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Management

Enttäuschte Erwartungen

Über den Umgang mit ausgesprochenen und unausgesprochenen Kundenwünschen

Eine Situation, von der jeder in der Apotheke Tätige ein Lied singen kann: Kunden ohne Rezept, aber mit dem Wunsch nach einem verschreibungspflichtigen Arzneimittel. Wie geht man damit um? Wie erfüllt man die Erwartungen seines Gegenübers und zugleich seine eigenen?

Werfen wir heute zu Beginn einen gemeinsamen Blick auf den Freitagnachmittag, Samstagvormittag oder auch gern die Notdiensttätigkeit. Denn diese Zeiten haben eine Gemeinsamkeit: Die ärztliche Erreichbarkeit ist nur in reduziertem Ausmaß gegeben. Mit mangelnder Möglichkeit, den Arzt zu konsultieren, scheint zeitlich die Häufigkeit des Wunsches nach verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ohne Rezept überproportional anzusteigen. Verbunden mit der Erwartungshaltung, dass wir diesem Wunsch selbstverständlich und ohne auch nur mit der Wimper zu zucken nachkommen. Wahlweise die nachzureichende Verordnung schnellstmöglich beim betroffenen Aussteller selbst anfordern und die ausgestellte Verschreibung, ohne die Augenbraue auch nur einen Millimeter anzuheben, auch noch abholen. Soweit zur Einstimmung ein mögliches, grob skizziertes Eingangsszenario zum Thema „Erwartungshaltung“.

Szenen eines Samstag­vormittags

Frau Kannichmalhaben betritt die Apotheke: „Kann ich mal Ibu 800 haben? Eine große Packung.“ Die darauffolgende Antwort kennen wir alle. Wenig später, natürlich haben wir für den eben genannten Kundenwunsch wie erwartet eine Lösung gefunden, kommt Frau Willich zielgerichtet und ohne den Hauch eines Zögerns mit der Ansage, sie benötige 100 mg Sumatriptan, an den HV-Tisch. Sofort. Ohne „bitte“. Selbstverständlich, Sie ahnen es bereits, verträgt sie ausschließlich eine ganz bestimmte Firma, und, wie sollte es anders sein, eine ärztliche Verordnung hat sie nicht, hat sie vergessen zu bestellen und eigentlich ist die ja sowieso überflüssig, da sie doch Stammkundin ist. Die – mathematisch und pharmazeutisch korrekte – sich anbietende Lösung, nämlich das niedriger dosierte OTC-Produkt abzugeben, kommt erst nach einigen beiderseits äußerst angespannten Momenten in Betracht. Vorwurfsvoll und gekränkt die Kundin – ob der Nichterfüllung des vorgetragenen Wunsches. Der, wenn wir ehrlich sind, gar kein Wunsch mehr war, sondern eine in ihrem Kopf bereits erfüllte Tatsache. Und gerade wegen dieser absoluten Gewissheit, dass sie die Apotheke mit genau dieser Packung verlassen und keine „Gegenwehr“ tolerieren wird, ist eine gedankliche Flexibilität ihrerseits gar nicht mehr möglich. Ein Stressmoment entsteht, der weitere Möglichkeiten nur noch unberücksichtigt lassen kann. Deutlich festzumachen auch an ihrer Reaktion darauf, dass vom Personal um Verständnis gebeten wird. „Ich verstehe Ihren Wunsch. Ich würde es Ihnen gern mitgeben. Mir sind die Hände gebunden. Auch mir geht es damit nicht gut.“ Frau Willichs Entgegnung besteht aus den Worten „Pech gehabt“. Nun gut, einige Menschen, die uns am HV begegnen, haben tatsächlich nicht nur einen Kundenwunsch mitgebracht, sondern auch empathischen und persönlichen Entwicklungsbedarf, und wir sind ihre Begleiter auf diesem Weg.

