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Aus den Ländern
Onkologie und Berufspolitik beim 28. NZW
Größter deutschsprachiger pharmazeutisch-onkologischer Fachkongress bot vielseitiges Spektrum
Einleitend gab Klaus Meier, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (DGOP) und der European Society of Oncology Pharmacy (ESOP), einen kurzen Rückblick auf die vergangenen NZW-Tagungen. Vieles wurde erreicht, so etwa die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (DGOP), die Entwicklung neuer Qualitätsstandards (QUAPOS), die Implementierung der Oralia-Initiative und die Möglichkeit zum Erlangen beruflicher Qualifikationen, so in jüngster Zeit die Ausbildung zum European Oncology Pharmacist (ESOP). Eines blieb aber unverändert: die Betreuung krebskranker Patienten und die Vermittlung pharmazeutisch-onkologischen Wissens.
In Richtung zielgerichtete Wirkstoffe
Die diesjährigen Programmpunkte spiegelten das vielseitige Spektrum der onkologischen Pharmazie wider: So wurden berufspolitische Fragen diskutiert, die sich aufgrund neuer oder geplanter Gesetze ergeben, und Hintergründe der Lieferengpässe von Arzneimitteln aufgezeigt. Rechtliche und ethische Fragen wurden in Vorträgen zum Datenschutz von Patientendaten und zu der Patientenbeteiligung in klinischen Studien erörtert, und ein Vortrag befasste sich mit den finanziellen und sozialen Folgen, unter denen junge Krebspatienten zu leiden haben.
Bei den medizinischen Vorträgen im Rahmen des NZW-Kollegs „State of the Art der häufigsten Tumorerkrankungen“ zeigten sich unter anderem die unterschiedlichen Vorgehensweisen zur Therapie eines Tumorleidens: Bei der chronischen myeloischen Leukämie (CML) führte die Entdeckung des krankheitsverursachenden Onkogens, die Bcr-abl-Translokation, zur Entwicklung des zielgerichteten Wirkstoffs Imatinib. Seitdem werden zur CML-Behandlung fast ausschließlich orale Tyrosinkinase-Inhibitoren (Imatinib und Zweitgenerations-Tyrosinkinase-Inhibitoren) eingesetzt. Beim Morbus Hodgkin hingegen ist die Ursache der Erkrankung weitgehend unbekannt und die Therapie orientiert sich an der empirisch-klinischen Erfahrung und an Therapieprotokollen, die vor mehreren Jahrzehnten entwickelt wurden.
Ein Überblick über neue Onkologika zeigte, dass die derzeitige Entwicklung in Richtung zielgerichteter Wirkstoffe geht, was wiederum molekulargenetische Analysen als Grundlage von Therapieentscheidungen voraussetzt. Auch diesem Thema war ein Vortrag gewidmet.
Liquid Biopsy und CAR-T-Zellen
Ein Vortrag zur Liquid Biopsy zeigte die potenziellen Anwendungsmöglichkeiten dieser neuen Technologie, in der das Blut des Patienten auf Tumorzellen oder Tumorzellprodukte hin untersucht wird, wodurch aufwendige Gewebebiopsien vermieden werden können. Anwendungsmöglichkeiten sind die Verlaufskontrolle, die prognostische Einschätzung der Therapie und des Krankheitsverlaufs, die Identifizierung von Zielstrukturen und die Stratifizierung von Patientengruppen. Eine Frühdiagnose, die von großem gesundheitsökonomischem Interesse ist, gestaltet sich derzeit noch schwierig, da bei dieser Fragestellung Sensitivität und Spezifität der Analysemethoden noch unzureichend sind. Bei einer Übersicht zur CAR-T-Zell-Therapie wurden das zugrundeliegende Konzept, das Target, derzeitige und angedachte Indikationen, die Vorbereitung des Patienten, die Infusion der chimären Antigen-Rezeptor-T-Zellen, Nebenwirkungen (gefürchtet ist das potenziell lebensgefährliche Cytokine Release Syndrome, CRS) und deren engmaschiges Monitoring, die Nachsorge sowie das Outcome gezeigt. Derzeit sind zwei CAR-T-Präparate im Handel (Kymriah® und Yescarta®), weitere sind in der Entwicklung.
GSAV und Lieferengpässe
Im Mittelpunkt des diesjährigen berufspolitischen Forums standen die Auswirkungen des Mitte 2019 in Kraft getretenen Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) und mögliche Implikationen des noch nicht verabschiedeten Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetzes (VOASG). Wie Michael Marxen, Wesseling, zusammenfasste, sind im GSAV Neuerungen bei der Kennzeichnung patientenindividuell hergestellter parenteraler Zubereitungen (§ 14 ApBetrO), eine Ausweitung der Kontrolle Parenteralia-herstellender Apotheken sowie der Ausschluss von Zytostatika aus der Importklausel enthalten. Für die Umsetzung des VOASG sind rund 150 Millionen Euro vorgesehen, die konkreten Inhalte des Gesetzes sind aber noch nicht vollständig festgeschrieben. Angelegt sind neue pharmazeutische Dienstleistungen wie etwa die intensive Betreuung von Krebspatienten. Unklar ist, wie und auf welchen Wegen dies entlohnt werden soll.
Die Problematik von Lieferengpässen wurde aus unterschiedlichen Positionen beleuchtet. Dr. Jan-Ove Faust, Management der Oberschwabenklinik Ravensburg, skizzierte mögliche Auswirkungen wie etwa die Gefahr von Resistenzentwicklungen bei einer Nicht-Verfügbarkeit bestimmter Antibiotika sowie Einschränkungen bei der Geburtshilfe durch Mangel an Oxytocin oder Komplikationen bei der Therapie von Schlaganfallpatienten bei Fehlen von Nimodipin. Des Weiteren haben Lieferengpässe Auswirkungen auf Beschaffung, Vorratshaltung und Logistik und gehen mit einem erhöhten Informationsbedarf einher.
Dr. Detlev Parow als Vertreter der DAK-Gesundheit Hamburg wandte sich gegen die Gleichsetzung von Lieferengpässen mit Mangelversorgung. Die Ursache für Lieferengpässe sei nicht monokausal und könne nicht ausschließlich den Rabattverträgen zugeschrieben werden. Vielmehr liege das Problem in der allgemeinen Globalisierung und in der weltweiten Konzentration der Wirkstoffproduktion. |
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