Gesundheitspolitik

Prognosen und Wünsche für 2020

Welche Erwartungen haben Deutsche Apotheker- und Ärztebank, Treuhand Hannover und Institut für Handelsforschung?

„The same procedure ...“ und neue Herausforderungen

Dr. Markus Preißner, wissenschaftlicher Leiter am Institut für Handelsforschung (IFH) in Köln

Foto: IFH Köln

Dr. Markus Preißner

Eigentlich unterscheidet sich mein Ausblick auf das Apothekenjahr 2020 nicht wesentlich vom Ausblick auf das Vorjahr. Auch im Jahr 2020 wird die Anzahl der öffentlichen Apotheken in Deutschland wieder sinken – am Jahresende werden wir vermutlich ­weniger als 19.000 Apotheken zählen. Immer mehr Apotheken­(standorte) und -immobilien werden an Attraktivität und Ertragskraft einbüßen, Nachfolgeprobleme und Personalengpässe weiterhin an der Tagesordnung sein.

Auch im Jahr 2020 werden Standesvertretungen und Politik wieder darum ringen (müssen), verläss­liche Rahmenbedingungen für Vor-Ort-Apotheken zu schaffen – faire Wettbewerbsbedingungen und Lieferfähigkeit inklusive. Es bleibt abzuwarten, welchen Beitrag hierzu das in den Startlöchern ­stehende Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken leisten wird. Es steht viel auf dem Spiel, denn mit jeder Apothekenschließung geht auch ein Stück Heimat und eine wichtige Anlaufstelle im Gesundheitswesen verloren und damit auch Lebensqualität in unseren Städten und Gemeinden.

Doch auch jede einzelne Apotheke wird 2020 in der Pflicht stehen, für sich die Frage zu beantworten, mit welchen Leistungen sie bei welchen Kunden und auf welchen Wegen punkten möchte bzw. punkten muss. Themen wie „Spezialisierung“, „Prävention“ und „Dienstleistungen“, aber auch „digitale Services“, „E-Rezept“ und „E-Medikationsplan“ müssen zur Chefsache erklärt und mit Nachdruck angegangen werden. Apotheken, die dies nicht tun, werden es Jahr für Jahr wirtschaftlich schwerer haben, denn der Wettbewerb im Apothekenmarkt wird unweigerlich weiter zunehmen. Ge­rade das E-Rezept wird sich zu einem „Gamechanger“ entwickeln und digitale Services und Botendienste zum „Must-have“ in der Apotheke vor Ort befördern.

Apotheken, die sich im Zeitalter der Digitalisierung und dem wachsenden Wettbewerb nicht verändern, werden mittelfristig aus dem Markt ausscheiden (müssen). Und damit sind Apotheken nicht alleine, denn dies gilt auch für andere Handels- und Dienstleistungsbetriebe sowie für Innenstädte, Shopping-Center, Einkaufsstraßen etc. Dies soll kein Trost sein, sondern vielmehr die Dringlichkeit zum Handeln unterstreichen. Innovate or die.

Apotheker-Rolle neu justieren und den Dialog suchen

Ulrich Sommer, Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (Apobank)

Foto: Apobank

Ulrich Sommer

Neue Entwicklungen rund um die Digitalisierung und die Stärkung der Apotheke werden das Jahr 2020 für die Apothekerschaft prägen. Zur Einführung des elektronischen Rezepts stehen schon heute hochkomplexe Systeme in zahlreichen Apotheken bereit und der Anschluss an die Telematikinfrastruktur wird vorbereitet. Insgesamt sehe ich die zunehmende Vernetzung der Apotheken positiv und als eine konsequente Weiterentwicklung von bereits ­digitalisierten Prozessen wie Rezept­abrechnung oder Warenwirtschaft.

