Die Seite 3

Freiheit und Verantwortung

Dr. Thomas Müller-Bohn, Redakteur der DAZ

Die epidemische Lage von nationaler Tragweite soll am 25. November auslaufen. Das hat die vermutlich künftige Ampel-Koalition angekündigt, noch bevor sie im Amt ist. Mit einem besseren Signal kann eine neue Regierung nicht starten als mit der Rückkehr zu normalen demokratischen Regeln. Das lässt hoffen – für die Pandemie und für die Regierungsarbeit. Die Pandemie entwickelt sich schon lange nicht mehr so überraschend, dass dies unmittelbare Reaktionen des Bundesgesundheitsministers erfordert. Schon vor Monaten wurde über die damaligen Schritte umfassend diskutiert, und es wäre genug Zeit gewesen, den Bundestag damit zu befassen. Darum ist es schon lange überfällig, diesen Ausnahmezustand zu beenden. Wer dies jetzt kritisiert, hat sich offenbar schon an die Einschränkung demokratischer Regeln gewöhnt. Das zeigt erst recht, wie nötig der Schritt ist. Er wird nicht das Ende der Maßnahmen sein. Denn der Bundestag und die Landtage können weiterhin Regeln erlassen. Außerdem steigen die Inzidenzen derzeit wieder. Allerdings sollen künftige Regeln nach den bisherigen Aussagen der designierten Bundesregierung enger begrenzt sein. Auch das ist überfällig – ins­besondere, aber nicht nur wegen der vielen Impfungen. Denn mit der Zeit verschiebt sich die Abwägung im Umgang mit den Grundrechten. Mit Einschränkungen für ein paar Wochen mögliche dauerhafte und potenziell tödliche Folgen abzuwenden, war im ersten Lockdown überzeugend. Doch das Zeitargument wirkt inzwischen in die umgekehrte Richtung, weil Einschränkungen mit der Zeit immer schwerer wiegen. Darum ist es gut, den Maßnahmenkatalog zu hinterfragen und auszudünnen. Damit wird der 25. November kein „Freedom day“, aber auch vor diesem späteren Schritt braucht sich niemand zu fürchten. Denn das wäre kein Chaos, sondern die normalste Sache in einer freiheitlichen Welt, nämlich der Weg zur Eigenverantwortung. Freiheit und Verantwortung gehören dabei untrennbar zusammen. Damit sind wir im Kampf gegen unzählige Krankheiten und auch sonst gut gefahren. Den Menschen wird dann selbst überlassen, welche Ver­anstaltungen sie besuchen und wo sie eine Maske tragen. Niemand sollte sich vor solcher Freiheit fürchten, denn sie ist der Kern unserer Gesellschaft.

In einigen wenigen Konstellationen haben die pandemiebedingten Ausnahmen allerdings zu unerwarteten neuen Freiheiten geführt, beispielsweise in den Apotheken. Dabei hat sich die Freiheit als der bessere Weg erwiesen. Wen wundert es? Was die Apotheker schon lange behauptet haben, können sie in der Pandemie beweisen. Mit weniger Regeln für die Arzneimittelauswahl, insbesondere bei Rabattverträgen, lässt sich effektiver arbeiten, und die Einsparungen gehen dabei nicht zurück. Auch die ausgesetzten bürokratischen Hinder­nisse bei der Herstellung von Desinfektionsmitteln und der Hilfsmittelabgabe – Stichwort Präqualifizierung – hat in der Praxis niemand vermisst. Auch hier geht es um Freiheit und Verantwortung. Der Regierungswechsel ist die ideale Gelegenheit für die Apotheker, den dauerhaften Abbau der überflüssigen Regeln einzufordern. Zu den Stichworten, die aus den jüngsten Sondierungsgesprächen bekannt geworden sind, gehört der Bürokratieabbau. Bei den Apotheken kann die neue Regierung zeigen, wie ernst sie das meint.

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