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Arzneimittel und Therapie
Erst Säureblocker, dann Antihistaminikum
PPI und Co. mit erhöhtem Allergierisiko assoziiert
Im Rahmen einer populationsbasierten Studie haben Forscher der medizinischen Universität Wien einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Magensäureblockern und der Behandlung mit Antiallergika aufgedeckt. Dazu analysierten sie die Krankenversicherungsdaten von 8,2 Millionen Menschen, was 97% der Bevölkerung Österreichs entspricht. Betrachtet wurden Arzneimittelverordnungen über einen Zeitraum von vier Jahren (2009 bis 2013).
Doppelt so hohes Risiko
Nach der Verordnung eines Magensäureblockers oder Schleimhautprotektivums kam es in 416.615 Fällen auch zu einer Verschreibung eines Antihistaminikums oder einer spezifischen Immuntherapie. Bezogen auf einen Zeitraum von insgesamt 8.133.846 Beobachtungsjahren ergab sich eine Inzidenzrate von 5,12% pro Jahr. Bei Patienten, die vor der Verordnung eines Antiallergikums kein magenschonendes Medikament erhalten hatten, lag die Inzidenzrate lediglich bei 2,61%. Das Ratenverhältnis (RR) betrug 1,96. Somit war die Wahrscheinlichkeit, nach einer Behandlung mit einem Magensäureblocker oder Schleimhautprotektivum ein Arzneimittel gegen Allergien zu benötigen, etwa doppelt so hoch. Mit einem 95%-Konfidenzintervall (KI) von 1,95 bis 1,97 war der Zusammenhang statistisch signifikant. Bei Frauen war die Assoziation stärker ausgeprägt als bei Männern (RR 2,10; 95%-KI 2,09 bis 2,11 vs. RR 1,70; 95%-KI 1,69 bis 1,71). Mit zunehmendem Alter stieg das Risiko – bis um das Fünffache bei den über 60-Jährigen (RR 5,20; 95%-KI 5,15 bis 5,25).
Die Art des magenschonenden Arzneimittels hatte keinen Einfluss auf das Ergebnis. Alle Substanzklassen waren mit einem zweifach erhöhten Risiko für eine nachfolgende Verordnung eines Antiallergikums verbunden. Am häufigsten wurden Protonenpumpeninhibitoren (PPI) verschrieben. 24.309 Patienten erhielten zuerst ein Rezept für einen Vertreter dieser Wirkstoffklasse. Für diese Gruppe wurde eine adjustierte Hazard Ratio (HR) von 2,05 (95%-KI 1,91 bis 2,19) errechnet. Bei 2675 Patienten wurde als Erstes ein H2-Rezeptorblocker eingesetzt, 641 Patienten bekamen Sucralfat. Hier wurden ähnliche Risiken ermittelt: HR 2,04 (95%-KI 1,86 bis 2,23) bzw. HR 2,14 (95%-KI 1,84 bis 2,50). Prostaglandin E2 wurde nur in acht Fällen verordnet, sodass diesbezüglich keine verlässlichen Aussagen möglich sind.
pH-abhängiger Mechanismus?
Nach Einschätzung der Studienautoren ist der Zusammenhang deutlich. Sie vermuten, dass dem erhöhten Allergierisiko ein pH-abhängiger Mechanismus zugrunde liegt: Bei höheren pH-Werten sinkt die Pepsin-Aktivität. Infolgedessen werden Nahrungsproteine schlechter abgebaut. Dadurch wird die Verweildauer im Gastrointestinaltrakt erhöht, das Allergierisiko nimmt zu. Zudem werden direkte Effekte der Ulkus-Therapeutika auf das angeborene und erworbene Immunsystem diskutiert. Auch Veränderungen des Darmmikrobioms könnten bei der Entstehung von Allergien eine Rolle spielen.
Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) sieht die in Nature Communications publizierten Ergebnisse jedoch kritisch. Die epidemiologischen Daten liefern keinen Beweis für einen ursächlichen Zusammenhang. Die Gastroenterologen zweifeln, ob die Säurehemmung im Zusammenhang mit der Allergieentstehung zu sehen ist, da keine Korrelation zum Grad der Säurehemmung vorlag und sowohl für stark (PPI) als auch schwach (Sucralfate) wirksame Substanzen ein ähnliches Risiko gefunden wurde. Als weiteren Schwachpunkt der Studie bemängelt die Fachgesellschaft, dass potenzielle Störfaktoren nicht berücksichtigt werden konnten. Zudem beruht die Analyse lediglich auf Verordnungsdaten. So bleibt unklar, ob tatsächlich eine Allergie vorlag.
Patienten mit gesicherter Indikation für einen Magensäureblocker sollten sich durch die Ergebnisse nicht verunsichern lassen. In der Selbstmedikation sollte spätestens nach 14 Tagen Rücksprache mit dem Hausarzt gehalten werden. |
Literatur
Jordakieva G et al. Country-wide medical records infer increased allergy risk of gastric acid inhibition. Nat Commun 2019;10(1):3298
Pressemitteilung der MedUni Wien vom 31. Juli 2019. www.meduniwien.ac.at; Abruf am 31. Juli 2019
Reiner D, Stark H. PPI – wie war das noch? DAZ 2019, Nr. 30, S. 32
Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) vom 5. August 2019. www.dgvs.de; Abruf am 5. August 2019
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