Eine krönende dritte Szene zum Abschluss, diesmal telefonischer Natur, gipfelt im Wunsch von Herrn Torschlusspanik, Diazepam, die 50er, nach Hause geliefert zu bekommen. Und ja, Ihre Vermutung ist richtig. Auch in diesem Fall gibt es kein Rezept. Die verbleibende Zeit bis zum Dienstschluss beträgt noch fünf Minuten. Diskussionen dürfen ausgeschlossen werden. Manche Kundenwünsche sind eben nicht zu erfüllen. Manche Kundenerwartungen sind auch nicht zu verstehen. Und machen wir uns nichts vor: Wir müssen sie auch nicht alle verstehen. Punkt.

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Bleiben Sie hoffnungsvoll! Wenn man aus Angst vor Enttäuschungen keine Erwartungen mehr hat, bringt dies lediglich eines zum Ausdruck: das mangelnde Vermögen, mit Enttäuschungen umzugehen.

Helfen nicht um jeden Preis

In allen Fällen geht es unseren Kunden sicherlich darum, schnellstmöglich und unkompliziert eine Lösung für ihr Problem (fehlendes Arzneimittel) zu bekommen. Wahlweise sind sie selbst es, die es versäumt haben, sich rechtzeitig um eine Verordnung oder die Zustellung dieser in die Apotheke zu kümmern. Das Resultat ist und bleibt allerdings stets das Gleiche: Aus unserer Sicht stehen sie zu einem für eine Lösungsfindung unsererseits sehr ungünstigen Zeitpunkt vor uns und erwarten, dass wir für sie die Kohlen aus dem Feuer holen. Nur selten wissen sie, was genau sie mit ihrer Anfrage in uns auslösen und welche Tragweite deren Erfüllung haben kann. Sowohl in beruflicher als auch in persönlicher Hinsicht. Denn eines ist klar: Wir wollen ja helfen. Wir wollen unterstützen. Aber eben nicht um jeden Preis. Der Verlust der Approbation ist sicherlich ein zu hoher. Doch auch das Wort „gesetzeswidrig“ im sich entwickelnden Dialog hat kaum bis geringe Auswirkungen auf einen hoffnungsvoll ausgedrückten Wunsch, der natürlich getragen ist von der Vorstellung, dass ihm nachgegangen wird.

Erwartung ist die Antizipation eines zukünftigen Ereignisses

Und schon sind wir herzlich eingeladen, uns mit dem Thema Erwartungen in übergeordneter Form ganz ungefiltert zu beschäftigen. Denn haben nicht auch wir genau diese an unsere Kunden? Erwarten wir nicht, dass sie, wie in Beispiel 2, in solchen Situationen unsere Perspektive grundsätzlich verstehen? Unsere Ansicht teilen? Sich zumindest darum bemühen? Wahlweise mitfühlen und unseren Gedankengängen folgen? Wie zum Beispiel auch, wenn wir ihnen einen Arztbesuch empfehlen statt die Abgabe eines nur kurzfristig wirksamen, das Symptom kaschierenden Mittels in Erwägung zu ziehen? Wie häufig kommt es dazu, dass Erwartungen beiderseits enttäuscht werden und unsere gut gemeinte Unterstützung als Hürde empfunden wird und in der Aufforderung endet: „Nun geben Sie mir doch einfach was Gutes mit.“ Und der Kunde nun eindeutig seinem Kaufgesuch Nachdruck verleiht. Unabhängig davon, ob wir diesem nachgeben oder nicht: Ein schales Gefühl des Missverstanden-Seins bemächtigt sich unser und trübt mindestens kurzfristig die Verbindung zum Gegenüber. Die eigentliche Kunst besteht dann darin, genau dieses Gefühl, gepaart mit dem der Ablehnung, nicht zu übertragen auf den nächsten vor uns stehenden Menschen, der es verdient hat, dass wir ihm möglichst neutral und erwartungsoffen begegnen. Um erneut die bestmögliche Lösung zu finden. Bei einer derartigen Summation von Ereignissen wie oben geschildert braucht es dazu ein sehr gutes, sehr bewusstes und sehr erprobtes State Management.

