Wirtschaft

Alkohol aus der Zuckerfabrik

Not macht erfinderisch: Unternehmen unterstützen Desinfektionsmittelherstellung

ks | Die Corona-Epidemie sorgt für einen anhaltend hohen Bedarf an Händedesinfektionsmitteln. Viele Apotheken tun ihr Bestes, um für Nachschub ins­besondere bei den Gesundheitspartnern zu sorgen. Es wurden bereits einige Erleichterungen geschaffen, doch die Beschaffung der Ausgangsstoffe für die Eigenherstellung bleibt eine Herausforderung. Mittlerweile springen Brennereien und Zuckerfabriken ein, um zu helfen.

Das Bundesamt für Chemikalien hat bereits Allgemeinverfügungen und Ausnahmegenehmigungen nach Artikel 55 Abs. 1 der Biozid-Verordnung erlassen. Danach dürfen unter anderem Apotheken jetzt 2-Propanol-haltige, 1-Propanol-haltige und Ethanol-haltige Biozidprodukte zur hygienischen Händedesinfektion herstellen – für die breite Öffentlichkeit sowie für Kliniken, Arztpraxen und Heime. Arzneibuchqualität ist längst nicht mehr nötig und auch der Ethanol, der eigentlich zulassungsfrei in Verkehr gebracht und verwendet werden darf, muss nicht mehr den höchsten Kriterien entsprechen. Steuerfrei ist das verwendete Ethanol mittlerweile überdies.

Die Anforderungen an Ethanol gemäß der Allgemeinverfügung vom 20. März 2020 lauten:

  • Reinheit: mindestens 96% vergällt oder unvergällt
  • Keine gefährlichen Verunreinigungen (z. B. CMR-Stoffe oberhalb 0,1%, hautsensibilisierende Stoffe etc.)
  • Die Reinheit des Wirkstoffes ist über entsprechende Analysezertifikate des Herstellers zu belegen.

Und damit sind auch Brennereien im Spiel: Wie das Bundesamt für Chemikalien in seinen FAQs zu seinen Allgemeinverfügungen ausführt, darf sowohl Bioethanol als auch Ethanol von Brennereien, das diese Anforderungen erfüllt, für die Herstellung und das In­verkehrbringen der Händedesinfektionsmittel verwendet werden – jedenfalls für die Rezepturen, die das Bundesamt in besagter Allgemeinverfügung benennt.

Mittlerweile sind immer mehr Brennereien im „Desinfektionsmittelgeschäft“: 100.000 Liter Alkohol erhält etwa das Klinikum Braunschweig derzeit von niedersächsischen Unternehmen zur Herstellung von Desinfektionsmittel. Eine Hälfte davon stelle der Spirituosenhersteller Jägermeister aus Wolfenbüttel zur Verfügung, teilte die Klinik mit. Darüber hinaus werde eine weitere Lie­ferung mit 50.000 Litern vom Chemieunternehmen KWST aus Hannover erwartet.

In Anklam (Landkreis Vorpommern-Greifswald) gibt die Zuckerfabrik ebenfalls Bioethanol an Apotheken aus. Vergangenen Mittwoch standen dort Apotheker Schlange, die teilweise weite Anreisen hatten. Laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) wurden in Anklam rund 13.000 Liter Ethanol in etwa fünf Stunden verkauft. Die Zuckerfabrik hatte bereits in der Woche zuvor rund 5000 Liter ausgegeben. Diese Woche sei eine erneute Aktion geplant.

Indessen stellen auch erste Betriebe ihre Produktion um. So hat der CEO der Klosterfrau Healthcare Group, Helmut Fabry, angekündigt: „Wir sind dabei, eine unserer Produktionsanlagen auf die Herstellung von Handdesinfektionsmitteln in 0,2-l-Flaschen umzustellen.“ Die Produktion im Zweischichtbetrieb solle ab Anfang April beginnen. Klosterfrau will dem Land Nordrhein-Westfalen eigenen Angaben zufolge überdies 500.000 Flaschen schenken. |

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