Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: „Big Google is consulting you“

Dr. Google & Co.

Prof. Dr. Andreas Kaapke

Der Google-Experte ist in aller Munde, denn auch der Händler Google, der Handwerker Google oder der Rechtsanwalt Google werden konsultiert – genauso wie Dr. Google, der Arzt oder Apotheker. Google, Amazon, Facebook & Co. sind für die Interessierten vor allem eines: bequem. Man kann von überall auf die Informationen im Internet zugreifen, und dies zu allem Überfluss anonym. Sollte also ein schwerwiegenderes oder vom Patienten als peinlich empfundenes (Fußpilz, Filzläuse usw.) Gesundheitsproblem vorliegen, ist es einfach und eben anonym, sich im Internet schlau zu machen. Als Erstinformation mag dies angehen, die Gesellschaft macht dies in allen anderen Fragestellungen auch. Die Frage ist, wie gut eine Beratung ausfällt. Das gilt zwar auch für alle anderen Lebensbereiche, nur wenn es um Gesundheit geht, kann dies existenziell werden. Zudem kann ein Algorithmus nur so gut antworten, wie detailliert die Symptome geschildert werden. Von daher sind den Beratungsleistungen im Internet oft persönliche Limitationen gesetzt, da der Informationssuchende ggf. gar nicht in der Lage ist, alle wesentlichen Informationen bei­zufügen. Wie auch?

Das soll sich keinesfalls so lesen, als ob man die Internetrecherchen für gesundheitliche Befunde verhindern oder reduzieren müsse. Dies wird nicht geschehen, im Gegenteil: Als Erstinformation ist dies unter Umständen sogar nützlich. Setzt jetzt eine Eigentherapie ein, kann man froh sein, wenn der Informationsfluss in beide Richtungen gut bis optimal verlaufen ist. Schöner wäre es, wenn der so vorinformierte Patient nun zu Arzt oder Apotheker gehen und dort eine Beratung von Angesicht zu Angesicht abrufen würde. Gegebenenfalls erweisen sich die im Internet gefundenen Informationen als richtig, dann können Arzt und/oder Apotheker dies bestätigen und die einzuleitenden Maßnahmen exekutieren. Sind die Informa­tionen etwas schief oder lückenhaft, kann nachgebessert werden. Als Folge könnte daraus in Zukunft für den Verbraucher die Rückkehr zum klassischen Weg der lohnendste Fall sein. Bei groben Abweichungen oder glatten Fehldiagnosen ist dies zu artikulieren und zur Vorsicht zu mahnen, um dann zu untersuchen und zu therapieren bzw. ein Medikament zu empfehlen.

Der schlechtere Fall läge vor, wenn Dr. Google & Co. keinen Handlungsbedarf für den Patienten signalisieren, dieser aber gegeben wäre. Dann kann man nur hoffen, dass die Hartnäckigkeit des Patienten groß genug ist, um recht­zeitig doch den klassischen Weg einzuschlagen. Wenn nicht, bleibt es problematisch. Nicht, dass dies nicht auch beim persönlichen Gespräch passieren kann, aber es ist weniger wahrscheinlich.

Sollte in der Tat kein Handlungsbedarf bestehen und wurde dies durch eine einschlägige Seite richtigerweise diagnostiziert, hat das System Geld gespart.

Man darf sich die neuerdings auch im Einzelhandel eingesetzten Informationszentralen nicht nur als Chatbots mit künstlicher Intelligenz vorstellen, die genauso gut sind, wie sie zuvor programmiert und mit Wissen gefüttert wurden, sondern vielfach sind an den zentralen Stellen Experten, die eine Ferndiagnose erstellen. Aus diesem entworfenen Bild erwachsen aber auch die Zweifel, ob dies ­immer trägt und demnach aus­reichend ist.

Dr. Google ist schnell, bequem, einfach und billig, all dies sind gute Argumente, diese Variante in Erwägung zu ziehen, doch er ist oft auch nicht ganzheitlich, verbindlich und zielorientiert. Aber auch wenn als Ersteinschätzung die Vorgehensweise hilfreich sein kann, vermag nicht jeder, der ein gesundheitliches Problem hat, eine Antwort per se zu verstehen und richtig zu verarbeiten. Genau dieser Aspekt der ärztlichen und apothekerlichen Aufgaben wird jedoch in einer anonymen Beratung durch Dr. Google völlig ausgeblendet. Allein aus diesem Grund ist es gut und richtig, dass Arzneimittel in die Kategorien rezept-, apothekenpflichtig und frei verkäuflich unterschieden werden.

Und Ärzten ist dringend anzu­raten, bisweilen ihr „Fachchinesisch“ etwas zurückzufahren und die ­Diagnose, aber auch die Therapie für alle verständlich rüberzubringen. Denn wenn ein Besuch beim Arzt oder Apotheker nicht die notwendigen Infos an den Kunden verständlich übermittelt, sind die Heilungschancen schlechter und der Prozess teurer. Dann gewinnt im Zweifel der auch sprachlich ­bagatellisierende Dr. Google. Muss ich mich als Kunde/Patient zwischen „Verstehe ich“ und „Scheint kompliziert zu sein“ entscheiden, wählt der Normalsterbliche die einfache und womöglich billige Variante. Mir indes käme es ­komisch vor, wenn sowohl mein Hausarzt wie auch mein Apotheker Dr. Google hießen und mein Rechtsanwalt gleichwohl und deren Stimmen blechern aus einem Monitor mit Lautsprecherbox ­kämen, alle in identischer Stimmfärbung. Big Google is consulting you. |

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

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