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E wie Erfolgsmodell?

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Armin Edalat

Vielleicht ist Christian Krüger aktuell so etwas wie ein Hoffnungsträger oder Heilsbringer für die Apothekerschaft. Der Geschäftsführer der NGDA – der Netzgesellschaft Deutscher Apotheker – tüftelt seit mehr als einem Jahr an der Infrastruktur rund um das E-Rezept. In persönlichen Gesprächen oder bei Vor­trägen schafft er es, seine Zuhörer zu begeistern und sie ein Stück weit von der Idee zu überzeugen, dass die Entscheidung der Standesvertretung richtig war, beim E-Rezept federführend mitzuwirken. Nach seinem Auftritt bei der Vertreterversammlung in Baden-Württemberg im vergangenen Juli beispielsweise lei­tete ein Delegierter seine Nachfrage mit den Worten ein: „Man merkt, Sie sind der richtige Mann zur richtigen Zeit …“ Ein größeres und ehrlicheres Lob hätte sich Krüger in dem Moment wahrscheinlich selbst nicht ausmalen können.

Um es sehr bildhaft auszudrücken: Auf dem in Seenot geratenen Schiff „Apo­theke“ ist der NGDA-Chef nicht der uniformierte und hoch dekorierte Kapitän, der seine Mannschaft von der Brücke aus zum Durchhalten ermuntert, sondern vielmehr der Ingenieur aus dem Maschinenraum, der für ein aktuelles Problem die Lösung kennt und lieber selbst Hand anlegt, bevor es für alle Betroffenen endgültig zu spät ist.

Keine Frage, der Druck auf die ABDA war im vergangenen Frühsommer enorm: Das E-Rezept wurde von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn forciert, fast zeitgleich beschloss der Deutsche Ärztetag, sich der Fernbehandlung zu öffnen und viele ­ABDA-Mitgliedsorganisationen, insbesondere die Verbände, konnten und wollten es nicht mehr mit ansehen, dass man sich diesem wichtigen und zukunftsweisenden Thema weiterhin verschließt.

Die plötzliche Kehrtwende der ABDA – für manche mag das schon der historische und evolutionäre Augenblick gewesen sein. Viel bedeutender ist aber die weitere Entwicklung und flächendeckende Einführung des E-Rezeptes im Versorgungsalltag der Patienten und vor allem der Leistungserbringer, wie Ärzte und Apotheker.

Blickt man auf die Genese der elektronischen Verordnung zurück (S. 58), dann wird es den ein oder anderen vielleicht erstaunen, dass es vor ziemlich genau 20 Jahren die Apothekerverbände waren, die am „Abrechnungssystem für die Zukunft“ arbeiten wollten. Damals steckten die großen Internetkonzerne von heute entweder in den Kinderschuhen oder waren noch nicht mal geboren. Zu dem Zeitpunkt konnte wahrscheinlich niemand erahnen, wie sich die New Economy im Allgemeinen und das deutsche Apothekenwesen im Speziellen entwickeln werden.

Ab 2004, mit der Zulassung des Arzneimittelversandhandels, sank die Leidenschaft der ABDA für das E-Rezept. Zu groß war die Angst, dass sich mit den elektronischen Verordnungen auch die Arzneimittelversorgung zunehmend online und im EU-Ausland abspielt. Waren das berechtigte Bedenken oder nicht? Fest steht, dass diese Haltung dem Berufsstand eher geschadet als genützt hat. Als Innovatoren auf diesem Gebiet wurden die Apotheker zuletzt jedenfalls nicht mehr öffentlich wahrgenommen.

Heute, im Jahr 2019, stellen Politiker und Minister wie Jens Spahn alle Akteure im System zunehmend vor die Wahl, ob sie Veränderungen mitgestalten oder erleiden wollen. Daher ist es gut und wichtig, dass sich die Apotheker mit „ihrem“ E-Rezept wieder ins Spiel gebracht haben. Viele Fragen und echte Gefahren, wie das Makeln von Rezepten, existieren nach wie vor und müssen geklärt werden. Doch ohne ernst zu nehmendes Engagement wäre das alles noch viel aussichtsloser. Ein erster Erfolg: Seitdem Christian Krüger und sein Team mit hohem Tempo vorgeprescht sind, sitzt der Berufsstand auch wieder mit am Tisch der Entscheider im Bundesgesundheitsministerium.

Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

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