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Management

Nachhaltige Vertrauenskultur aufbauen

Entscheidend ist das Menschenbild / Wie viel Kontrolle muss sein?

Beim Aufbau einer Vertrauenskultur in der Apotheke muss der Apothekenleiter die schmale Gratwanderung schaffen zwischen einem Vertrauens­verhältnis, durch das Mitarbeiter motiviert werden, und dem Anspruch, letztendlich als Vorgesetzter Autoritätsperson zu sein. Das Vorgehen dabei hängt auch vom Reifegrad des jewei­ligen Mitarbeiters ab.

Am Anfang dieser Überlegungen steht eine Grundsatzentscheidung: Kann und will man als Apothekenleiter an „das Gute“ im Menschen glauben und darauf vertrauen, dass sich die Mitarbeiter gern und motiviert für die Erreichung der Apothekenziele einsetzen? Und darum die Kontrolle so gering wie möglich halten? Nach dem Motto: So viel Vertrauen wie möglich, so viel Kontrolle wie nötig? Oder tendiert man dazu, grundsätzlich davon auszugehen, dass die Mitarbeiter ihren Job lediglich nach Vorschrift ausüben wollen und mehr oder weniger dazu gezwungen werden müssen, sich zu engagieren?

Die meisten Apothekenleiter wissen, dass sie ihre Mitarbeiter brauchen, wenn sie Erfolg haben wollen. Und weil Menschen meistens mehr zu leisten bereit sind, wenn sie von der Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit ihres Tuns überzeugt sind, sich ernst genommen fühlen und aktiv in Entscheidungsprozesse eingebunden werden, ist es von Vorteil, ihnen einen Vertrauensvorschuss zu geben. Wenn dies von einem Mitarbeiter ausgenutzt und der Vertrauensvorschuss nicht zurückgezahlt wird, muss der Apothekenleiter wahrscheinlich prüfen, ob es nicht besser ist, sich von diesem Mitarbeiter zu trennen.

Theorie X und Theorie Y

Hintergrund der Grundsatzentscheidung sind die „Theorie X und Theorie Y“ des amerikanischen Wissenschaftlers Douglas McGregor, die dieser vor über 50 Jahren am Massachusetts Institute of Technology entwickelte. Der Theorie X liegt ein eher negatives Menschenbild zugrunde: Menschen sind demnach wenig motiviert, eigenständig und eigenverantwort­lich zu arbeiten; sie versuchen daher, Arbeit zu vermeiden, müssen mit Repressalien zur Leistung gezwungen werden, scheuen Verantwortung und sind unfähig, Eigeninitiative zu entwickeln. Der entsprechende Führungsstil ist eher autoritär geprägt.

Theorie Y hingegen beschreibt ein positives und aufgeklärtes Menschenbild: Arbeit kann Befriedigung auslösen, Menschen sind willens, Verantwortung zu übernehmen, sowie kreativ und bereit, ihre Fähigkeiten zum Wohle des Unternehmens einzusetzen. Diese Voraussetzungen führen zum partnerschaftlichen oder kooperativen Führungsstil, der auf Vertrauen beruht.

Wichtig ist, dass sich der Apothekenleiter folgende Frage vorlegt: „Welches Menschenbild habe ich, bin ich eher ein Anhänger der Theorie X oder der Y-Theorie?“ McGregor gelangte zu der Überzeugung, ein Unternehmen müsse sich – wolle es erfolgreich sein – die Intelligenz, den Enthusiasmus und das Engagement aller Mitarbeiter sichern und zunutze machen. Dabei gilt: Ein positives Menschenbild und das Vertrauen, dass sich jeder Mitarbeiter für die Interessen seines Unternehmens einsetzt, erleichtern die Führungspraxis erheblich. Der mitarbeiter­orientierte Führungsstil öffnet am ehesten das Tor zum Mitarbeiter.

Reifegrad des Mitarbeiters beachten

Apothekenleiter, die sich – aus welchen Gründen auch immer – der Theorie X und damit tendenziell dem autoritären Führungsstil verpflichtet fühlen, sollten sich dazu bekennen und dies entsprechend praktizieren. Das ist glaubwürdiger, als nach außen ­einen demokratischen Führungsstil zu propagieren und sich dann doch autoritär zu verhalten. Der Vorteil: Mitarbeiter wissen so, „woran sie sind“, und können sich darauf einstellen.

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Differenzierung ist bei der Mitarbeiterführung wichtig. Den einen Mitarbeiter kann man vertrauensvoll selbstständig arbeiten lassen, der andere benötigt mehr vertrauensvolle Unterstützung.

