Gesundheitspolitik

Ökonomisches Gutachten ohne Handlungsempfehlung

IGES-Gutachten liefert viele Daten und ein theoretisches Modell – aber kein Fazit

tmb | Kurz nach Redaktionsschluss dieser AZ stand das Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz auf der Tagesordnung des Bundestages. Zwei Tage zuvor wurde das „Ökonomische Gutachten zum Apothekenmarkt“ veröffentlicht, das das Bundesgesundheitsministerium beim IGES Institut in Auftrag gegeben hatte. Offenbar sollte es die Abgeordneten auf das Thema einstimmen. Doch was bietet das lang erwartete Gutachten tatsächlich?

Der erste Teil der Studie beschreibt das Apothekensystem und die wirtschaftliche Situation der Apotheken anhand weitgehend bekannter Daten. Neue Informationen liefert eine bemerkenswerte Analyse zur Erreichbarkeit von Apotheken auf der Grundlage realer Wegstrecken und Fahrzeiten. Demnach erreichen 98,0% der Einwohner innerhalb von zehn Minuten mit dem Auto eine Apotheke, zu Fuß aber nur 34,9%. Sogar in 20 Minuten können nur 64,1% zu Fuß zu einer Apotheke gelangen. Somit ist die Erreichbarkeit zu Fuß vielerorts kritisch. Weitere Daten bilden eine Fundgrube für künftige Auswertungen.

Der zweite Teil der Studie bietet modelltheoretische Betrachtungen zum Vergleich zwischen der bestehenden Situation nach dem EuGH-Urteil und einem auch für ausländische Versender gültigen Rx-Boni-Verbot, wie es im VOASG geplant ist, jedoch nicht zur grundsätz­lichen Bedeutung der Preis­bindung. Die Studie benennt die bestehende Situation als Wettbewerbsverzerrung.

© Kai Felmy

E-Rezept verändert Wettbewerb

In der theoretischen Analyse wird mehrfach mit der Idee argumentiert, dass die Vor-Ort-Apotheken die OTC-Preise als Wettbewerbsinstrument nutzen können, wenn die Versender Rx-Boni bieten. Ein Rx-Boni-Verbot würde demnach zu steigenden OTC-Preisen führen, weil sich dieser Wettbewerb erübrigen würde. Davon würden alle Apotheken profitieren. Zusätzlich würde ein Rx-Boni-Verbot die Gewinne der Versender erhöhen, weil sie die Boni sparen würden. Doch voraussichtlich werde das E-Rezept den Apothekenmarkt mehr verändern als mögliche Eingriffe in die Preisregulierung. Die Autoren erwarten eine „neue Wettbewerbslandschaft“. Da der Zugang zum Versand einfacher werde, könne der Versand seinen Marktanteil und seinen Gewinn erhöhen. Dagegen würden die Vor-Ort-Apotheken als Wettbewerbsmaßnahme die OTC-Preise senken und dadurch belastet.

Spieltheoretisches Modell

Diese Erkenntnisse werden teilweise aus einem sehr abstrakten spieltheoretischen Modell abge­leitet. Die Autoren erklären, dass dies nicht für quantitative Prognosen dient. Es geht nur um Zusammenhänge und Tendenzen. Angesichts der teilweise künstlichen Annahmen erscheint die Aussagekraft eines solchen Modells allerdings fraglich. Insbesondere ist das Modell nicht darauf ausgerichtet, den Marktanteil der Versender oder die Zahl der Vor-Ort-Apotheken für die flächendeckende Versorgung im Zeitverlauf zu pro­gnostizieren, denn das Modell beschreibt ausdrücklich keine Entwicklungen in der Zeit.

Veränderung durch E-Rezept

Auch zu juristischen Aspekten äußern sich die Gutachter nicht. Doch sie betonen die Bedeutung des E-Rezeptes. Es werde zu einer „neuen Wettbewerbslandschaft“ führen und den Apothekenmarkt stärker verändern als mögliche Anpassungen von Preisregulierungen. Davon würden insbesondere die Versender profitieren, weil sich die Wartezeit für die Patienten verkürzt. Zugleich werde sich der Wettbewerb im OTC-Bereich verstärken. Welche Kon­sequenzen aus dem Gutachten zu ziehen sind, bleibt den Lesern überlassen. |

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