Gesundheitspolitik

Aus für Zertifikate per Videosprechstunde

Digitaler Impfnachweis darf nur nach sensorischer Prüfung ausgestellt werden

ak | Über die Website zimpfen.de konnten sich Geimpfte ein digitales Impfzertifikat bestellen. Der Nachweis der notwendigen Dokumente per selbst erstelltem Video und Onlineantrag genügte. Das Angebot sei kostenlos, die Finanzierung erfolge über die Abrechnung mit der kassenärztlichen Vereinigung bzw. mit dem Bund, schrieb der Betreiber der Seite, der Anästhesist Dr. Christian Brodowski aus Essen. Doch damit ist nun Schluss.

Die Website zimpfen.de informierte vergangene Woche über das Aus des Angebots: „Leider müssen wir unseren Service bis auf Weiteres einstellen. (...) Leider haben uns diverse Stellen mitgeteilt, dass ihre und unsere Rechtsauffassung bzgl. der Zulässigkeit digitaler ­Methoden für die Ausstellung des digitalen Impfzertifikats stark ­differieren.“ Um eine langwierige und kostspielige juristische Auseinandersetzung zu vermeiden, „sind wir nun offline“.

Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein, die der Arzt als Rechtsaufsicht auf seiner Website angab, hatte auf Nachfrage von DAZ.online erklärt, Brodowskis Angebot sei rechtlich nicht in Ordnung. Das sieht die Ärztekammer Nordrhein genauso. Wie eine Sprecherin sagte, erfüllt die Website zimpfen.de „aus unserer Sicht nicht die Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 Nr. 2 IfSG (Infektionsschutzgesetz), wonach eine Impfdokumentation ,vorgelegt‘ werden muss, um eine Überprüfung der Dokumente zu gewährleisten und eine missbräuchliche Ausstellung auszuschließen.“

Optische und haptische Kontrolle notwendig

Am vergangenen Dienstag erklärte zudem ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), dass ein Angebot von Apotheken oder Arztpraxen unzulässig ist, wenn die Ausstellung eines digi­talen Impfnachweises auf Basis einer gescannten Version des Impfnachweises bzw. des Sichtausweises erfolgt. Das gilt aus Sicht des BMG auch, wenn der Abgleich der Impfdaten innerhalb einer Videosprechstunde erfolgt. „Die in § 22 Abs. 5 IfSG vorgesehenen Prüfschritte erschöpfen sich nicht in einer Kontrolle der Impfdokumentation im Sinne einer bloßen Sichtung und eines Abgleichs des Namens auf Ausweisdokument und Impfdokumentation“, schreibt das BMG. „Verlangt wird von dem Leistungserbringer vielmehr eine umfassende optische und haptische Kontrolle der vorgelegten Dokumente. Dies betont der Gesetzgeber nachdrücklich in der amtlichen Begründung zu den maßgeblichen infektionsschutzrechtlichen Bestimmungen (BT-Drs. 19/29870, S. 33).“

Für Apotheker und Ärzte bedeutet das: Sie müssen zunächst die Impfdokumentation auf gängige Missbrauchsszenarien prüfen. „Hierzu gehört etwa die Prüfung des Impfausweises auf Abweichungen von dem vorgegebenen Standard, die Prüfung der Echtheit anhand anderer Impfungen als Referenz für die generelle Bereitschaft der Teilnahme an Schutzimpfungen und etwa der Dokumentation der COVID-19-Schutzimpfungen selbst. Dabei zeigen sich Abweichungen nicht zuletzt im Hinblick auf Formatierungen, das Layout oder standardisierte Texte, die in Fälschungen regelmäßig nicht fehlerfrei abgebildet sind“, zählt das BMG auf. Zugleich könnte beispielsweise eine abweichende Farbgebung oder unübliche Papiersorten einen Hinweis auf das Vorliegen einer Fälschung geben. „All diese sensorischen Merkmale können mit derzeit verwendeten Videodiensten (...) nicht vergleichbar genau geprüft werden.“

Eine weitere Sicherheit biete „die potenziell höhere Vertrautheit mit den in unmittelbarer Umgebung impfenden Leistungserbringern, bzw. den von diesen verwendeten Unterschriften und Stempeln“. Die amtliche Begründung des § 22 Abs. 5 IfSG betone dabei nachdrücklich die Bedeutung einer ortsnahen Ausstellung bei der Missbrauchsverhinderung.

Was bleibt nun nach dem Aus für zimpfen.de? „Die ausgestellten Zertifikate werden wir natürlich nicht abrechnen und alle er­fassten Daten restlos löschen“, schreibt Brodowski. Die bisher ausgestellten Zertifikate behielten „nach ­unserem aktuellen Kenntnisstand“ ihre Gültigkeit. |

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