Arzneimittel und Therapie

Vom Antidiabetikum zum Gichtmittel

SGLT-2-Hemmer sind mit geringerem Risiko für Neuerkrankungen assoziiert

Mit SGLT-2-Hemmern lässt sich der Blutzuckerspiegel bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 effektiv senken. Das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen wird reduziert. Doch die Substanzklasse scheint noch weitere protektive Wirkungen zu besitzen. Die Ergebnisse einer US-amerikanischen Kohortenstudie zeigen, dass unter SGLT-2-Hemmern weniger Patienten an Gicht erkranken als unter GLP‑1-Rezeptoragonisten.

Patienten mit Typ-2-Diabetes leiden oft an einer Hyperurikämie – der Vorstufe zur Gicht. Häufig ist dies durch eine verminderte Ausscheidung von Harnsäure mit dem Urin infolge funktioneller Störungen am Tubulus bedingt. Inhi­bitoren des Natrium/Glucose-­Cotransporters 2 (sodium dependent glucose transporter 2, SGLT-2) verhindern die Reabsorption von Glucose in den Nieren und verringern so auch den Harnsäurespiegel im Blut. Könnten SGLT-2-Hemmer bei Patienten mit Typ‑2-Diabetes folglich die Manifestation von Gicht verhindern? Dieser Fragestellung gingen Wissenschaftler um Michael Fralick vom Brigham and Women’s Hospital in Boston, USA, und der Universität Toronto, Kanada, im Rahmen einer populationsbasierten Kohortenstudie nach. Dazu werteten sie Versichertendaten von US-amerikanischen Patienten aus den Jahren 2013 bis 2017 aus, die in der Datenbank IBM Market Scan erfasst waren. Verglichen wurden erwachsene Patienten mit Typ-2-Diabetes, die erstmals eine Therapie mit einem SGLT-2-Hemmer oder mit einem GLP‑1-Rezeptor­agonisten begonnen hatten. Im Gegensatz zu SGLT-2-Hemmern beeinflussen Analoga des Glucagon-like-peptide 1 (GLP-1) den Harnsäurespiegel nicht.

Foto: doucefleur – stock.adobe.com

Ein Gichtanfall macht sich durch schmerzhaft geschwollene Gelenke bemerkbar. Verursacht wird die Entzündung durch Harnsäurekristalle.

In der Studie wurden ausschließlich Daten von Personen berücksichtigt, welche bei Therapiebeginn weder Anzeichen einer Gicht zeigten noch in der Vergangenheit gegen Gicht behandelt worden waren. Eine Doppelmedikation von SGLT-2-Inhibitor und GLP‑1-Rezeptoragonist, zusätzliche ­Erkrankungen wie Krebs, HIV/AIDS oder eine schwere Nierenschädigung galten als weitere Ausschlusskriterien. Insgesamt wurden Daten von knapp 300.000 Patienten ausgewertet. Mittels Propensity-Score-Matching-Verfahren wurden im Verhältnis 1 : 1 Behandlungsgruppen mit ähnlichen Ausgangscharakteristika gebildet. Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 54 Jahren. Rund die Hälfte war weiblich. Zwei Drittel der Patienten hatten Bluthochdruck, und ein Viertel der Patienten wurde zusätzlich mit Insu­lin behandelt. Als primärer Endpunkt der Studie galt die Neudiagnose einer Gichterkrankung.

Seltener Gicht als unter GLP-1-Rezeptor­agonisten

Die Auswertung der Daten ergab, dass die Inzidenzrate unter SGLT-2-Hemmern geringer war als unter GLP-1-­Rezeptoragonisten: 4,9 Neudiagnosen einer Gicht pro 1000 Personenjahre standen 7,8 Fällen pro 1000 Personenjahre gegenüber. Unter SGLT-2-Hemmern war das Gichtrisiko relativ um 36% reduziert (Hazard Ratio 0,64; 95%-Konfidenzintervall 0,57 bis 0,72). Die Studienautoren sind zuversichtlich, dass SGLT-2-Hemmer zukünftig für die Gichtprävention bei Patienten mit Typ-2-Diabetes oder anderen Stoffwechselerkrankungen verwendet ­werden könnten. Zunächst müssen die Ergebnisse jedoch in weiteren Studien bestätigt werden. Des Weiteren sind neben möglichen Nebenwirkungen wie genitalen Infektionen auch die Kosten der SGLT-2-Hemmer zu berücksichtigen. |
 

Literatur

Fralick M et al. Assessing the Risk for Gout With Sodium-Glucose Cotransporter-2 Inhibitors in Patients With Type 2 Diabetes: A Population-Based Cohort Study. Ann Intern Med 2020; doi: 10.7326/M19-2610

Gao Z et al. Renal impairment markers in type 2 diabetes patients with different types of hyperuricemia. J Diabetes Investig 2019;10(1):118–123

Laura Kneller, MSc

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