Management

Die positiven Aspekte des Misstrauens

Vertrauen ist gut, Skepsis jedoch manchmal besser

Über die Bedeutung und Wichtigkeit eines Vertrauensverhältnisses zwischen Apothekenleiter und Mitarbeitern gibt es wohl keinen Dissens. Aber sind nicht Situationen vorstellbar, in denen Skepsis, kritisches Hinterfragen und Misstrauen zielführend sind? Kann es eine Vertrauenskultur geben, in der eine skeptische und misstrauische Haltung zum Tragen kommen? Durchaus – solange es um ein wertschätzendes Misstrauen geht.

Ein zwar fachlich hochkompetenter Mitarbeiter, der jedoch als Nörgler und Stichler aufgefallen ist und in der Teamsitzung gern Konflikte schürt. Eine Mitarbeiterin, über die sich Apothekenkunden bereits des Öfteren beschwert haben. In solchen Situationen ist es klug, wenn der Apothekenleiter trotz seines Willens, eine von Entgegenkommen und Wertschätzung geprägte Vertrauenskultur zu etablieren, mit Skepsis und Misstrauen agiert. Allerdings: Damit ist kein negatives oder von vorn­herein pessimistisches Denken gemeint – das blockiert und hemmt nur! –, sondern eine Misstrauenshaltung, die davon ausgeht, dass Menschen mit ihrem Handeln nicht einzig und allein hehre Ziele verfolgen.

Skepsis auch sich selbst gegenüber

Misstrauen und Skepsis gelten als Einstellungen, die eine Führungskraft bei der Führungsarbeit eher vermeiden sollte. Auf der anderen Seite ist es ein Fehler, den Führungsalltag in die rosarote Har­moniesoße zu tunken und davon auszugehen, der Mensch sei stets edel, hilfreich und gut. Vielleicht können wir von einem gesunden Misstrauen sprechen – oder besser: von einem wertschätzenden Misstrauen und einer wertschätzenden Skepsis.

Die skeptische Haltung kann schon beim Apothekenleiter selbst beginnen. Dieser ist gut beraten, wenn er seine Entscheidungen überdenkt, das Für und Wider abwägt und sich Pro- und Kontra-Argumente überlegt, um Entscheidungen abzusichern. Skepsis sich selbst gegenüber ist in den meisten Fällen hilfreich und konstruktiv, solange sie nicht in eine grüblerische und destruktive Hamletsche Entscheidungsschwäche umschlägt, bei der sich der Apothekenleiter nur selbst im Weg steht. Dieser sollte also durchaus mit Skepsis auf sein Denken und Tun schauen. Was aber bedeuten Misstrauen und Skepsis für den Umgang mit dem Apothekenteam? Gibt es Leitlinien und Prinzipien für eine Vertrauenskultur, in der auch Skepsis, Misstrauen und kritisches Hinterfragen eine produktive Rolle spielen?

Prinzip 1: Konstruktiv misstrauen

Der Apothekenleiter sollte sich verdeutlichen, dass Misstrauen, Skepsis und Zweifel stets einen konstruktiven Anker haben sollten. Ziel ist nicht, jemanden zu kontrollieren oder autoritär zu bevormunden, sondern sich kritisch mit dem Verhalten eines Mitarbeiters auseinanderzusetzen, um ihn letztendlich dabei zu unterstützen, seinen Aufgaben besser nachzukommen. Wertschätzendes Misstrauen hat zum Hintergrund: „Lieber Mitarbeiter, lassen Sie uns gemeinsam prüfen, ob Ihr Agieren angemessen ist, warum sich Kunden über Sie beschweren und warum Sie in Teamsitzungen immer wieder für unnötige Unruhe sorgen.“ Das wertschätzende Misstrauen des Apothekenleiters geht davon aus, das Verhalten des Mitarbeiters könnte vielleicht berechtigte Gründe haben. Das heißt: Konstruktiv misstrauen und konstruktiv Skepsis an den Tag legen – das ist kein Widerspruch in sich, solange der Apothekenleiter dies mit Wertschätzung, Ziel- und vor allem Problemlösungsorientierung unterfüttert: Die Handlungen des Mitarbeiters werden weder grundsätzlich verteufelt noch unhinterfragt gutgeheißen.

