Retaxfall des Monats

Retax in Corona-Zeiten

Keine Ausnahme bei Arzneimitteln auf der Substitutionsausschlussliste

Um Patienten während der Corona-Pandemie schnell und unbürokratisch mit Arzneimitteln versorgen zu können, wurde im April 2020 die SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung (SARS-CoV-2-­AMVersVO) erlassen. Sie erlaubt während der Corona-Pandemie zahlreiche Ausnahmen von gesetzlichen und vertraglichen Versorgungsvorschriften. Ziel ist die Sicherstellung der Versorgung chronisch Kranker sowie von Patienten in Quarantäne und häuslicher Isolation und die Versorgung der Patienten mit möglichst geringer Anzahl an direkten Kontakten.

Allerdings stellt sich nun heraus, dass in einigen Fällen Krankenkassen Retaxationen aussprechen, in denen die Apotheken unbürokratisch Hilfe geleistet haben und die Arzneimittel­sicherheit unabhängig von Corona nicht gefährdet war.

Der Retaxfall

Im vorliegenden Fall hatte die Apotheke eine Verordnung über „L-Thyrox Hexal 125 TAB 100 St. N3 PZN 0811773“ erhalten (s. Abb. 1). Da das verordnete Präparat nicht lieferbar war, hatte die Apotheke den Patienten mit der 98er-Kalenderpackung des gleichen Herstellers versorgt und auf dem Rezept dokumentiert, dass das Ausgangsarzneimittel nicht lieferbar war und es sich um eine Akutversorgung in Coronazeiten handelte. Beide Packungen von Hexal tragen die N3-Bezeichnung. Ein Rabattvertrag besteht nicht.
 

Abb. 1: Die Verordnung


Dieser Austausch wurde in der Folge von der Krankenkasse per Nullretax geahndet, da es sich um ein Präparat der Substitutionsausschlussliste handelt (siehe Abb. 2).
 

Abb. 2: Die Retaxierung

Einspruch abgelehnt

Die Apotheke legte gegen die Retaxierung Einspruch ein und begründete diesen damit, dass keine Ersetzung des verordneten Arzneimittels vorgenommen worden sei, sondern lediglich eine andere Packungsgröße abgegeben wurde, damit der Patient schnellstmöglich versorgt werden konnte. Gleichzeitig sei das Ziel gewesen, dem Patienten einen weiteren Arztkontakt zum Ändern des Rezeptes sowie ein erneutes Aufsuchen der Apotheke mit wieder neuen Kontakten zu ersparen.

Die Krankenkasse lehnte den Einspruch mit dem Verweis auf die Substitutionsausschlussliste und dem Hinweis ab, dass Änderungen der Verordnung in solchen Fällen nicht eigenmächtig durch den Apotheker, sondern durch den Arzt per Rezeptänderung bzw. Ausstellung eines neuen Rezeptes vorgenommen werden müssen.

Die Substitutionsausschlussliste

Seit April 2014 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Aufgabe, Arzneimittel zu bestimmen, deren Ersetzung durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel ausgeschlossen ist. Diese werden in der sogenannten Substitutionsausschlussliste (Teil B der Anlage VII zur Arzneimittel-Richtlinie) aufgeführt.

Dort heißt es: „Arzneimittel, die einen in der Anlage gelisteten Wirkstoff in einer der aufgeführten Darreichungsformen enthalten, dürfen nicht gemäß § 129 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1b SGB V in Verbindung mit dem Rahmenvertrag nach § 129 Absatz 2 SGB V durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel ersetzt werden.“

Levothyroxin-Natrium in Form von Tabletten ist in der Substitutionsausschlussliste aufgeführt.

Coronaregeln zur Substitutionsausschlussliste?

Die SARS-CoV-2-AMVersVO ermöglicht den Apotheken zwar weitergehende Austauschmöglichkeiten, um ihre Patienten so zügig und unkompliziert wie möglich zu versorgen, allerdings findet sich hier keine Sonderregelung für Arzneimittel der Substitutionsausschlussliste.

Der Verband der Ersatzkassen erlaubt dennoch einen Austausch der Wirkstoffe der Substitutionsausschlussliste nach Rücksprache mit dem Arzt und Dokumentation auf der Verordnung. Hier kann dem Patienten das erneute Aufsuchen des Arztes und der Apotheke erspart werden, und im vorliegenden Fall wäre die Apotheke von einer Retaxierung verschont geblieben.

Für Primärkassen gibt es diesbezüglich leider weiterhin keine einheitliche Regelung. Bei der in diesem Fall zuständigen AOK muss die Verordnung weiterhin vom Arzt geändert oder eine neue Verordnung ausgestellt werden – dies zeigt dieser Fall leider allzu deutlich. Daher sollten Apotheken weiterhin prüfen, ob ein Arzneimittelaustausch, der dem Patienten eine zeit­nahe Versorgung sichern soll, vertraglich legitimiert ist, damit nicht im Nachgang doch eine Retaxierung erfolgt. |

Christina Dunkel, Apothekerin, DAP-Team

Nadine Friederich, Apothekerin, DAP-Team

Bei der Rezeptbelieferung sind unzählige Vorschriften zu beachten, sonst droht eine Retaxation. Das DeutscheApothekenPortal (DAP) bietet rund um Arzneimittelabgabe und Retaxprobleme Rat und Hilfe an: www.deutschesapothekenportal.de

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