Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: Was die Zeit bringt – ein Ausblick auf 2020

Prof. Dr. Andreas Kaapke

Ein derart regulierter Markt wie das Gesundheitswesen und in ihm die Apothekerschaft schaut zu jeder Zeit gebannt darauf, wie sich Legislative und Exekutive entwickeln. Gefühlt seit Start der Großen Koalition – schlussendlich seit Frühjahr 2018 – wird darüber geredet, wann diese vor allem von den Beteiligten ungeliebte GroKo denn wieder enden wird. Ein maßgeblicher Anteil an dieser Diskussion kann der SPD zugeschrieben werden – wer war das noch gleich? –, einer Partei, die es tatsächlich geschafft hat, sich in den letzten 36 Monaten selbst zu marginalisieren. Erst werden die Vorsitzenden demontiert, nachdem sie – wie im Fall Martin Schulz und Andrea Nahles – zuvor glorreich inthronisiert wurden (man muss sich auf der Zunge zergehen lassen, dass Martin Schulz mit 100 Prozent der Stimmen gewählt wurde). Heilsbringer sind demnach in der SPD nicht erwünscht. Dann braucht die Partei ein halbes Jahr mit der Regentschaft von drei Übergangsvorsitzenden und 23 Regionalversammlungen um auszuloten, wer die neue Führungsspitze wird. ­Sicher war, abgeschaut bei Linken, Grünen und AfD, dass es zwei Vorsitzende sein müssen, Einzelgängern räumt man keine Chance mehr ein. Wieso eigentlich: Jede Partei hat hinreichend Vizechefs, sind die jetzt in ihrer Bedeutung zurückgestuft? Das Ergebnis sind zwei Vorsitzende, die wenig bekannt und wenig erfahren sind, die dem linken und GroKo-kritischen Lager zuzurechnen sind und sich durchgesetzt haben gegen den amtierenden Vizekanzler/Finanzminister und eine Frau, die niemand zuvor kannte und deren Namen vermutlich schon jetzt kaum jemand mehr spontan ab­rufen kann. Erreichen will man damit doch eins: für potenzielle Neumitglieder attraktiv sein und werden, bestehende Mitglieder halten und vor allem Wähler ansprechen. Kann man aber gegenwärtig diese Partei wählen? Ich war nie SPD-Mitglied und habe es mehr denn je nicht vor, ich habe bislang nie SPD gewählt und dabei wird es – Stand heute – nach dem Affentheater auch bleiben. Und alle, die ich kenne, selbst SPDler, fragen sich, ob sie es mir gleichtun sollen.

Kurz zuvor hatte die CDU ihren Parteitag, vom dem es insgesamt hieß, dass der eigentliche Gewinner der CSU-Vorsitzende gewesen sei. Das ist nicht wesentlich besser als das eben Geschilderte, aber immerhin. Die Vorsitzende, die vor einem Jahr als strahlende Siegerin aus einem Dreikampf hervorging, ist seitdem auch durch Ungereimtheiten und Unerklär­liches aufgefallen und drängt sich für höhere Aufgaben nicht wirklich auf. Friedrich Merz kündigt regelmäßig Gewaltiges an, um dann doch eher lau zu bleiben, die Kanzlerin konzentriert sich auf ihren Basisjob, den anderen hat sie mit Bedacht abgegeben, und der Bundesgesundheitsminister hat nicht zuletzt ob seines Alters und seiner stolzen Ministerbilanz Zeit, die im Zweifel für ihn spielt. Die CSU unter Söder wirkt souveräner als unter Seehofer, was nicht schwer ist, da dieser zuletzt in der Öffentlichkeit als im politischen Endstadium befindlich wahrgenommen wurde. Rücktritte vom Rücktritt waren bei ihm an der Tagesordnung. Man sollte nicht verhehlen, dass all dies nach sehr kurzer Zeit verdrängt wird, weil viel anderes Bizarres auf einen einwirkt.

Bei den Grünen herrscht Hochstimmung, sie profitieren vor allem von der Schwäche der anderen Parteien sowie dem Trend zu einer nachhaltigen Welt und haben auch vorzeigbares Personal. Die Glosse in einer der führenden Tages­zeitungen über Herrn Habeck, dass dieser morgens vermutlich am längsten von allen braucht, um sich so zu stylen, dass er aussieht, als ob er gerade dem Bett entstiegen sei, und dann auf dieser eigentlich nicht staatsmännischen Grundlage Staatstragendes kundtut, mag böse klingen, ganz von der Hand zu weisen ist es nicht. Die Linken konnten durch die Thüringen-Wahl von ihrem generellen Bedeutungsverlust ablenken und die AfD profitiert von der Zerrissenheit und Schwäche der Altparteien. Dass diese immer noch so tun, als ob man die AfD ignorieren könnte, passt in die Stimmung der Zeit. Zwischen Wollen und Können liegen eben wahrnehm­bare Distanzen, manchmal Welten.

Richtig: Ich hätte fast die FDP vergessen, womit ich nicht allein bin, denn seit diese noch in der Nacht der Nächte die Unterschrift unter einen Koalitionsvertrag verweigerte, den man zuvor über Wochen diskutiert hatte, sind nach wie vor Zweifel angebracht, ob die Partei der ewigen Besserwisser wählbar ist, gar wählbar war.

In einem regulierten Markt sind also nun dies die Alternativen, die man wählen oder nicht wählen kann. Eine Option könnte es sein, gar nicht mehr zu Wahlen zu gehen, was es in keinem Fall besser macht. Falls die GroKo scheitert, stellt sich also die Frage, wen man wählen sollte. Als Bürger tut man sich schwer, als in einer Apotheke arbeitende Person oder als Apo­thekeninhaber noch schwerer. Welcher Koalition, welcher Partei oder welcher Konstellation traut man zu, den Gesundheitsmarkt mit den Mitteln der sozialen Marktwirtschaft zu steuern?

Den Parteien möchte man wünschen, dass sie sich im Jahr 2020 fangen und wieder Kante zeigen, wofür sie stehen, dass sie sich mehr mit Themen als mit sich selbst beschäftigen und dass sie sich in einer komplexeren Welt ­bemühen, einen für Mehrheiten machbaren Rahmen zu spannen. In Zeiten, in denen selbst der Fußballbundestrainer keine Mehrheiten mehr hat und sich viele das Abdanken der Kanzlerin wünschen, wird bitter gewahr, was man sich selbst nur ungern eingestehen will. Man wird sich diese Angela Merkel nach ihrem Aufhören wieder sehnlichst zurückwünschen. Welch bittere Zustandsbeschreibung von Legislative und Exekutive in Deutschland. |

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

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