Prinzip 2: Reifegrad bedenken

Eine Binsenweisheit: Jeder Mit­arbeiter ist anders und ein Indi­viduum. Entscheidend ist die Konsequenz, die der Apothekenleiter daraus zieht. Er reflektiert, welche Reaktionen eine misstrauische oder skeptische Haltung beim Mitarbeiter hervorruft. Auch ein konstruktiv gemeintes Misstrauen wird bei einigen Angestellten zum Rückzug führen – der Apothekenleiter muss über­legen, ob er darum anders ver­fahren sollte.

Bei anderen Mitarbeitern wiederum ist eine konstruktive Haltung zu erwarten: „Lieber Chef, ich verstehe, dass Sie angesichts der Kundenbeschwerden skeptisch sind, lassen Sie mich er­läutern, wie es dazu gekommen ist …“

Der Apothekenleiter sollte strikt mitarbeiterindividuell vorgehen. Genauso wie es nicht zielführend ist, jedem Angestellten blindlings zu vertrauen, ist es kontraproduktiv, den Mitgliedern des Apothekenteams von vornherein zu misstrauen. Wenn aber Arbeits­ergebnisse nicht stimmen, wenn ein Teammitglied nicht das leistet, was aufgrund seiner Quali­fikationen und Kompetenzen zu erwarten wäre, ist der Apothekenleiter verpflichtet, misstrauisch zu sein, zu intervenieren und das Gespräch zu suchen.

Prinzip 3: Mit Fragen führen

Misstrauen und Skepsis dürfen nie zu vorschnellen Urteilen und übereilten Einschätzungen führen. Das natürliche Führungsinstrument bei Misstrauen und Skepsis ist die Frage. Der Apothekenleiter sucht das Gespräch mit dem Mitarbeiter und beschreibt dabei seine Beobachtungen, ohne anzuklagen oder Schuld zuzuweisen, indem er sich darauf konzentriert, Fragen zu stellen. Auch das ist mit wertschätzendem Misstrauen gemeint – der Apothekenleiter gibt dem Angestellten Gelegenheit, Stellung zu nehmen. Er vermeidet es, seine Beobachtungen zu verabsolutieren, sondern nähert sich fragend einer Problemlösung an: „Habe ich das richtig beobachtet und verstanden? Wie sehen Sie das? Gelangen wir zu einer gemein­samen Einschätzung? Was sollten wir ändern, was sollten Sie in Zukunft anders machen?“

Prinzip 4: Typische Fehler vermeiden

Wichtig ist, das Misstrauen und die Skepsis aus der Schmuddelecke herauszuholen, in die diese Haltungen durch eine allzu ein­seitige Fokussierung auf die Etablierung einer Vertrauens­kultur geraten sind. Vertrauen ist nicht immer die allein selig machende Lösung. Hilfreich ist der „goldene Mittelweg“ zwischen Vertrauen und Misstrauen, und zwar in Abhängigkeit und im Hinblick auf den individuellen Mitarbeiter.

Konkret: Der Apothekenleiter fragt sich, ob es eher richtig ist, ständig zu kontrollieren und die Spielräume für Eigenverantwortung und Mitarbeiterentscheidungen eng zu halten, oder den Mitgliedern des Teams weitreichende Entscheidungsbefugnisse einzuräumen. Die Lösung kann darin bestehen, dass der Apothekenleiter das Delegationsmanagement „reformiert“: Während er Frau Schmitt Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung ohne Bedenken überlässt – mithin in einer verantwortbaren Weise Vertrauen schenkt –, ist es bei Herrn Müller angebracht, erst einmal seine Kompetenz, eine Aufgabe eigenverantwortlich zu betreuen, zu überprüfen, also wiederum auf eine verantwortbare Weise eher misstrauisch vorzugehen.

Fazit

Misstrauen und Skepsis bei der Führungsarbeit hat Nutzen und Vorteile – jedoch nur, wenn der Apothekenleiter diese Instrumente mit einer wertschätzenden Attitüde verknüpft. |

Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater

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