Prinzipiell sollte ein Apotheken­leiter überlegen, ob es nicht auch zu seinem Vorteil und dem der Apotheke ist, den Mitarbeitern zu vertrauen. Natürlich: Jeder Mitarbeiter ist anders, und darum muss der Apothekenleiter stets den individuellen Reifegrad eines Mitarbeiters berücksichtigen. Während der etwas unsichere Mitarbeiter Müller auf permanente Bestätigung und auf Kontrolle angewiesen ist, die es ihm erlauben, seine Leistungen einzuschätzen, benötigt die erfahrene Mitarbeiterin Kuntz viel Freiraum und das uneingeschränkte Vertrauen des Chefs. Die neue Auszubildende Maier wiederum braucht wohl eher beratende Kontrolle. Der langjährige Mitarbeiter Schmidt hingegen hat sich im Laufe der Zeit einen Vertrauensvorschuss beim Apothekenleiter erarbeitet.

Differenzierung tut also not, auch bei der Frage, wie viel Nähe zwischen Apothekenleiter und Mitarbeitern angemessen ist. Sie lässt sich nicht pauschal beantworten, auch hier kommt es auf den Reifegrad des Mitarbeiters an.

Vertrauensbildende Maßnahmen ergreifen

Wer sich für das Prinzip „Eher vertrauen als misstrauisch kontrollieren“ entschieden hat, sollte konkrete Taten folgen lassen. Zu empfehlen ist, dass sich der Apothekenleiter vom Misstrauen als Haltung endgültig verabschiedet. Denn diese Haltung führt meist in die Negativspirale. Konkret: Der Apothekenleiter misstraut einem Mitarbeiter und erwartet darum von ihm immer nur das Schlechteste. Der Mitarbeiter wird auf das Misstrauen des Chefs seinerseits mit Argwohn und Unsicherheit reagieren, was schließlich zu unbefriedigenden Arbeitsergeb­nissen führt. Das bestätigt den Apothekenleiter in seiner negativen Erwartungshaltung, sein Misstrauen nimmt weiter zu.

Zielführender ist es, eine konstruktive Haltung einzunehmen und diese mit entsprechenden Maßnahmen zu unterfüttern: Der Apothekenleiter ist ehrlich zu den Mitarbeitern und schenkt ihnen auch in schwierigen Situationen „reinen Wein“ ein. Er akzeptiert sie als Menschen und betrachtet sie nicht als Funktionsträger, sondern als Mitglieder seines Teams, mit denen zusammen er erfolgreich sein will. Dies führt oft automatisch dazu, dass er den Mitarbeitern mit Herzlichkeit und Wohlwollen begegnet und Initiativen ergreift, die das Betriebsklima aufhellen. Wer mit Menschen gemeinsam etwas erreichen möchte, wird wie von selbst versuchen, ein angenehmes und zugleich leistungsförderndes Arbeitsklima herzustellen, in dem sich alle wohlfühlen können.

Und die Kontrolle?

Die produktive Haltung wirkt sich auf das kommunikative Verhalten des Apothekenleiters aus: Es geht darum, Gespräche auf Augenhöhe zu führen und einen konstruktiven Dialog anzustreben, bei dem er dem Mitarbeiter zuhört und ihn als Privatperson sieht: „Wie läuft es denn zu Hause? Ist Ihre Tochter wieder gesund?“

Entscheidend für ein Vertrauensverhältnis ist das Verhalten des Apothekenleiters in kritischen Situationen. Bei Fehlern zum Beispiel stellt er nicht die Suche nach einem Schuldigen in den Vordergrund, sondern findet zusammen mit den Mitarbeitern Wege, die es verhindern, dass der Fehler nochmals unterläuft. Das Motto lautet: Fehler sind der erste Schritt zur Verbesserung.

Bleibt die Frage nach der Kontrolle. Auch in einer vertrauensvollen Atmosphäre kann die Kontrolle wohl nicht gänzlich außen vor bleiben. Allerdings: Es darf dem Apothekenleiter nicht um die Kontrolle an sich gehen. Im Fokus sollte das Ergebnis der Kontrolle stehen. Dieses sollte dann die Grundlage für die Verbesserung von Arbeitsprozessen und -abläufen bilden. Ein Beispiel: Wenn die Kontrolle ergibt, dass ein Mitarbeiter oft zu spät kommt, wird nach den Ursachen geforscht, um sie abzustellen. |

Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater

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