der europäischen Union zugelassen ist. Einige Ärzte oder Patienten nutzen diesen Umstand aus, um die Gesetzgebung des eigenen Landes zu umgehen. Ein Beispiel sind Arzneimittel mit Amfepramon. In Belgien sind Amfepramon-haltige Arzneimittel verboten. Es gibt jedoch vereinzelt belgische Ärzte, die Amfepramon mit dem Hinweis verschreiben, dass es in einer deutschen Apotheke bezogen werden kann. Gleiches betrifft Benzodiazepin-Verschreibungen aus Deutschland, die in belgischen Apotheken eingelöst werden.

Allein diese Beispiele zeigten, so Herné, dass eine Zusammenarbeit von Vorteil sei. Eine Angleichung der Gesetzes­lage, zumindest in der Anwendung, wäre wünschenswert, um den zu­nehmenden Schwierigkeiten des grenzüberschreitenden Arzneimittelverkehrs zu begegnen. |

Literatur

Zur Website der agence fédéral des médicaments et des produits de santè: https://www.afmps.be/fr

Armina Khalaf, Münster

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