Gesundheitspolitik

Freibrief für Rezeptsammelkästen

Keine Beschränkung für Versandapotheken

ks | Eine Apotheke mit Versandhandelserlaubnis darf in ihrem Einzugsgebiet in einem Supermarkt einen Rezeptsammelkasten unterhalten. Dazu braucht sie keine Erlaubnis zum Betrieb einer Rezeptsammelstelle. Das hatte im vergangenen Jahr das Bundesverwaltungsgericht entschieden. Aber wie sieht es aus, wenn sich der Sammelkasten auf einer öffentlichen Straße befindet und nicht an einen Gewerbebetrieb angeschlossen ist? Auch kein Problem, entschied jetzt das Oberlandesgericht Rostock in einem Eilverfahren. (OLG Rostock, Beschluss vom 1. März 2021, Az.: 2 W 3/21)

Das Bundesverwaltungsgericht hatte vor rund einem Jahr ge­urteilt, dass der Begriff des Versands, wie er im Arzneimittel- und Apothekenrecht verwendet wird, auch einen Vertrieb umfasst, der auf einen Versandhandel im örtlichen Einzugsbereich der Präsenzapotheke ausgerichtet ist und für die Zustellung der Arzneimittel eigene Boten der Apotheke einsetzt. Die Einschaltung eines Logistikunternehmens sei nicht notwendig. Im konkreten Fall ging es um eine Sammelbox für Rezepte und OTC-Bestellungen in einem Supermarkt.

Doch wie weit reicht das Urteil wirklich? Das wollte ein Apotheker in Mecklenburg-Vorpommern wissen, der selbst eine Erlaubnis zum Betrieb einer Rezeptsammelstelle nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Apothekenbetriebsordnung besitzt. Er zog mit einem Eilantrag gegen eine örtliche Mitbewerberin vor Gericht, die ohne Rezeptsammelstellenerlaubnis, aber mit Versandhandelserlaubnis (§ 43 Abs. 1 Satz 1 AMG i. V. m. § 11a ApoG) ­einen Einwurfkasten für Rezepte unterhält. Und dieser befindet sich an einer öffentlichen Straße – mit folgender Beschriftung: „Die Rezepte werden Montag bis Freitag um 13.30 Uhr abgeholt und am gleichen Tag direkt an den Empfänger ausgeliefert.“ Sowohl die Leerung des Kastens als auch die Medikamentenauslieferung erfolgen durch eigenes Personal der Apothekerin.

Der Konkurrent sah darin einen Verstoß gegen besagte Vorschrift zum Betrieb einer Rezeptsammelstelle – und damit einen Rechtsbruch, der einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch nach sich ziehe. Der Sammelkasten sei daher zu untersagen. Seine Argumentation: Die Versanderlaubnis decke den hier vorliegenden Fall nicht ab. Notwendige Voraussetzung hierfür wäre, dass die Sammeleinrichtung unter ­Einschaltung eines Kooperationspartners betrieben werde. Der Sammelkasten müsse also zwingend in einem Ladenlokal – etwa einem Drogerie- oder Supermarkt – aufgestellt werden.

Für Widersprüche ist der Gesetzgeber verantwortlich

Schon das Landgericht Rostock wies den Eilantrag im Februar zurück und half auch der Beschwerde des Antragstellers nicht ab. Nun hat der Apotheker auch in zweiter Instanz, vor dem Oberlandesgericht Rostock, eine Abfuhr erhalten. Der zuständige Zivil­senat zitiert in seinem Beschluss weite Teile der landgerichtlichen Entscheidung, die insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abhebt. Demnach sei der Anwendungs­bereich des § 24 ApBetrO beschränkt. Für das Einsammeln von Verschreibungen im Rahmen des Versandhandels von Arzneimitteln gelte das Verbot nicht. Das habe das Bundesverwaltungsgericht im vergangenen Jahr auch vor dem Hintergrund zwischenzeitlicher Rechtsänderungen – nicht zuletzt 2012 in der Apothekenbetriebs­ordnung – bestätigt. Dabei sei die Sammlung der Verschreibungen nicht zwingend in bestimmten Räumlichkeiten oder durch Personen vorzunehmen. „Entscheidend ist insoweit, dass es keine besonderen gesetzlichen Vorgaben für den Versandhandel mit Medikamenten gibt.“ Das Bundesverwaltungsgericht habe zwar feststellt, dass dies zu einer Ungleichbehandlung zwischen stationären Apotheken und dem Versand­handel führen könne. „Für die Auflösung dieser Widersprüche ist jedoch der Gesetzgeber verantwortlich.“ Eine Reglementierung des Arzneimittelversandhandels ohne gesetzliche Grundlage komme nicht in Betracht.

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Wo die Sammelbox steht, ist ohne Bedeutung

Weiterhin hatte das Landgericht – dem sich das Oberlandesgericht vorbehaltlos anschließt – ausgeführt, dass im Rahmen des zulässigen Versandhandels das Einsammeln von Rezepten nicht nur zulässig sei, wenn die Sammelboxen in einem Gewerbebetrieb stehen. Eine derartige Einschränkung lasse sich aus keinem Gesichtspunkt rechtfertigen. Es gehe hier nur um die Art, wie die ärztlichen Verordnungen an die Versandapotheke übermittelt werden. „Ob die Sammelbox in einer bestimmten Räumlichkeit aufgestellt wird oder an einer frei zugänglichen Stelle außerhalb eines Gebäudes ist in­soweit ohne Bedeutung.“ Zwar hätten sich die Sammelkästen in anderen gerichtlich entschiedenen Fällen in einem Gewerbebetrieb befunden – vor dem Bundesverwaltungsgericht ging es einmal um Pick-up-Stellen in einer Drogerie, einmal um eine Sammelbox im Supermarkt. Für das Ober­landesgericht ist aber klar: Dieser Umstand war für die Entscheidungen nicht ausschlaggebend oder auch nur von Bedeutung. Dass es auf den Ort der Aufstellung nicht ankomme, zeige sich schon daran, dass das Bundesverwaltungsgericht in der jüngeren Entscheidung eine ausdrückliche Parallele zum bürgerlich-rechtlichen Versandhandelsbegriff beziehungsweise den in § 312c Abs. 2 BGB aufgezählten Fernkommunikationsmittel zieht. „Danach käme es nicht einmal darauf an, ob überhaupt – irgendwo – ein Sammelkasten aufgestellt wird, weil die Bestellung jedenfalls im Ausgangspunkt – vorbehaltlich der aus der Verschreibungspflichtigkeit resultierenden Notwendigkeit zur Rezeptvorlage – auch telefonisch oder elektronisch erfolgen könnte.“

Zwar liege im konkreten Fall ein Lebenssachverhalt vor, der für sich betrachtet dem Betriebsablauf entspricht, den Betreiber einer ­Rezeptsammelstelle im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 ApoBetrO einzuhalten haben (Rezeptannahme über einen Sammelkasten außerhalb eines „Gewerbebetriebs“, Leerung des Kastens durch eigene Mitarbeiter und anschließende Arzneiauslieferung durch eigenes Personal ohne Einschaltung eines externen Logistikdienstleisters). Doch allein dies lasse nicht den Schluss zu, es bedürfe der Genehmigung nach § 24 Abs. 1 Satz 1 ApoBetrO. Dies stelle „Tatbestand und Rechtsfolge auf den Kopf“.

Für eine Zulassung der Rechts­beschwerde sieht der Senat keinen Raum. |

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