Gesundheitspolitik

Grippeimpfstoff: genug oder nicht genug?

Spahn: keine Versorgungsengpässe / Apotheker und Ärzte melden Mangel

cha | Gibt es wieder einmal viel Lärm um nichts bei der Grippeimpfung? Erst werden Engpässe beklagt und zum Schluss Millionen Impfdosen vernichtet? Oder kann im Corona-Jahr 2020 tatsächlich nicht jeder geimpft werden, der sich das wünscht?

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist sich sicher: Zwar könne es momentan lokal und zeitlich zu Lieferengpässen kommen, sagte er laut der Deutschen Presse-Agentur am vergangenen Mittwoch in Berlin. „Das heißt aber nicht, dass wir Versorgungsengpässe bei diesem Grippeimpfstoff haben.“ Das Bundesgesundheitsministerium habe für diese Saison 26 Millionen Dosen bestellt. Der Impfstoff werde aber, so Spahn, nicht an einem Tag ausgeliefert, sondern stehe nach und nach zur Verfügung. „Wenn wir 26 Millionen Grippedosen verimpft haben sollten irgendwann im Januar, Februar (...), wäre ich ein sehr glücklicher Gesundheitsminister“, sagte Spahn, der sich selbst publikumswirksam vor laufenden Kameras impfen ließ.

Auch die ABDA sieht keinen Engpass bei der Versorgung mit Grippeimpfstoff in Deutschland. Die 26 Millionen zur Verfügung stehenden Impfdosen seien „bei Weitem noch nicht verbraucht“, sagte ein Sprecher der Nachrichtenagentur AFP.

Doch an der Basis sieht es offenbar ganz anders aus. Er könne die Aussage von Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn, es bestün­den „keine Engpässe bei Gripp­eimpf­stof­fen“, nicht so stehen lassen, teilte Dr. Gerald Quit­te­rer, Präsi­dent der Baye­ri­schen Landes­ärz­te­kam­mer (BLÄK), per Pressemeldung mit. Fakt sei, dass in Bayern viele Praxen noch nicht einmal die vorbe­stell­ten Impf­stoffe komplett erhal­ten hätten. Nach­be­stel­lun­gen seien derzeit zwar möglich, jedoch zeit­lich nicht abseh­bar. „Ob in Zukunft frist­ge­recht gelie­fert werden wird, ist eine Hypo­thek auf die Zukunft“, so Bayerns Kammer­chef.

Blitzumfrage in Nordrhein bestätigt Engpasssituation

Und auch aus Apothekerkreisen wird über erhebliche Engpässe berichtet. Das zeigt eine aktuelle Blitzumfrage unter den Mitgliedern des Apothekerverbandes Nordrhein e. V., an der sich laut Pressemeldung bis zum vergangenen Donnerstagabend rund 400 Apotheken und damit etwa 20 Prozent der Mitgliedsapotheken beteiligt hatten. Nahezu alle bewerten die Nachfrage nach Grippeimpfstoffen zum jetzigen Zeitpunkt als „sehr viel höher“ als im Vorjahr und beurteilen die Verfügbarkeit als „schlecht“ oder „sehr schlecht“.

Rund 85 Prozent der Teilnehmer haben Vorbestellungen von Grippe­impfstoffen von Arztpraxen er­halten und diese auch beliefert. Mittlerweile haben bereits über 90 Prozent der Apotheken Nach­bestellungen von Arztpraxen vorliegen, die aber aufgrund der aktuell fehlenden Verfügbarkeit zurzeit nicht bedient werden. Rund 95 Prozent bestätigten, dass sie aktuell aufgrund der hohen Nachfrage weder Großpackungen für den Praxisbedarf noch Einzeldosen vorrätig hätten.

„Mit rund 400 Rückmeldungen in drei Tagen verzeichnen wir die bisher größte Resonanz auf eine Blitzumfrage. Das ist auch ein klares Indiz dafür, dass die Kolleginnen und Kollegen die Verfügbarkeit an Grippeimpfstoffen als ein äußerst drängendes Problem einschätzen“, erklärt Thomas Preis, Vorsitzender Apothekerverband Nordrhein e. V. In zahlreichen Kommentaren hätten Umfrageteilnehmer zudem ihr Unverständnis kundgetan, dass eine offensichtlich vorherrschende und auch von Ärzten bestätigte Engpasssituation bei der aktuellen Grippeimpfstoffversorgung in der Politik nicht als solche wahr­genommen werde. |

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