Wir dürfen ergo spätestens an dieser Stelle den Rückschluss ziehen, dass Erwartungen beiderseits bestehen und im Laufe des Beratungsgespräches jeweilige Hoffnungen auf deren Erfüllung enttäuscht werden können.

Enttäuschung als Ergebnis falscher Erwartungen?

Doch können Erwartungen falscher Natur sein? Welche Erwartung ist richtig, welche falsch? Oder sollten wir uns grundsätzlich davon lösen, Erwartungen zu hegen? Denn „Erwarten“ beinhaltet „Warten“. Und wer von uns wartet schon gerne? In einschlägigen Ratgebern ist so auch häufig zu lesen, dass es besser sei, man habe keine Erwartungen an nichts und niemanden, denn wenn man nichts erwarte, so werde man auch von nichts und niemandem enttäuscht.

Wie geht es Ihnen mit der Aus­sage? Können Sie sich vorstellen, völlig erwartungsfrei im Apothekenalltag zu agieren? Um Enttäuschungen zu vermeiden? Sich in der Apotheke erwartungstechnisch „abzuschotten“ und wie abgekapselt Vorgänge und Kontakte zu isolierten Elementen zu reduzieren? Gänzlich bindungsfrei. Oder ist das nicht eher eine alltagsferne, weichgespülte Vorstellung, getragen von der Angst vor Enttäuschung, die lediglich eines zum Ausdruck bringt: das mangelnde Vermögen, mit Enttäuschungen umzugehen. An dieser Stelle dürfen Sie sich selbst er­lauben, Ihre Reaktion auf bereits erlittene Enttäuschungen nachträglich zu überprüfen. Wie gelassen sind Sie mit Ihnen umgegangen? Wie sehr hat die enttäuschte Hoffnung an Ihnen genagt? Wie vorwurfsvoll sind Sie in der Folge mit sich selbst und denen, die Ihnen dies Erlebnis beschert haben, umgegangen? Was wollte in diesem Moment erfahren und gelernt werden?

Hoffnung liegt in der Luft

Laut Wikipedia ist „Hoffnung ... eine zuversichtliche innerliche Ausrichtung, gepaart mit einer positiven Erwartungshaltung, dass etwas Wünschenswertes eintreten wird, ohne dass wirkliche Gewissheit darüber besteht“. Ist es dann nicht eine viel bessere Idee, statt keine Erwartungen zu hegen und damit zeitgleich Hoffnungslosigkeit Vorschub zu leisten, sich damit auseinanderzusetzen, wie jeder Einzelne für sich aus erlittenen oder bereiteten Enttäuschungen gestärkt hervorgehen kann? Ist es eine strukturiertere Herangehensweise, wenn es darum geht, beim Arzt Rezepte frühzeitig zu bestellen? Ist es das Zur-Kenntnis-Nehmen, dass ich für meine mir selbst bereiteten Probleme geradestehe und nicht jemand völlig Fremden für deren Lösung als Verantwortlichen erkläre? Oder geht es darum, Grenzen zu ziehen? Rückgrat zu entwickeln oder zu zeigen? Sehr freundlich, sehr wertschätzend, empathisch und verständnisvoll und doch im besten Klartext den eigenen Standpunkt zu vertreten?

Erfüllte Hoffnungen und erlittene Enttäuschungen

Wer also weiß, wozu sie gut sind! Die Erwartungen, die ungewissen Ausgangs sind und uns doch aufgrund der impliziten Hoffnung immer wieder antreiben und uns ein Feld der Möglichkeiten erahnen lassen. Halten wir dabei, ganz gleich ob als Kunde oder als Personal, nicht krampfhaft an einem bestimmten Endergebnis fest, sondern fokussieren uns auf die bestmögliche Lösung und damit auf den zuträglichsten Konsens, dann dürfen wir die Erwartungen getrost wieder hochschrauben und uns auf einen Experten-Status im Umgang mit Enttäuschungen einstellen!

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihrem Team einen hoffnungsvollen, erwartungs­offenen sowie positiv ereignis­reichen Tagesverlauf! |

Monika Raulf, Apothekerin und zertifizierter Coach, www.co-pha.com

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