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Gesundheitspolitik
Kommentar: Schöne neue Kassen-Welt
Als die Ärzteschaft beim Deutschen Ärztetag vor zwei Jahren beschloss, dass künftig Fernbehandlungen auch ohne vorherigen persönlichen Kontakt mit dem Arzt erfolgen dürfen, war eine heftige Diskussion vorausgegangen. Bedenken gab es nicht nur bezüglich der Versorgungsqualität, sondern es wurde auch die Befürchtung geäußert, dass die niedergelassenen Ärzte in Zukunft durch Callcenter ersetzt werden könnten. Maßgeblich beigetragen zu der Entscheidung hatte seinerzeit Gesundheitsminister Jens Spahn, der massiven Druck auf die Ärzte ausübte mit der Warnung, dass Deutschland bei der Telemedizin nicht warten solle, bis Google, Apple oder Amazon damit auf den deutschen Markt kämen.
Doch nun scheinen die Bedenkenträger von damals recht zu behalten. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie bietet die Techniker Krankenkasse die komplette Versorgung an: Versicherte mit einer Infektion mit SARS-CoV-2 oder dem Verdacht darauf werden rund um die Uhr telefonisch beraten. Bei Bedarf können sie sich dann in einer Onlinesprechstunde behandeln, Medikamente digital verordnen und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen lassen.
Das dürfte jedoch erst der Anfang sein. Man mag sich kaum ausmalen, wie die Krankenkassen sich die schöne neue Welt vorstellen: Die Sprechstunde im Callcenter spart die Arzthonorare und das Arzneimittel vom Versender drückt die Ausgaben für Medikamente. Da bliebe genug Luft, um mit finanziellen Anreizen eine solche Rundumversorgung attraktiv zu machen. Die Machtfülle der Krankenkassen würde dadurch weiter zunehmen. Ob Spahn die Geister, die er rief, dann noch im Zaum zu halten vermag?
Dr. Christine Ahlheim, C'hefredakteurin der AZ
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