Praxis

Das Kühlschrank-Dilemma

Wie Apotheken in der Hämophilie-Versorgung externe Arzneimittellager absichern sollten

Von Jascha Arif und Steffen Benecke | Apotheken dürfen Arzneimittel unter bestimmten Umständen extern - also außerhalb der eigenen Räumlichkeiten – lagern. Dieser Bedarf ergibt sich etwa in der Krankenhaus- und Heimversorgung. § 4 Absatz 4 Satz 1 Nr. 1 der Apotheken­betriebsordnung schreibt dabei vor, dass die Lagerräume in angemessener Nähe zu den übrigen Betriebsräumen liegen müssen. Seit dem 1. September 2020 ist die externe Bevorratung im Zusammenhang mit der Hämophilie-Versorgung nunmehr gemäß des neu gefassten § 43 Absatz 3a Arzneimittelgesetz (AMG) ebenfalls möglich. Was gilt es zu beachten?

Für Apotheker, die Arzneimittel außerhalb ihrer Apotheke aufbewahren möchten, stellen sich praktische Fragen hinsichtlich der Wertesicherung und Haftung. In besonderem Maße gilt dies für Apotheken, welche Arzneimittel zur Behandlung der Hämophilie bevorraten. Diese Präparate sind zumeist im Kühlschrank bei 2 bis 8 Grad Celsius zu lagern und vor Licht zu schützen. Manche Produkte sind sogar kühlkettenpflichtig. Die Hämophilie-Apotheken müssen also sowohl die Lagerung in der Apotheke als auch gegebenenfalls außerhalb ihrer eigenen Räumlichkeiten stets im Blick haben.

Höchstentschädigung entscheidend

Für den apothekeneigenen Kühlschrank gelten die auch sonst allgemein relevanten Fragen nach den versicherten Risiken und der ausreichenden Höchstentschädigung. Einige Tarife sichern lediglich den eher seltenen Ausfall der öffentlichen Stromversorgung ab (etwa derzeit bei AXA, Barmenia, Allianz oder Debeka). Gute Klauseln hingegen greifen darüber hinaus pauschal bei technischem Versagen oder Niederbrechen der maschinellen Kühleinrichtung.

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Für den unvorhersehbaren und dringenden Bedarf dürfen Apotheken in Arztpraxen einen Notfallvorrat mit Hämophilie-Arzneimitteln bereithalten.

Eine passende Höchstentschädigung für den Arzneimittelkühlschrank dürften die wenigsten Apotheken bereits in ihrem regulären Tarif haben. Die Hämophilie-Arzneimittel sind höher- bis hochpreisig, und selbst die stärksten Tarife am Markt bieten lediglich 75.000 bis 100.000 Euro als Maximalentschädigung an. Wenn diese Summen nicht ausreichend sind, um den Gesamtwert der Präparate abzubilden, lassen sich die Höchst­entschädigungen bei den Versicherern gegen einen Zusatzbeitrag er­höhen. Grundsätzlich sollten Arzneimittelkühlschränke nach DIN 58345 gewählt werden – viele Versicherungsgesellschaften setzen dies voraus und schränken andernfalls den Versicherungsschutz ein.

Außenversicherung greift nicht

Weitaus heikler ist indes die Arzneimittelbevorratung außerhalb der Apotheke in Notfalldepots. Gemäß § 43 Absatz 3a Arzneimittelgesetz dürfen ärztliche Einrichtungen, die auf die Behandlung von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie spezialisiert sind, in ihren Räumlichkeiten einen Vorrat an Arzneimitteln zur spezifischen Therapie von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie für den unvorhersehbaren und dringenden Bedarf (Notfallvorrat) bereithalten. Es ist angestrebt, dass die Apotheken folglich in den Arztpraxen ihre Arzneimittelkühlschränke mit den Hämophilie-Medikamenten platzieren. Grundsätzlich besteht hierfür jedoch aus Apothekerperspektive kein Versicherungsschutz, da ein dauerhaft außerhalb des Versicherungsortes positionierter Kühlschrank nicht von der sogenannten Außenversicherung erfasst ist. Diese sichert nur vorübergehend außerhalb des Versicherungsortes befindliche Wertgegenstände ab. Es bedarf für die Arzneimittel im Notfalldepot daher in jedem Fall einer Zusatzvereinbarung mit den Versicherern.