Ungewiss sind dagegen die Effekte, die das Gesetz des Bundesgesundheitsministers zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken mit sich bringen wird. Politisch liegt der Fokus aktuell auf der erhofften Gleichpreisigkeit von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Entscheidend dafür wird die bislang offene Stellungnahme der EU-Kommission sein. Wie es generell mit dem Apothekenstärkungsgesetz und den weiteren dort enthaltenen Verbesserungen weitergeht, bleibt abzuwarten. Spannend wird vor allem die Einführung neuer pharmazeutischer Dienstleistungen sein. Perspek­tivisch wäre es wünschenswert, die Vergütung von Services festzulegen, die Apotheker als Gesundheitsberater, beispielsweise bei der Prävention oder Medikation, anbieten könnten.

Die starke Veränderung des Gesundheitswesens – auch durch zahlreiche Gesetze – bietet für die Apothekerschaft auch die Chance, ihre künftige Rolle neu zu justieren. Gelingen kann dies nur im Dialog mit den wesentlichen Leistungsträgern im deutschen Gesundheitswesen, denn diese sind für die Gesundheitsversorgung unverzichtbar. In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen konstruktiven Austausch und gute Lösungen – damit Apotheker weiterhin ihr wertvolles Wissen in Produkten und Dienstleistungen bestmöglich zum Wohl der breiten Gesellschaft einsetzen können.

Jetzt mit der „virtuellen ­Erweiterung“ befassen

Dr. Frank Diener, General­bevollmächtiger, Treuhand Hannover GmbH Steuerberatungsgesellschaft

Foto: Treuhand Hannover GmbH

Dr. Frank Diener

Was die generelle Branchenlage der Apotheken in 2019 anbelangt, so haben sich die Trends der letzten Jahre fortgesetzt: eine schrumpfende Zahl der Betriebsstätten, Umsatzwachstum, das durch steigende Wareneinsatz- und Personalkosten aufgezehrt wird, sodass per Saldo das Branchenbetriebsergebnis stagniert. Gleichzeitig nimmt aber die „Marktspreizung“ zu: Für die Betriebe „rechts vom Durchschnitt“ gibt es fast durchgehend Zuwächse, während „links vom Durchschnitt“ Rückgänge sowohl auf der Umsatz- als auch der Betriebsergebnisebene stattfinden. Die Lieferengpässe haben sich in 2019 deutlich verschärft und betreffen mittlerweile große Fallzahlen.

Von Spahns Reformagenda werden in 2020 die erhöhte Notdienstpauschale und BtM-Gebühr wirksam – doch eine in den Betriebsergebnissen sichtbare Wirkung wird damit nicht erreicht. Unsere Branchenprognose für 2020 ist deshalb deckungsgleich mit der für 2019: Umsatzplus bei stagnierenden Betriebser­gebnissen und fortgesetzter Marktspreizung.

Spahns Reformagenda wird sich erst auf die Branchenlage ab 2021, dann aber umso deutlicher auswirken. Während derzeit über die Telematik-Infrastruktur-Plattform nur der versicherungstechnische Patienten-Stammdaten-Abgleich zwischen Arztpraxis und Krankenkasse läuft, werden ab 2021 heilberufliche Anwendungen sukzessive hochgefahren. Rezepte und Medikationspläne werden dann „elektronisch“. Für die Ärzte ändert das „nur“ die Praxisabläufe, bei den Apotheken hingegen haben die Veränderungen in der Kombination mit Telepharmazie und Botendienst das Potenzial, Marktanteile nicht nur zwischen EU-Auslands- und Inlands-Apotheken, sondern vor allem auch zwischen den Vor-Ort-Apotheken signifikant zu verschieben. Auch wenn viele Rahmenvorgaben erst in 2020 konkret werden, sollten aus Sicht der Treuhand Hannover die Apothekeninhaberinnen und -inhaber im Hinblick auf die Zeit ab 2021 schon jetzt damit beginnen, sich mit der „virtuellen Erweiterung“ ihrer Betriebe und ihrem lokalen Marktauftritt in einem strukturell veränderten Branchensetting zu befassen. „Wait & see“ ist keine anzuratende Strategie. |

In der kommenden Ausgabe der Deutschen Apotheker Zeitung (Nr. 1/2 aus 2020) finden Sie Neujahrswünsche, Befürchtungen, Hoffnungen und Erwartungen von Vertretern verschiedener Verbände und Institutionen aus der Pharmazie und der Arznei­mittelversorgung.

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