Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: Verhandeln will gelernt sein – Teil 2

Prof. Dr. Andreas Kaapke

Neben den sogenannten Ergebnistaktiken (s. AZ 2022, Nr. 8, S. 2), die – wie der Name richtig umschreibt – für ein veritables Ergebnis in einer Verhandlung verantwortlich zeichnen, haben sich die sogenannten Prozesstaktiken herauskristallisiert. Diese sollen den Verhandlungsprozess positiv begleiten und quasi die Rahmenbedingungen so gestalten und beeinflussen, dass eine Verhandlung erfolgreich vollzogen werden kann. Dabei werden nicht ganz überschneidungsfrei drei Kategorien unterschieden: interaktionsbezogene, kommunikative und partnerbezogene Taktiken.

Für interaktionsbezogene Taktiken sind sowohl Rollen- wie auch Zeitspiele charakteristisch. Besondere Bekanntheit unter Rollenspielen hat die Einteilung in Good Guy – Bad Guy erlangt. Hierbei werden mindestens zwei Personen installiert, die unterschiedliche Rollen einnehmen. Der Bad Guy spricht die unangenehmen Fragen an, lehnt Dinge ab, wenn noch keine Zufriedenheit besteht, kritisiert, droht usw. Der „gute“ Verhandler wirkt dagegen schlichtend, ver­mittelt, stellt Kompromisse in Aussicht und ist dann auch final für den Abschluss zuständig. Dabei können sich die Rollen von Verhandlung zu Verhandlung ändern, es ist reine Sache einer Absprache, wer welchen Part übernimmt und ob an sich eine derartige Rolleneinteilung erforderlich ist. Auch die Frage, wen man ins Team beruft, wen man zur Verhandlung schickt, mit wie vielen Personen man aufschlägt, kann entscheidend sein. Deshalb wird in einer Verhandlungsvorbereitung oft auch nachgefragt, mit wie vielen Personen der Gegenseite man rechnen kann und wer alles dabei ist mit entsprechenden Funktionsbezeichnungen. Manchmal werden Personen in Verhandlungen installiert, die die Rolle der „grauen Eminenz“ einnehmen und weit­gehend schweigen. Die anderen suchen bewusst zu dieser Person den Blickkontakt, sodass der Eindruck vermittelt wird, dass diese – obgleich eher passiv an der Verhandlung teilnehmend – am Ende den Ausschlag geben wird. Tatsächlich werden zu Verhandlungen bisweilen auch besonders hübsche, oft junge Menschen mitgenommen, um daraus atmosphärisch Kapital zu schlagen. Auch die Geschlech­ter­verteilung des Teams darf nicht unterschätzt werden. So weisen empirische Ergebnisse darauf hin, dass die Teilnahme von weiblichen Verhandlern die Stimmung ins­gesamt etwas entschärfen kann und weniger aggressiv werden lässt. Zeitspiele äußern sich z. B. in kurzfristigen Terminänderungen, spontanen Terminansetzungen, bewusstem Setzen einer sehr knappen Verhandlungsdauer, Vorgabe einer Agenda mit Zeit­angaben pro Agendapunkt, was ja bereits eine Erwartungshaltung zum Ausdruck bringt, einem künstlichen Zeitdruck, was die Terminierung insgesamt anbetrifft, und auch Hinweisen auf eine sehr kurze zur Verfügung gestellte Überlegenszeit.

Bei den kommunikativen Taktiken sind insbesondere die sogenannte asymmetrische Kommunikation und der Verweis auf höhere Instanzen bekannt. Asymmetrisch kommunizieren schlägt sich beispielsweise darin nieder, dass ein Verhandlungspartner mit bewussten Fragestellungen anfängt und das Gespräch dann ggf. abgleitet in ein einseitiges Frage-Antwort-Spiel. Damit ist die eine Partei tenden­ziell eher in der Offensive, die andere eher in der Defensive. Dementsprechend entwickelt sich in der Regel das Gespräch einseitig und auch die Machtverhältnisse können sich verschieben. Handelt es sich um einen gewieften Fragen­steller, kann damit das Gespräch in eine gewünschte Richtung gelenkt werden. Auf höhere Instanzen hinzuweisen und dass diese erst entscheiden müssen, kann als eine prozessuale Taktik angesehen werden. Dadurch erhöht man den Druck, ggf. kommt der Verhandlungspartner doch noch ein Stück entgegen, um zu signalisieren, man sei unmittelbar an einem Ergebnis interessiert. Diese Taktik will aber gezielt eingesetzt sein, denn man schwächt damit auch bis zu einem gewissen Grad die eigene Position, da vermittelt wird, dass man selbst ggf. nur eingeschränkt mit Entscheidungsbefugnissen ausgestattet ist.

Schließlich spricht man von partnerbezogenen Taktiken, wenn man z. B. bewusst Gemeinsamkeiten in Erinnerung ruft, bewusst auf gemeinsam errungene Leistungen hinweist. Diese Technik wird „Umarmung“ genannt, man will damit zum Ausdruck bringen, dass man schon ganz andere Schlachten geschlagen hat, und will darüber hinaus vermitteln, dass aus eigener Sicht keine Gegensätze vorhanden sind. Als problematisch könnten sich hier Compliance-Gesichtspunkte erweisen, weil sich diese im Zeitverlauf geändert und verschärft haben und manches, was ggf. noch möglich war, nun nicht mehr möglich ist oder möglich gemacht werden kann. Lob oder Hinweise auf positive Meldungen, die man über das andere Unternehmen oder auch die beteiligten Personen vernommen hat, oder auch das Äußern von Verständnis für die Situation der anderen Seite laufen unter der Sammelbezeichnung „Schmeicheleien“.

Als letzter Hinweis zu den Prozesstaktiken sei die sogenannte Gesichtswahrung erwähnt. Dabei wird darauf abgestellt, dass zu keinem Zeitpunkt ein an der Verhandlung Beteiligter das Gesicht verlieren sollte, indem eine Bloßstellung erfolgt bzw. die Person in die Enge getrieben wird und keine Möglichkeit bekommt, dies mit Würde zu überstehen. Deshalb wird auf jeden Fall empfohlen, auf derlei Verletzungen im Sinne eines Gesichtsverlusts zu verzichten und dies auch bei den eigenen Mitstreitern nicht zuzulassen.

Wann welche Taktik in welcher Form eingesetzt wird, setzt Fingerspitzengefühl voraus. Dies situativ richtig einzuschätzen, ist eine große Aufgabe, und danach die Taktik auch gezielt und geschickt anzuwenden, kommt obendrauf. Verhandeln will halt gelernt sein. |

 

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

 

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