Welche Risiken lauern in der Arztpraxis?

Eine alternative Abwälzung der Versicherungspflicht auf den Arzt kann darüber hinaus auch keine befriedigende Lösung darstellen. Zum einen befinden sich die Arzneimittel im Kühlschrank noch im Eigentum der Apotheker und sind für den Arzt als fremdes Eigentum nicht ohne Weiteres zu versichern (auch Kommissionsware ist regelmäßig in den Bedingungs­werken der Versicherer vom Versicherungsschutz ausgeschlossen!), zum anderen entstehen durch die externe Aufbewahrung neue Risiken, welche für den Apotheker nicht beherrschbar und auch nicht versicherbar sind. Da wäre etwa das Risiko, dass Dritte in der Arztpraxis die teuren Arzneimittel unbemerkt an sich nehmen. Hier ist es bereits schwierig, sich gegen das Risiko „Diebstahl“ zu versichern. Ein sogenannter „einfacher Diebstahl“ ist keine klassische Gefahr, die standardmäßig wie „Feuer“ oder „Leitungswasser“ abgesichert werden kann. Die klassische Inhaltsversicherung kennt nur die grundsätzliche Absicherung gegen „Einbruchdiebstahl“ (von Ausnahmen – etwa beim Fahrraddiebstahl – ab­gesehen). „Einbruchdiebstahl“ ist wiederum, juristisch oder aus Versicherungsperspektive betrachtet, etwas anderes als der „einfache Diebstahl“. Noch schwieriger wäre es, wenn ein Mitarbeiter der Arztpraxis mit Zugang zum Kühlschrank die Medikamente in krimineller Absicht an sich nähme. Dies wäre juristisch als eine Unterschlagung nach § 246 StGB zu qualifizieren. Die Unterschlagung ist grundsätzlich vom Versicherungsschutz ausgenommen (statt vieler als Beispiel die Helvetia Versicherung mit dem Ausschluss in Ziffer 1.4.5 lit. n) Var. 4 ihrer Bedingungen BL-Sach-1501, Stand 01.01.2018 [Helvetia Business Pharma]). Für Straftaten, die Mitarbeiter bei Gelegenheit einer betrieblich veranlassten Tätigkeit gegen fremdes Eigentum begehen, haftet übrigens weder der Arzt noch dessen Berufshaftpflichtversicherung.

Wenn sich die genaue Schadensursache bzw. der Schadenshergang nicht nachweisen lässt, würde der Apotheker ebenfalls nicht von der Versicherung entschädigt, da den Geschädigten/Versicherungsnehmer diesbezüglich eine Nachweispflicht trifft. Dieser Nachweis gelingt Versicherungsnehmern bedauerlicherweise häufig nicht.

Vertragliche Vereinbarung notwendig

Die Apotheker sollten mit den Ärzten vielmehr eine vertragliche Verein­barung treffen, die den Ärzten das Risiko des Unterganges und der Verschlechterung für die Arzneimittel auferlegt. Diese Risikoverteilung sollte unabhängig vom Verschulden gelten, denn es sind diverse Konstellationen denkbar, bei denen es trotz ordnungsgemäßer Verwahrung und ohne nachweisbares Verschulden des Arztes zu einem Schaden an den Medikamenten kommt (etwa durch das genannte Beispiel des diebischen Mitarbeiters oder bei unaufklärbarem Sachverhalt). Die Arzneimittel befinden sich jedoch im Einfluss- und Herrschaftsbereich des Arztes, während der Apotheker keine Einflussmöglichkeiten hat, sein Eigentum zu schützen. Daher erscheint es sachgerecht, allein dem Arzt das verschuldens­unabhängige Risiko aufzuerlegen.

Resümee

Es ist den Apotheken in der Hämo­philie-Versorgung dringend anzuraten, einen ausreichenden Versicherungsschutz sicherzustellen sowie weitergehend valide vertragliche Vereinbarungen mit den Arztpraxen zu treffen, um nicht schlimmstenfalls auf hohen fünfstelligen oder gar sechs­stelligen Schäden sitzen zu bleiben. |

Jascha Arif, Rechtsanwalt

Steffen Benecke, Versicherungsmakler

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